Handbuch Qualitätsmanagement im Krankenhaus. Heidemarie Haeske-Seeberg
• Betroffene zu Beteiligten machen
Besonders in der Phase der Implementierung eines QM-Systems geht es in der Führung um die Vermittlung einer bestimmten Grundhaltung gegenüber den Mitarbeitern, die Folgendes besagt: Es geht nicht darum, endlich gute Qualität zu erbringen, sondern die vorhandenen Ansätze bewusster, planmäßiger und gezielter anzugehen, um die Qualität der erstellten Produkte und Dienstleistungen planbar und steuerbar zu machen.
Die wichtigsten Komponenten der Beschreibung des geeigneten Führungsstils sind die Ausprägung der Wertschätzung für den einzelnen Mitarbeiter bzw. die Mitarbeiter insgesamt und das Ausmaß der gewährten Freiräume. So kann ein Führungsstil, wie er die Voraussetzung für die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems bildet, nur mit Wertschätzung für Mitarbeiter einhergehen. Alle Haltungen, die geringe Wertschätzung gegenüber Mitarbeitern im Allgemeinen bzw. gegenüber einzelnen Mitarbeitern zum Ausdruck bringen, führen – je nach Ausprägung des lenkenden Eingreifens – zu einem laissez faire- oder zu einem autoritären Führungsstil (
Dabei sind bei einem kooperativen oder partizipativen Führungsstil verschiedene Mitarbeiter durchaus unterschiedlich instruktiv und lenkend zu behandeln, sodass hier ein größeres Handlungsspektrum entsteht. Ein weiterer Modifikationsfaktor ist die Situation, in der Entscheidungen zu treffen sind. So muss sich ein chirurgischer Chefarzt während einer kritischen Situation im Rahmen einer Operation darauf verlassen können, dass seine Anweisungen direkt und unmittelbar befolgt werden. Geht es jedoch um weniger zeitkritische Entscheidungen, z. B. im Rahmen der Entwicklung eines patienten-individuellen Behandlungsplans, kann durchaus eine weitgehende Beteiligung in der Entscheidungsfindung – hier unter Berücksichtigung des Wissenstandes des beteiligten Mitarbeiters – erfolgen.
Abb. 13: Führungsstil-Komponenten
7.3 Feedback als Entwicklungsbasis
Führungskräfte, die an sich selbst arbeiten wollen, sollten sich in regelmäßigen Abständen mit den Ergebnissen einer Mitarbeiterbefragung auseinandersetzen. Prospektiv und nicht datengestützt ist natürlich auch eine Selbstreflexion möglich, die auf der Basis folgender Fragen erfolgen könnte:
• Fördere ich Wandel und Innovation?
• Vertraue ich meinen Mitarbeitern?
• Gebe ich genügend Freiraum?
• Fördere ich neue Ideen und Experimente meiner Mitarbeiter?
• Wie gehe ich mit persönlichen Belastungen um?
• Welche Ziele verfolge ich? Wie setze ich sie, sind diese im Einklang mit den Unternehmenszielen?
• Vereinbare ich Ziele gemeinsam mit meinen Mitarbeitern?
• Kenne ich meine Mitarbeiter und ihre individuellen Bedürfnisse?
• Welche Werte beachte, betone und kontrolliere ich?
• Arbeite ich an mir? Wofür bin ich selbst ein Vorbild?
• Welchen Stellenwert haben für mich die Mitarbeiter?
• Woran messe ich, wie Mitarbeiter meinen Führungsstil beurteilen?
• Wie kommuniziere ich? Pflege ich einen partnerschaftlichen Dialog?
• Bin ich meinen Mitarbeitern Vorbild, Berater, Coach?
Wichtige Ergebnisse der Selbstreflexion sollten gemeinsam mit daraus resultierenden persönlichen Entwicklungszielen schriftlich festgehalten und in regelmäßigen Abständen auf ihre erfolgreiche Umsetzung überprüft werden. Dazu ist es sinnvoll, stets nur wenige, prioritäre Änderungsabsichten an sich zu richten und diese stets mit der Festlegung einer geänderten, weiterentwickelten Vorgehensweise zu verbinden.
Häufig beklagen sich insbesondere jüngere Führungskräfte darüber, dass ihre Mitarbeiter sich in einem aus ihrer Sicht nicht ausreichenden Maße aktiv an der Gestaltung der Abteilung beteiligen. Dies kann seine Ursache darin haben, dass zu häufig in Situationen, in denen ein größerer Umfang an Partizipation möglich wäre, trotzdem instruktiv Entscheidungen getroffen und kommuniziert werden.
Hat also eine Führungskraft das Ziel, das Engagement der Mitarbeiter zu erhöhen oder gar berechtigte Zweifel, ob sie in ausreichendem Maße einen partnerschaftlichen Dialog pflegt, so sollten konkrete Situationen reflektiert werden, in denen dies zu verbessern ist. Dies können Visiten, Stationsbesprechungen oder Fallkonferenzen sein. Mit einem Blick auf die Tagesordnung der nächsten Besprechung können Besprechungsthemen identifiziert werden, an denen ein geändertes Führungsverhalten geübt werden soll. Dazu entwickelt man eine Vorstellung vom gewöhnlichen Verlauf der Besprechung dieses Tagesordnungspunktes und versucht, den Umfang der Beteiligung an der Entscheidungsfindung zu eruieren, der gewöhnlich geübt wird. Nun sollte man sich klar werden, in welchem Umfang Beteiligung angestrebt werden soll. Entsprechend offen ist die Diskussion mit den Mitarbeitern zu führen. Dazu sollte man sich Redewendungen zurechtlegen und neue, ungewohnte Formulierungen durchaus üben. Die angestrebte Veränderung im Führungsstil und im Partizipationsverhalten muss jedoch unter allen Umständen authentisch sein. Lediglich eine in offene Redewendungen »verpackte« Fortführung des Status quo wird in jedem Fall von den Mitarbeitern bemerkt.
Hilfreich ist es zu wissen, dass solche »Kulturveränderungen« langwierig sind und der Führungskraft große Geduld abverlangen. Die Mitarbeiter werden zunächst verstört reagieren und darauf hinarbeiten, dass das gewohnte – wenn auch nicht erwünschte – Führungsverhalten wieder herbeigeführt wird. Sie testen also die Nachhaltigkeit und Ernsthaftigkeit der Veränderung. Es kann Monate bis Jahre dauern, um einen Kulturwandel erfolgreich umzusetzen. Man sollte ihn also nur beginnen, wenn man ernsthaft vorhat, sich selbst als Persönlichkeit und seinen Führungsstil zu verändern.113
Solange keine oder nur selten Befragungen durchgeführt werden, sollte jede Führungskraft Indikatoren für gute Führung entwickeln, die im Alltag beobachtet werden können. Hier einige Beispiele, die natürlich den Zielen der einzelnen Führungskraft angepasst werden müssen. Mitarbeiter
• betreten unangemeldet ihr Zimmer und diskutieren aktuelle Probleme ihrer Projekte oder Patienten, suchen unaufgefordert ihren Rat in verschiedenen, vor allem kritischen Situationen;
• beraten mit ihr permanent über Möglichkeiten, eigene Ziele, z. B. Karriereziele oder Ziele der Familien- und Lebensplanung mit den Unternehmenszielen (Abteilungsziele, Stationsziele) in Einklang zu bringen;
• berichten unaufgefordert und konstruktiv über kritische Situationen in Projekten oder im Umgang mit Patienten;
• kritisieren offen und konstruktiv ihre Entscheidungen;
• machen auf Fehlentscheidungen aufmerksam;
• unterbreiten Lösungsvorschläge für Probleme, die nicht unmittelbar ihr Aufgabengebiet betreffen;
• beenden Diskussionen nicht, sobald sie den Raum betritt oder
• laden sie zu außerdienstlichen Aktivitäten ein.
Um jedoch einen umfassenden und realistischen Eindruck davon zu bekommen, wie Mitarbeitende Führung wahrnehmen, muss eine wissenschaftlich entwickelte Mitarbeiterbefragung unter Wahrung von Anonymität und anderen Rahmenbedingungen durchgeführt werden (
7.4 Delegation von Verantwortung und Entscheidungen