Der rätselhafte Doppelgänger - Kinder-Krimi. Kirsten Holst
Ich warte lieber, bis ich wieder zurück bin, dann kann ich gleich den Sand mit abspülen.“
Sie verschwand in ihrem Wagen und tauchte nur wenige Augenblicke später in T-Shirt und Jeans wieder auf, gerade als Anders auf den Platz kam, um die beiden abzuholen. Sie blieb auf der Treppe stehen. „Bengt, wir gehen jetzt an den Strand. Soll ich auf dem Rückweg was zu essen einkaufen?“
Bengt tauchte in der Tür auf und nickte ihnen zu. Er sah aus, als hätte er in seinen Kleidern geschlafen.
„Nein, das mache ich schon. Und sonst kaufen wir später was ein.“ Er entdeckte etwas hinter den beiden Mädchen. „Hallo, hallo, wen haben wir denn da?“
Manette drehte sich schnell um. Es waren Louis, Henrik und Berit, die herankamen. Und der norwegische Junge.
„Das sind die neuen Kinder“, sagte Louis stolz, als hätte er sie selbst gebacken. „Die beiden da heißen Berit und Helge. Sie sind norwegisch.“
„Hei“, sagte Helge und lächlte Manette schüchtern an.
Stina gab Manette einen Schubs. „Na, du hast ja wohl eine Eroberung gemacht, was“, flüsterte sie. „Er sieht aus, als würde er dich am liebsten mit Haut und Haaren auffressen. Wann hast du denn mit ihm geredet?“
„Gestern abend“, flüsterte Manette.
„Hallo“, sagte Stina laut. „Ich heiße Stina. Das da ist Anders, und der da mit den Strubbelhaaren und dem hängenden Schnauzbart, der heißt Bengt.“
„Wie kannst du so was sagen“, murmelte Bengt.
„Und ich heiße Manette“, sagte Manette.
„Das wissen die schon“, sagte Louis stolz. „Das habe ich ihnen erzählt.“ Er zeigte auf den finnischen Jungen. „Er da heißt Henrik“, fuhr er fort. „Er ist zwar erst neun Jahre alt, aber er kann auf dem Kopf stehen.“ Er wandte sich an Henrik. „Kopfstand, Henrik!“
Henrik gehorchte wie ein dressierter Affe. Im nächsten Augenblick stand er auf dem Kopf. Ein paar Sekunden lang blieb er so stehen, kam dann wieder auf die Füße und grinste verlegen mit zusammengekniffenen Lippen, als Bengt und die Großen applaudierten.
Das war aber nun doch zuviel des Guten, fand Louis. Schließlich war es nicht geplant gewesen, daß Henrik ihm die ganze Show stehlen sollte.
„Wollt ihr mit an den Strand?“ fragte Manette.
„Ja, wenn wir dürfen“, begann Helge vorsichtig. „Aber ...“ „Dann beeilt euch“, unterbrach Stina ihn, „wir gehen gleich los.“
Die Mädchen hatten schon die Straße erreicht, als die anderen sie endlich einholten. „O Göttin, nein, das darf doch nicht wahr sein!“ rief Stina aus und warf Helge einen ungläubigen Blick zu. „Du willst uns doch wohl nicht erzählen, daß ihr mit Schwimmwesten baden wollt.“
Helge schaute sie verlegen an. „Nur Berit. Unsere Mutter will nicht, daß sie ohne badet.“
„Das ist ja nun megaschwachsinnig“, protestierte Manette. „Es passiert doch nichts, wenn wir zusammen sind. Und mit dieser Schwimmweste kann sie ja gar nicht schwimmen.“ „Könnte sie nicht einen Schwimmreifen nehmen“, schlug Anders vor. „Oder einen Korkgürtel – statt dieses Monstrums.“
Helge zuckte mit den Schultern. „Möglich, aber wir müssen das jedenfalls heute mitnehmen.“
Sie stapften das letzte Stück durch den Sand, und plötzlich lag das Meer vor ihnen – und das Schatzsucherschiff! Ein schönes großes Schiff mit roten Segeln.
Stina blieb beeindruckt stehen. „O Göttin, ist das hübsch! Davon muß Bengt aber ein paar Fotos machen, bevor es verschwindet.“
„Ich dachte, er fotografiert nur Rennpferde“, sagte Helge, „das hat Per gesagt.“
„Nein, er fotografiert alles mögliche, wie Anders, aber meistens Pferde. Davon lebt er.“
Helge sah Anders an. „Fotografierst du auch?“
Anders nickte und hielt seinen Fotoapparat hoch. „Immer. Aber ich kann nicht davon leben.“
„Hier gibt’s nicht genügend Pferde“, grinste Stina. „Was ist das übrigens für ein Schiff?“
„Hast du das noch nicht rausgekriegt?“ fragte Anders sie neckend. „Das ist das Schatzsucherschiff!“
„Wow, das mit den tollen Typen?“
Anders sah sie irritiert an. „Wenn du so interessiert an denen bist, kannst du ja rausschwimmen.“
„Das werden wir eines schönen Tages auch tun“, grinste Stina. „Stimmt’s, Manette?“
„Wollen wir nicht endlich ins Wasser?“ fragte Louis.
„Wir dürfen erst zwei Stunden, nachdem wir gegessen haben, ins Wasser. Nicht früher“, sagte Berit.
„Außerdem wollen wir erst mal ein bißchen Sonne tanken“, sagte Manette. Stina und sie warfen T-Shirts und Jeans in den Sand. Darunter trugen sie ihre Bikinis.
„Cremst du mir den Rücken ein?“ fragte Stina und gab Manette die Sonnencreme. Sie breiteten ihre Handtücher auf dem Sand aus, und Stina legte sich auf den Bauch.
„So“, sagte Manette, „jetzt bist du dran, mich einzucremen.“
„Kann Helge das nicht machen“, murmelte Stina träge, „ich liege gerade so gemütlich.“
„Machst du’s?“ fragte Manette und hielt ihm das Sonnenöl hin.
Helge bekam einen roten Kopf. „Ich ... äh ... das ist nicht so gut ... ich habe soviel Sand an den Fingern.“
„Ist doch egal.“
„Nein, das kratzt, und ... äh ...“
„Komm, ich mache es“, bot Anders an, und Manette legte sich seufzend auf ihr Handtuch. Ganz schön blöd, sich in einen Typen zu verlieben, der so schüchtern war. Aber er war doch süß.
Eine halbe Stunde war vergangen, als Louis sich groß aufbaute und sie anstarrte. Henrik, Berit und er waren herumgelaufen und hatten mit dem ferngelenkten Flugzeug gespielt, aber jetzt verloren sie langsam die Geduld.
„Geh zur Seite, du machst Schatten!“ sagte Manette. „Wollen wir nicht endlich ins Wasser?“
Stina stand auf. „Okay, laß es uns hinter uns bringen.“ Sie schaute aufs Meer. „Guckt mal, sie holen die Segel ein.“
„Ja natürlich“, sagte Anders. „Die fahren ja nicht die ganze Zeit herum. Die kreuzen in dem Gebiet, das von den Bojen markiert ist, und dann bleiben sie eine Weile liegen, während die Taucher runtergehen und den Grund untersuchen.“
„Darf das jeder so einfach tun?“ fragte Helge.
„Nee, die haben bestimmt eine Genehmigung.“
„Glaubst du wirklich, daß sie ein Wrack finden?“
„Das glaubt der Wrackfischer jedenfalls“, erwiderte Anders. „Sie haben schon eins gefunden, aber nicht das richtige. Nicht das mit dem Riesenschatz drauf!“
„Na, das werden sie sicher niemandem erzählen“, meinte Manette. „So bescheuert sind sie ja wohl nicht. Dann wäre es doch sonst möglich, daß jemand es ihnen klaut.“
„Nun kommt schon!“ schrie Louis, der bereits auf dem Weg ins Wasser war, und kurz darauf plantschten alle zusammen in den flachen Wellen.
„O Mann, das ist aber saukalt“, rief Manette, „ich bleib’ nicht lange drin.“
„Ich auch nicht“, stimmte Stina ihr zu.
„Kommst du dann jetzt mit raus?“
Stina nickte zähneklappernd, und einen Moment später lagen die beiden Mädchen wieder auf ihren Handtüchern und sonnten sich. Es