Der rätselhafte Doppelgänger - Kinder-Krimi. Kirsten Holst
um und spähten umher. In dem Moment tauchte Henrik auf, starrte sie an und zielte mit seiner elektronischen Laserpistole auf sie.
„Komm“, sagte Louis und zog Berit mit sich auf den Weg. „Das ist nur diese idiotische finnische Nervensäge. Mit dem lohnt es sich nicht zu quatschen.“
Henrik verzog sein Gesicht zu einer Fratze und machte in seiner Geheimsprache ein Zeichen. Das sollte bedeuten: „Ihr seid alle beide bescheuert.“
Louis ließ Berits Hand los, als sie den Weg ein Stück gegangen waren. Es war doch zu albern, Hand in Hand mit einem Mädchen zu laufen, obwohl er sich eigentlich ganz gut dabei fühlte.
„Wohin gehen wir?“ fragte Berit.
„Wart’s nur ab“, sagte Louis.
Beide bemerkten nicht, daß Henrik mit seiner Laserpistole ihnen nachschlich, bereit zum tödlichen Schuß.
Und auch nur Henrik sah Bengt, der auf dem Weg zur Kneipe war. Gerade als er hineingehen wollte, hielt ein Auto auf der anderen Straßenseite und hupte. Das war der Arzt. Bengt ging zum Auto und beugte sich durch das offene Seitenfenster hinein, so daß sein Po auf die Fahrbahn ragte. Es schien ihn nicht im geringsten zu stören, daß mehrere Autos an ihm vorbeimanövrieren mußten und ihm dabei fast die Hacken abfuhren. Schließlich nickte er und winkte dem Arzt zu, der in seinem Auto blieb, während Bengt zu einer Telefonzelle ging.
Kurz darauf legte Bengt den Hörer wieder auf und ging zurück zum Auto.
„Geht in Ordnung“, rief er. „Tommy kümmert sich drum. Wollen wir zu ihm rausfahren?“
„Das wäre prima. Wenn du Zeit hast?“
Bengt grinste. „Zeit! Ich habe hier praktisch nichts anderes als Zeit.“
Louis ging zur Eingangstür des Hauses vom alten Alfred. Berit zögerte.
Louis drehte sich zu ihr um. „Nun komm schon!“
Berit sah ihn zweifelnd an. „Das sieht so schmutzig hier aus. Wohnt da überhaupt jemand?“
„Ja, das ist das Haus vom alten Alfred.“
„Der mit der Sense?“ fragte Berit. Sie fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut.
„Nein, er schärft nur die Sensen. Nun komm schon rein.“ Berit nahm ihren ganzen Mut zusammen und folgte Louis ins Haus.
„Es ist niemand zu Hause“, stellte sie fest, während sie sich umsah. Die Stube war voll mit allem möglichen Krempel. Zeitungen und Zeitschriften türmten sich in allen Ecken. „Ach du liebe Zeit, wie sieht das hier nur aus!“
„Ist doch egal“, sagte Louis und schob einen Packen Zeitungen zur Seite, so daß er die Schublade einer Kommode aufziehen konnte.
„Darfst du das, wenn er gar nicht da ist?“ fragte Berit. Louis antwortete nicht. Er zog die Schublade ganz heraus und stellte sie auf den Tisch. Darin war eine imposante Sammlung aller möglichen Steine und Versteinerungen. Aber momentan hatte Berit nicht den rechten Sinn dafür.
„Louis, dürfen wir überhaupt hier sein, wenn er nicht da ist?“
„Klar, das macht überhaupt nichts. Er kommt sicher gleich. Ich kenne ihn. Ich bin schon oft hier gewesen. Du hast doch keine Angst, oder?“
„Wie kommst du denn darauf? Natürlich nicht!“
Louis deutete auf einen Stein. „Guck mal, der da. Der ist Trillionen von Jahren alt.“
„Trillionen?“ Berit klang zweifelnd.
„Na, auf jeden Fall Millionen.“
Berit zeigte auf einen Orden an einem abgewetzten Taftband, der mitten in der Sammlung lag. „Und was ist das? Ist das auch Trillionen Jahre alt?“
„Quatsch. Das ist eine Medaille, die Alfred gekriegt hat, weil er mal Schmuggler gewesen ist.“
„Ach, das sagt er bestimmt nur“, meinte Berit. Sie hatte noch nie gehört, daß man einen Orden bekam, weil man schmuggelte. Dafür bekam man Strafen oder kam sogar ins Gefängnis. „Ist er etwas gaga?“
„Total verrückt!“ grinste Louis. Dann besann er sich. „Nee, er ist einfach nur alt. Vielleicht ist er ein bißchen merkwürdig im Kopf, aber ansonsten ist er ganz in Ordnung.“
Sie waren so mit Alfreds Schatz beschäftigt, daß sie Henrik gar nicht bemerkten, der sich mittlerweile bis an Fenster herangeschlichen hatte und mit seiner Laserpistole auf sie zielte.
Peng!
Sie schauten erschrocken hoch in die Richtung, aus der der Krach gekommen war.
„Heiliger Mario, was war das?“ stieß Louis hervor. Er stand auf und ging zum Fenster, aber Henrik hatte sich schon blitzschnell hinter den Johannisbeersträuchern versteckt.
Stina und Manette verabschiedeten sich von Anders beim Laden und gingen vergnügt plaudernd den Strandweg zurück. Als sie fast zu Hause angekommen waren, bog ein Radfahrer aus einem Seitenpfad vom Campingplatz her auf ihren Weg und wäre fast mit ihnen zusammengestoßen.
„Ey, Ey! Paß doch mal ein bißchen auf!“ rief Stina verärgert.
„Das ist ja der alberne Norweger“, flüsterte Manette.
„Du hast deinen Helm vergessen, du Schlaffi!“ rief Stina. „Was Mama wohl dazu sagen wird!“
„Habt ihr Berit gesehen?“
Stina sah ihn prüfend an. „Also, Manette, er ist ohne noch süßer, findest du nicht?“
„Klaro!“
Helge errötete unter den prüfenden Blicken der Mädchen, versuchte aber zu tun, als wenn nichts wäre. „Nun hört mal auf mit dem Blödsinn“, sagte er. „Habt ihr Berit gesehen?“
„Welche Berit?“
„Meine kleine Schwester. Sie ist mit deinem Bruder und diesem kleinen Finnen abgehauen. Habt ihr sie nicht gesehen?“
„Nee, zum Glück nicht“, grinste Manette. „Die sind bestimmt ertrunken. Man darf es jedenfalls hoffen.“
Stina schüttelte energisch den Kopf. „Soviel Glück gibt’s doch nicht am ersten Ferientag.“
Helge sah die beiden verärgert an und setzte sich dann wieder aufs Rad. „Meine Güte, was seid ihr gemein!“
Als er ein Stück weitergefahren war, schaute er sich nach ihnen um, und Stina und Manette winkten ihm zu. Stina sah Manette mit glänzenden Augen an.
„Weißt du was“, sagte sie. „es macht richtig Spaß, ihn zu ärgern.“
Manette nickte, sagte aber nichts.
Er war eigentlich verdammt niedlich.
Und außerdem war sie ganz sicher, daß sie wußte, wo Louis und die anderen waren.
Sie wollte sie lieber suchen, wenn Stina nach Hause gegangen war.
Auf dem Campingplatz fuhr Bengt an ihnen vorbei. Mit seinem großen Wohnmobil nahm er ein bißchen zu schnell die Kurve bei der Einfahrt.
„O weh“, rief Manette. „Das kann nicht gutgehen. Er hat viel zuviel Fahrt drauf.“
„Wo zum Teufel ist er gewesen?“ fragte Stina.
„Hauptsache, er rast nicht ins Zelt der Trabileute“, meinte Manette.
„Das fehlte noch.“
Es gelang Bengt, den Wagen in den Griff zu bekommen und auf seinen Platz zu manövrieren, aber nicht, ohne den Campingwagen von Claes und Märta zu streifen.
Er sprang aus dem Wagen, ging zu ihnen und klopfte an. Märta kam an die Tür.
„Hallo“, sagte Bengt. „Ist was passiert?“
„Womit?“ fragte Märta und ging die Treppe hinunter.