Dominic Thiem. Egon Theiner

Dominic Thiem - Egon Theiner


Скачать книгу
ein Hoch, die Arbeit Bresniks trägt Früchte, Dominic beginnt wieder zu gewinnen. Nicht immer, aber immer häufiger. Seine Turniere bringen ihn in die ganze Welt, die Reisen gehen ins Geld. Ohne jegliche finanzielle Unterstützung vonseiten des Österreichischen Tennisverbandes muss die gesamte Familie zusammenstehen, um Dominics Karriereverlauf zu stützen. Ein Tennisjahr verschlingt locker 50.000 bis 100.000 Euro, und wir sprechen hier für Spesen für einen 15-Jährigen. Die Großeltern verkaufen eine Eigentumswohnung, das Geld kann gut gebraucht werden. In der Zwischenzeit hat auch Dominics sechs Jahre jüngerer Bruder Moritz, geboren 1999, ernsthaft mit dem Tennissport begonnen. „Diese Zeit hat mich doch ein wenig verbittert“, sagt Karin Thiem einmal. Und: „Wenn du den Weg gehen willst, zu dem Dominic und wir uns entschlossen haben, darfst du nicht nach links oder rechts schauen, sonst wirst du wahnsinnig.“ Es gibt keine Wochenendausflüge, kaum Freizeit, keine Urlaube, die Thiems schränken sich ein, wo es nur geht. Ein kleiner Skifahrer, der Talent besitzt, kann sich durch die Jugendkader des ÖSV kontinuierlich nach oben wedeln; ein leidlich begabter junger Kicker findet stets in Nachwuchsakademien Unterschlupf; das Familienunternehmen Thiem mit seinem adoleszenten Hauptakteur, das gewinnt nicht dank, sondern trotz des Österreichischen Tennisverbandes kontinuierlich an Flughöhe.

      Doch nicht nur die Finanzen sind ein Thema, auch die Vereinbarkeit von Schule und Sport: Das klappt nicht, besonders dann nicht, wenn das Lehrpersonal zum allergrößten Teil eher, nun ja: uneinsichtig ist. Fehlstunden aufgrund des Trainings in der 50 Kilometer entfernten Südstadt und aufgrund von Turniereinsätzen bedeuten den Weltuntergang. Dominic schlägt sich die Nächte mit Schulbüchern um die Ohren, im Turnen bekommt er eine Zwei, weil er vielleicht gut Tennis spielen mag, aber nicht schön schwimmen kann, im Zeichnen erhält er aufgrund der vielen Absenzen „nicht genügend“. In der sechsten Klasse bricht Dominic Thiem ab und entscheidet sich für den Tennissport, seine große Liebe. Eine schulische Ausbildung, sagt er, kann man nachholen, eine Sportlerkarriere aber nicht aufschieben. Selbstverständlich geschieht all dies in familiärer Eintracht, und wer sagt, dass es keinen Plan B gäbe, der irrt vielleicht. Eine Ausbildung zum Tennisprofi öffnet eine Reihe von beruflichen Perspektiven. Sollte es mit der Karriere nicht so ganz klappen, könnte man als Trainer oder Trainingspartner oder Touring-Coach immer noch in der Szene verbleiben. Plan A ist ein sehr guter Plan!

      Die Thiems stehen mit der Entscheidung, Tennis als Trumpf-As zu sehen, recht alleine da, einige Freunde und Bekannte wenden sich ab, können die Vorgangsweise nicht nachvollziehen. Doch innerhalb der Familie herrscht dieses Urvertrauen, die Frage, ob der Weg vielleicht falsch ist, wird nie gestellt.

       Eine Turnierreise mit weitreichenden Folgen

      Wir schreiben das Jahr 2010, Dominic Thiem ist mit Akademie-Trainer Thomas Strengberger in Mittel- und Südamerika unterwegs. Es stehen ITF-Nachwuchsturniere in Mexiko, Venezuela, Kolumbien, Ecuador und Peru an. Doch schon beim ersten Stopp machen sich körperliche Beschwerden beim Spieler breit, Durchfall, Brechreiz, Dehydrierung. Er muss ins Krankenhaus und landet dort sogar auf der Intensivstation. Doch nach einer Nacht scheint er wieder hergestellt zu sein, der Fächer der Möglichkeiten, was es war, ist groß. Wachstum, Pubertät, Lebensmittelvergiftung – aber was soll’s, es geht ihm ja wieder gut. Und obwohl er in Venezuela nochmals ins Krankenhaus muss, gewinnt er die Turniere in Kolumbien und Peru. Es sind seine ersten ITF-Juniorentitel in den Kategorien eins und zwei.

       Das längste Match der Tennis-Geschichte

      John Isner aus den USA gegen Nicolas Mahut aus Frankreich war eine Erstrundenbegegnung beim Tennis-Grand-Slam-Turnier in Wimbledon im Jahr 2010. Das Match begann am 22. Juni und zog sich über drei Tage hin. Mit einer Länge von insgesamt 11 Stunden und 5 Minuten reiner Spielzeit ist es die mit großem Abstand längste Begegnung der Tennis-Geschichte. Isner konnte das Spiel mit 6:4, 3:6, 6:7 (7:9), 7:6 (7:3) und 70:68 gewinnen. Der Tiebreak in Wimbledon wurde aber erst 2019 eingeführt und kommt zur Geltung, wenn es im Entscheidungssatz 12:12 stehen sollte.

      Nachdem auch ein medizinischer Test in Österreich negativ ausfällt, ist die Sache für alle gegessen. Doch die Tage, an denen es ihm gut geht, und jene, an denen er unendlich müde ist, wechseln sich ab. In Asien verliert er, in Italien gewinnt er zwei Spiele an einem Tag.

      Und beim Challenger in Kitzbühel tritt der Niederösterreicher im August 2010 erstmals gegen einen ATP-Profi an. Vom Veranstalter hat er eine Wild-Card erhalten, diese nutzt er, um in der ersten Runde den Franzosen Alexandre Sidorenko, die Nummer 252 der Weltrangliste, zu schlagen: 3:6, 7:6, 6:4. In der zweiten Runde verliert er gegen Victor Crivoi (ROM/Nr. 229) 2:6, 4:6. Es gibt acht ATP-Punkte und 1100 Euro Preisgeld. Zwei Monate später tritt er in der Qualifikation des ATP 250 in Wien an und holt gegen Marsel İlhan aus der Türkei beim 7:6, 4:6, 3:6 einen Satz. Und İlhan ist immerhin auf Platz 93 der Weltrangliste.

       Das Duell der Generationen

      Die sportliche Entwicklung geht Hand in Hand mit den sportlichen Erfolgen. 2011 spielt sich Thiem bei den French Open der Junioren in das Finale, das er gegen den US-Amerikaner Björn Fratangelo 6:3, 3:6, 6:8 verliert. Keine Schande, kann gewitzelt werden, gegen jemanden zu verlieren, der Björn heißt. Borg hatte bei den French Open zwischen 1974 und 1981 sechs Mal triumphiert.

      Größeres Aufsehen erregt allerdings ein anderer Auftritt Thiems in diesem Jahr. Beim Wiener ATP-Turnier trifft er in der ersten Runde auf Thomas Muster, und es ist ein Duell der Generationen. Muster ist 44, das Turnier in der österreichischen Kapitale beehrt er zum 15.

      Dominic Thiem, Björn Fratangelo

image

      Thomas Muster, Dominic Thiem

      Mal, und es ist seine Abschiedsvorstellung, egal, ob sie in Runde eins oder im Finale endet. Dominic Thiem ist 18, er steht zum ersten Mal im Hauptfeld dieses Events. Beide Spieler liegen außerhalb der Top 1000 der Weltrangliste – Muster ist Nr. 1078, Thiem Nr. 1890 –, doch dies tut der Stimmung unter den 7500 Zuschauern keinen Abbruch. Mehrheitlich ist das Publikum auf Seiten Musters. Man will ihn noch einmal auf der großen Bühne siegen sehen.

      Doch der Jubel und die „standing ovations“ für den Paris-Sieger von 1995 beeindrucken Dominik Thiem nicht, er tritt selbstsicher auf, holt sich mit einer starken Vorhand gleich das Break zum 1:0. Ein guter Stopp beschert ihm die 2:0-Führung. Als ein Doppelfehler von Muster dem Rookie ein zweites Break zum 4:1 einbringt, ist der erste Durchgang gelaufen. Im zweiten Satz gelingt Muster eine zwischenzeitliche 3:1-Führung, doch dann gewinnt Thiem fünf Spiele in Folge und nach 1:04 Stunden auch das Match.

      „Er hat die Atmosphäre in der Halle sehr gut weggesteckt“, sagt Muster nach dem Spiel, als er mit den Tränen kämpft, „er hat bravourös gespielt und ich glaube, dass der Richtige gewonnen hat. Ich wünsche ihm das Beste, er hat Herz und mentale Stärke, er soll sich entwickeln und verbessern!“ Dominic Thiem setzt technisch jedenfalls um, was ihm Bresnik einbläut, er wird auch bissiger und aggressiver. Beim entscheidenden Break zum 4:3 im zweiten Satz kommt auch erstmals die Siegesfaust. „Mir ist ein unglaublich großer Stein vom Herzen gefallen“, meint Thiem. „Ich war wirklich beeindruckt von der Kulisse. Es war mein erstes Mal vor so einem Publikum.“

      Nach dem Matchball streichelt ihm Muster fast väterlich über den Kopf. Noch ist Dominic Thiem noch lange nicht dort, wo er hinmöchte, doch die Richtung stimmt. In der zweiten Runde verliert er gegen den Belgier Steve Darcis (ATP-Nr. 95) 2:6, 2:6, gewinnt aber 20 ATP-Punkte, die ihn auf Platz 708 vorspülen, und 10.030 Euro an Preisgeld.

       Spielstatistik

       Dominic Thiem vs. Thomas Muster

       Wien 2011

      1. Runde

Скачать книгу