Die Diskette. Bernt Danielsson

Die Diskette - Bernt Danielsson


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die voller matschigem Schnee waren. Ich glaubte, daß Schröder ihn an den Armen fassen würde und wir ihn zusammen anheben und hineintragen würden, aber das tat er keineswegs, er zeigte nur militärisch mit dem Holzlöffel in den Flur und schrie: „Zieh ihn rein!“

      „Aber müssen wir ihn denn nicht tragen?“ fragte ich.

      „Warum denn?“

      „Weil er sich sonst den Kopf an der Schwelle anschlägt.“

      „Ja und, das kann ihm nur guttun. Dann wacht er vielleicht wieder auf.“

      Ich holte tief Luft und zog den Inder Rashmal so vorsichtig wie möglich über die Schwelle. Die rote Pudelmütze blieb am Fußabstreifer hängen, und Schröder hob sie auf. „I’ll give you a hand“, sagte er grinsend und zog die Tür mit einem Ruck zu, so daß sie mit einem Knall ins Schloß fiel.

      Chandler lief die ganze Zeit schwanzwedelnd um uns herum und schmatzte mit seiner langen Zunge, während ich versuchte, ihn wegzuscheuchen.

      „Warum kann es denn nicht einmal gut sein?“ stöhnte Schröder und lehnte sich schwerfällig gegen die Tür. „Was? Verstehst du das? Immer ist irgend etwas. Ich bin allmählich überzeugt davon, daß es eine höhere Macht gibt, die nichts anderes im Sinn hat, als mich zu ärgern.“

      „Was?“ keuchte ich und fragte mich, wieso ein so kleiner, magerer Kerl so schwer sein konnte.

      „Ja, wie soll man sich denn sonst erklären, daß alles, aber wirklich alles immer genau zum falschen Zeitpunkt zum Teufel geht? Entweder werden verrückte Weihnachtswichtel aus Bangladesch ohnmächtig, wenn ich gerade koche und einen gemütlichen Abend mit meinen Lieben verbringen will, oder die Waschmaschine explodiert ausgerechnet dann, wenn ich nach Japan will und unbedingt meine Unterhosen waschen müßte. Und wo ist verdammt noch mal Lena – Pst!“ unterbrach er sich plötzlich, legte den Kopf schräg und lauschte intensiv.

      „Was ist ...“ fing ich an.

      „Pst!! Verdammt! Das Wakame!“ sagte er und warf die Pudelmütze auf den Inder. Sie traf ihn direkt im Gesicht. Schröder drehte sich um und rannte die Treppe hoch.

      Chandler schaute ihm nach, dann schaute er auf den leblosen Inder und die rote Mütze, die langsam über den Pelzkragen auf den Boden rutschte. Er schüttelte sich tüchtig und entschied, daß es wohl am besten war, dem Herrchen zu folgen.

      Ich wußte nicht, was ich machen sollte. Ich hatte keine große Lust, da unten bei dem ohnmächtigen indischen Weihnachtswichtel Rashmal zu bleiben. Ich schaute ihn noch einmal an, hob die Mütze auf und legte sie ihm auf die Stirn.

      Hatte er Lena gemeint, als er Linda sagte? Oder war es ein verwirrter Inder, der sich verlaufen hatte? Sollte ich versuchen, ihn wach zu kriegen? Ich zuckte mit den Schultern. Schon besser, wenn Schröder dabei ist, wenn er aufwacht, dachte ich ängstlich und ging die Treppe hoch.

      „Schläft der Kerl immer noch?“ rief Schröder aus der Küche.

      „Wir sollten vielleicht einen Kaffee oder so was für ihn machen. Damit er was Warmes bekommt, er sieht völlig erfroren aus“, sagte ich, und es klang sehr besorgt.

      „Ach was, zum Teufel, immer mit der Ruhe“, sagte Schröder. Als ich in die Küche kam, löffelte er gerade etwas Braunes und Schleimiges aus einem Topf in eine Schüssel. „Ich werde gleich runtergehen und diesen Bramaputrazwerg aufwecken. Lena und Norling können jeden Moment hiersein. Du sollst dir nicht immer so viele Sorgen machen. Das Leben ist so kurz, eh man sich’s versieht hastet la vistet man weiter, und wozu war es dann gut, daß man sich solche Sorgen gemacht hat, über alles mögliche – wie zum Beispiel ohnmächtige Inder? Pst! Hast du gehört? Ist er jetzt aufgewacht?“

      Von unten hörte man merkwürdige kratzende Geräusche und dann eine brummige Suada – indische Flüche, wie ich vermutete. Dann wurde es ganz still. Schröder schaute mich fragend an, und ich hob die Schultern. Chandler lag unter dem Küchentisch und knurrte.

      „Geh runter und schau nach, was er vorhat“, sagte Schröder.

      „Ich? Wieso ich?“

      „Verdammter Feigling. Die Jugend ist heutzutage so was von verweichlicht. Also, als ich in deinem – Okay, gehen wir zusammen.“

      Er zog eine Schublade auf und holte eine riesige, schreckeinjagende Axt mit breitem, fast schwarzem Blatt mit einer Kerbe in der Schneide und einem Loch in der anderen Ecke heraus. Der Schaft war aus dunklem Holz und hatte drei große Nieten.

      „Was ist das?“ fragte ich und schaute mit großen Augen.

      „Eine Fleischeraxt, das sieht man doch. Tja, man kann ja nie wissen“, sagte er entschuldigend und schlich zur Treppe. „Hallo, da unten“, rief er dann.

      „Er kann bloß englisch“, sagte ich.

      „Willst du damit sagen, daß er nicht indisch kann?“ sagte Schröder und kratzte sich die Stoppeln unterm Kinn. „Verdammt, wie still es ist.“

      Er hielt sich mit der linken Hand am Geländer fest und ging Schritt für Schritt hinunter bis zum Treppenabsatz, da blieb er stehen und schaute um die Ecke.

      „Er ist gegangen“, sagte er mit einem erleichterten Seufzer und ließ die Fleischeraxt sinken.

      Ich beugte mich auch vor und schaute. Im Flur war niemand, aber die Tür war angelehnt und ließ einen kühlen, feuchten Luftzug herein.

      „Er hat wohl Hunger auf ein Rogan Josh Curry bekommen. Komm!“ sagte er und stieß mich in die Seite, damit ich vorausging.

      „Geh du zuerst“, sagte ich und bekam als Antwort nur einem wütenden Blick.

      Mit der hoch erhobenen Fleischaxt ging er voraus und trat heftig die Tür auf. Vor der Tür war niemand. Schröder drehte sich langsam und machte das Licht draußen aus.

      „Kein Bein“, sagte er. „Aber sicherheitshalber sollten wir im Heizkeller nachsehen. Mach du das“, sagte er und zeigte in die Richtung.

      Widerwillig drehte ich mich um und ging in einen kohlschwarzen kleinen Raum am anderen Ende des Flurs. „Der Lichtschalter ist links!“ sagte Schröder und blieb an der Haustür stehen. Ich tastete mit der Hand die Wand entlang und fand einen Lichtschalter, den ich drehte. Eine Deckenlampe in einem weiteren kleinen Flur ging an, es gab drei Türen, eine zur Linken, die offenstand, eine zur Rechten, die angelehnt war, und eine geradeaus, die geschlossen war.

      „Wieder links!“ flüsterte Schröder und stand plötzlich direkt hinter mir. Ich faßte mit der Hand um die Ecke, fand einen Schalter und machte Licht.

      Abgesehen von dem dreckigsten Heizkessel, den ich je gesehen habe, gab es da drinnen bloß große Wollmäuse auf dem rußigen Boden.

      „Banzai!“ brüllte Schröder hinter mir und riß die rechte Tür auf, die angelehnt gewesen war. Ich drehte mich erschrocken um, und ich wäre fast umgefallen, weil ich über eine Werkzeugkiste stolperte, die neben der Tür stand.

      „Mußt du mich denn so erschrecken?“ schimpfte ich.

      Schröder grinste breit. „Auch in der Garage nicht der kleinste Bramaputrawichtel. Er scheint einfach davonspaziert zu sein. Was für eine Type! Das ist also der Dank dafür, daß man ihm das Leben gerettet hat, ihn sogar hat auftauen lassen in der teuer erkauften Wärme des eigenen Hauses. Also, wenn du wüßtest, was der Strom heutzutage kostet!“ Er seufzte und machte die dritte Tür auf, streckte die Hand aus und knipste eine Deckenlampe an. „Mein Weinkeller“, sagte er zufrieden, aber gerade als ich hineinschauen wollte, machte er schnell wieder das Licht aus und trat die Tür mit dem Fuß zu.

      Er drehte sich um, blieb dann mit einem Ruck auf der Schwelle stehen und starrte mit großen Augen das Chaos auf dem Fußboden an. „Aber was zum Teufel!!“ keuchte er dann, und es klang richtig schockiert.

      „Was ist denn?“ fragte ich.

      „Meine neuen Mountaineers!“ schrie er, kniete sich auf den Boden und warf dann mit alten Holzschuhen und Turnschlappen um sich


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