Handbuch Qualitätsmanagement im Krankenhaus. Heidemarie Haeske-Seeberg

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messen und planen

      • Den Kunden nicht als Verbraucher behandeln, sondern als Menschen

      Gerade bei der Auswahl und Erbringung einer angemessenen, vom Patienten wirklich gewollten und benötigten Dienstleistung sind im Gesundheitswesen häufig Gratwanderungen zu leisten. Jedes Beispiel, das zeigt, an welcher Stelle umfangreichere Kundenorientierung möglich oder nötig wäre, kann hier durch Gegenbeispiele widerlegt und ad absurdum geführt werden, weshalb auf die Nennung eines Beispiels verzichtet werden soll. Wichtig ist jedoch das Bemühen um eine allen patientenbezogenen Handlungen zugrunde liegende Grundeinstellung. Diese sollte immer implizieren, dass es im Qualitätsmanagement von besonderer Bedeutung ist, dass eine gute Dienstleistung nur diejenige ist, bei der der Kunde zufrieden gestellt wird.

      Der Leistungserbringer sollte also nicht – wie häufig durch den Patienten gefordert – darüber nachdenken, für welche Handlungsoption er für sich oder seine Familie entscheiden würde, welche diagnostische oder therapeutische Maßnahme für ihn angemessen, tragfähig und zufriedenstellend ist. Er muss versuchen, intensiv zu ergründen, was für den individuellen Patienten, für den eine konkrete diagnostische oder therapeutische Maßnahme ausgewählt und erbracht werden soll, angemessen und zielführend ist. Das wird nicht immer das aus professioneller Sicht des Leistungserbringers »Beste« für den Patienten sein. Dabei ist ein Dialog, bei dem der Leistungserbringer den Patienten in die Lage versetzt, alle notwendigen Informationen zu verstehen, aufzunehmen und zu bewerten, ausschlaggebende Voraussetzung.

      6.1.1 Die Besonderheiten der Kundenorientierung im Gesundheitswesen

      Im Gesundheitswesen wird die Benutzung des Wortes »Kunde« für Patienten häufig kritisch bewertet. Der Patient soll nicht nur als »Verbraucher« betrachtet werden. Die Beziehung auf eine Kunden-Lieferanten-Beziehung zu reduzieren, stößt bei Mitarbeitern von Gesundheitseinrichtungen häufig auf Ablehnung.

      Einer der Kerngedanken von Qualitätsmanagement ist die Ausweitung des Kundenbegriffes auf eine ganzheitliche Sicht, bei der der Kunde nicht als Verbraucher betrachtet werden soll, sondern als Mensch.

      Geht man von diesem erweiterten Kundenverständnis aus und vergleicht dies mit den Aspekten, die ein Patient in sich birgt, so wird der Kunden-Begriff akzeptabler. Der Patient hat Aspekte und Rollen eines

      • Gastes, denn er wird in der Gesundheitseinrichtung beherbergt und verpflegt, verbringt gelegentlich sogar Wochen bis Monate in einer Gesundheitseinrichtung;

      • Kunden, denn die Gesundheitseinrichtung erhält für seine Behandlung ein Entgelt;

      • Organes oder Befundes, denn es ist seine Erkrankung, seine Störung oder Beeinträchtigung, über die sich die Leistungserbringer Gedanken machen und wegen der der Patient von ihnen behandelt wird;

      • Partners, denn insbesondere bei chronischen oder psychisch-psychiatrischen Erkrankungen ist ohne die Hilfe und das Zutun des Patienten Genesung oder Besserung seines Zustandes nur eingeschränkt möglich.

      Gerade der letztgenannte Aspekt gewinnt an Bedeutung vor dem Hintergrund, dass der Anteil der Patienten mit chronisch-degenerativen Erkrankungen zunimmt. In allen Bereichen, in denen es auf die Veränderung von Lebensgewohnheiten ankommt, ist die Mitarbeit des Patienten ein ausschlaggebender Faktor bei der Besserung bzw. Heilung. Dies ist der Fall,

      • wenn Ernährungsgewohnheiten geändert werden müssen, um einen Heilerfolg zu erzielen, wie bei Diabetes mellitus, Gicht, Neurodermitis, Allergien;

      • wenn Rauchen, der Abusus von Substanzen oder andere süchtige oder zwanghafte Verhaltensweisen Ursache von Erkrankungen sind, wie bei Alkoholismus, chronischer Bronchitis oder Spielsucht;

      • wenn die gesundheitliche Situation durch sportliche bzw. körperliche Betätigung nachhaltig zu beeinflussen ist, wie bei Hyperlipidämien oder posttraumatischen Bewegungseinschränkungen.

      Je besser die Gewohnheiten, Bedürfnisse und Erwartungen der Patienten von den Leistungserbringern wahrgenommen werden, desto realistischer können Heilungsaussichten kommuniziert und unterstützt werden.

      Gerade in diesem Bereich ist es notwendig zu erkennen, auf welche Behandlung sich ein Patient mit seinem persönlichen, (sub-)kulturellen, ethisch-moralischen Hintergrund einzulassen gewillt und in der Lage ist. Gerade in diesem Bereich werden den Patienten noch heute häufig therapeutische Angebote unterbreitet, die von diesem nicht akzeptiert werden und die deshalb nur eingeschränkt wirksam sind. Gerade in diesem Bereich ist aber auch die Abwägung, wie viel Einfluss aktuelle Kundenwünsche einerseits und professionelle Erfahrungen der Therapeuten andererseits auf therapeutische Angebote haben sollten, besonders schwer.

Images

      Abb. 11: Aspekte des Patienten im Versorgungsprozess (Quelle: nach Piwernetz. 1991)

      All die Aspekte eines Patienten – Gast, Kunde, Organ/Befund, Partner – (vgl. Abbildung 11) beschreiben noch nicht den Menschen, der viele weitere Facetten hat. Das Bemühen im Qualitätsmanagement sollte zu diesem erweiterten Kundenverständnis führen, um den Menschen wahrzunehmen. So betrachtet, kann der Kundenbegriff eine Bereicherung im Vergleich zum Patientenbegriff darstellen.

      6.1.2 Der »Kunde« im Gesundheitswesen – Wer ist das?

      Bei der Mehrzahl von Dienstleistungen in anderen Branchen gehen Kunde und Lieferant eine 1:1 Kunden-Lieferanten-Beziehung ein. Der Kunde nimmt eine Dienstleistung in Anspruch, die für ihn, möglicherweise an ihm durchgeführt wird, und er begleicht diese selbst.

      Im Gesundheitswesen findet man in der Regel nicht diese Art der Kunden-Lieferanten-Beziehung. Der »Kunde« Patient nimmt eine Dienstleistung in Anspruch, die durch einen Leistungserbringer geliefert oder erbracht wird. Die Begleichung der Dienstleitung erfolgt jedoch häufig durch einen Dritten, der als Zahler auftritt, häufig eine Krankenkasse. Damit tritt auch diese in ein Kundenverhältnis zum Leistungserbringer (image Abb. 12).

      Dies hat zur Folge, dass viele Patienten den Preis von Gesundheitsdienstleistungen nicht kennen bzw. das eine andere Nutzen-Abwägung beim Patienten eintritt als bei der Inanspruchnahme anderer Dienstleistungen in anderen Branchen. Es hat auch zu Folge, dass der Zahler


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