Die Diskette. Bernt Danielsson

Die Diskette - Bernt Danielsson


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wie geht es deinem verdammten Knie?“ Er grinste und drückte die Zigarette in einem der kleinsten Schälchen aus.

      „Gut, jetzt wieder gut. Aber es war richtig ...“ fing ich an, wurde aber sofort von Schröder unterbrochen:

      „Wart einen Moment, ich muß nach dem Hijiki sehen.“

      „Hi-was?“

      „Hijiki. Meeresalgen. Verteufelt gut. Und gesund. Ja, Kevin, heute abend wirst du das exquisiteste japanische Essen bekommen, nicht einmal die Japaner sind ohne weiteres in der Lage, so zu kochen.“

      „Ich habe nicht gewußt, daß du ... ähm ... auch japanisch kochen kannst.“

      „Na selbstverständlich. In diesem Punkt bin ein richtiger Japanexperte. Ich bin doch dort gewesen.“

      „In Japan?“ fragte ich erstaunt.

      „Ja sicher.“ Er nickte. „Ich habe drei Ausstellungen gehabt. In Tokio, Osaka und Beppu. War ein phantastischer Durchbruch, wirklich, sowohl künstlerisch als auch ökonomisch. Die kleinen Gelbhäute haben heutzutage ja reichlich Kohle.“

      „Bist du denn lange dort gewesen?“

      „Na ja, zwei Wochen und drei Tage, um genau zu sein“, sagte er.

      „Und in so kurzer Zeit bist du Experte im Kochen geworden?“ fragte ich grinsend.

      „Wenn man so ein schlaues Kerlchen wie ich ist, dann braucht man nicht länger. Ich meine im Unterschied zu den normalen Touris. Du weißt schon, wen ich meine. Die fliegen mit Charter nach Saint Emillion und fragen den Kellner im ersten besten Restaurant, ob sie eine Karaffe Rioja Tinto kriegen können.“

      Ich verstand überhaupt nicht, was er meinte, und vermutlich sah man mir das auch an.

      „Ja, oder die nach London kommen und im Pub ein Pint Becks bestellen. Aber ist ja auch egal, wie spät ist es eigentlich?“

      „Viertel nach sieben“, sagte ich.

      „Verfluchte Lena. Früher war sie die Pünktlichkeit in Person“, sagte er und ging weg.

      Ich nahm die kleine schwarze Schale, in der immer noch seine Kippe glimmte und stinkenden Rauch verbreitete, und folgte ihm. Verblüfft blieb ich in der Türöffnung stehen.

      Da drinnen herrschte das reine Inferno. Auf den vier Kochplatten standen Töpfe, in denen es köchelte. Es zischte, und Dampf stieg aus den kleinen Luftlöchern der Deckel. Die Ablage daneben war vollgestellt mit Flaschen, Gläsern, Schachteln und jeder Menge verschiedenfarbiger Plastiktüten. Auf einer stand Wakame, und auf einer lilafarbenen, die auf den Boden gefallen war, stand Hijiki. Auf dem rotweiß gestreiften Teppich vor dem Herd lagen ganz viele kleine schwarze, wurmähnliche Dinger, die eigentlich ziemlich eklig aussahen.

      Schröder hatte den Kühlschrank aufgemacht und suchte mit fahrigen Bewegungen in dem Chaos da drinnen. „Wo ist verdammt noch mal das Miso?“ knurrte er.

      Ich stellte den Aschenbecher auf die Spüle, zog den einen Stuhl am Küchentisch heraus und setzte mich. „Du?“ fragte ich.

      „Was ist?“

      „Weißt du eigentlich, wie das mit diesem Schurken weitergegangen ist?“

      „Mit welchem?“

      „Na du weißt schon, der in München. Dieser Ex-Geheimdiensttyp, der Boß von BEDA, den Lenas Kollegen noch am gleichen Tag festnehmen wollten?“

      Er schob einige große Plastikflaschen beiseite, die aussahen wie Ein-Liter-Cola-Flaschen.

      „Ich hätte nichts gegen ein Glas Cola“, sagte ich.

      Er erstarrte am ganzen Körper und sein Kopf drehte sich langsam zu mir um.

      „Cola?! Coca-Cola?! Ich soll so ekliges Imperialistengesöff in meinem Kühlschrank haben?!“

      „Aber was ist es dann?“

      „Japanisches Soja natürlich. Yamasha und Kikkiumans Usukuchi.“

      Er schob vier weiße Plastikbehälter, die übereinander standen, beiseite. „Miso, Miso, Miso – jetzt wollen wir mal sehen. Also, ich weiß zwar nicht, was passiert ist oder wer sich blamiert hat, aber das Ganze ging voll in die Hose, und dieser Typ konnte im letzten Moment entkommen. Und dann gab es jede Menge Probleme, sowohl hier oben in Stockholm als auch unten in Deutschland, während ich in Japan war. Aber es ist bestimmt besser, wenn Lena das selbst erzählt. Sofern sie überhaupt etwas erzählen kann, sie hat ja Schweigepflicht. Und ich natürlich auch.“

      „Was?“

      „Ja, als Arzt.“

      „Wann warst du in Japan?“ fragte ich schnell, damit er nicht wieder einen Haufen Quatsch erzählen konnte, daß er Arzt sei und so.

      „Im Dezember“, sagte er. „Yeah! Da ist es! Aber ich war zuerst unten in Dänemark. Auf Jylland. Ich bin sofort hingefahren, nachdem ich diesen verdammten Idioten im Krankenhaus entkommen war, gleich einige Tage nach dem großen Walroßdesaster.“

      „Was hast du dort gemacht?“

      „Ich wollte malen wie der Teufel, übers Leben nachdenken und mich gleichzeitig ein bißchen erholen – aber das ging alles nicht“, sagte er und knallte die Kühlschranktür zu.

      „Nee, nee“, sagte ich und versuchte, meiner Stimme einen verärgerten Unterton zu geben.

      Er blieb plötzlich stehen und hatte eine Plastiktüte mit irgendeiner weißen Paste in der Hand. Ich fand, es sah ungefähr wie Marzipan aus. Er schaute mich ernst an. „Ja, ja, ich weiß, – ich hätte anrufen sollen. Aber ... ich hatte kein Telefon, verstehst du. Ich wohnte direkt am Meer, in einer riesigen Scheune mit Plumpsklo. Aber ich habe an dich gedacht, jeden Tag. Wie es dem guten Kevin wohl geht, dachte ich. Und dann habe ich wirklich einmal angerufen, als ich aus Japan zurückkam.“

      „Da war ich bestimmt in England“, sagte ich. „Bei meinen Großeltern.“

      „Ich habe sogar ganz oft angerufen“, fuhr er eifrig fort und wühlte in der übervollen Spülschüssel, bis er schließlich einen Löffel gefunden hatte. „Und ich habe schon angefangen, mir Sorgen zu machen, als nie jemand antwortete.“ Er betrachtete kritisch den Löffel und roch an ihm. „Ist nur alter Bornier-Senf“, konstatierte er und hob den Deckel von einem der Töpfe. Ich werde jetzt nur das Hijiki, das in Sesamöl geschmort wurde, mit etwas Miso abschmecken, dann ist das Meisterwerk fertig.“ „Miso?“

      „Ha! Das reinste Wunder in der Küche, mein Junge, was heißt schon Bouillon – pah! Knorr kann sich am Schwanz ziehen. Das ist was, mein Junge! Die Japaner haben nämlich eine ganze Menge in ihren kleinen gelben Köpfen, das kann ich dir sagen.“ „Aber was ist es denn?“

      „Ähm, ich, also, es ist ...“ Er drehte die Plastiktüte um und las: „Es ist Marukura Organic wajt Miso. Tsultured Rajs änd Sojabin ...“

      „Cultured“, korrigierte ich mit übertriebener englischer Aussprache und merkte im gleichen Moment, daß er seine Aussprache natürlich genauso übertrieb. Ich spürte, wie mir heiß im Gesicht wurde, und ärgerte mich wahnsinnig über mich, weil ich rot wurde. „Laß mich lieber selbst lesen“, sagte ich schnell.

      „Sei nicht so giftig, mein Junge! Ich kann schließlich nichts dafür, daß ich keine englische Mutter habe – da ist es schließlich keine Kunst. Und für Tomatenmark habe ich in meiner Küche keine Verwendung, damit das klar ist.“

      Ich wollte mir gerade etwas richtig Gemeines als Antwort ausdenken, als es an der Tür klingelte und Chandler laut zu bellen anfing.

      „Ah, jetzt kommen sie“, rief Schröder. Geh runter, und mach ihnen auf.“

      „Kommen sie?“

      „Ja, Lena und Norling.“

      „Norling?“

      „Ja, erinnerst du dich


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