Blaulicht und Blutmond. Dr. med. Christoph Schenk

Blaulicht und Blutmond - Dr. med. Christoph Schenk


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Als der Kopf nun auf der linken Seite liegt, erkenne ich, dass die Haut hinter dem rechten Ohr und am Nacken dunkelviolett verfärbt ist. Ich betaste die Haut mit einem Finger, dann bin ich mir sicher.

      „Wir können aufhören. Der Mann ist tot. Hier, hinterm Ohr und am Nacken, ganz eindeutig, Totenflecke!“

      Ärzte können den Tod eines Menschen dann attestieren, wenn mindestens eines der drei sicheren Todeszeichen vorliegt: Totenflecke, Totenstarre oder Fäulnis. Außerdem auch dann, wenn „nicht mit dem Leben vereinbare“ Verletzungen vorliegen (z.B. Enthauptungen). Die zeitliche Abfolge der genannten Veränderungen ist variabel und u.a. von Umwelteinflüssen, insbesondere der Umgebungstemperatur abhängig.

      Erste Totenflecke entstehen ca. 20 Minuten nach dem Ableben. Die volle Ausprägung erreichen sie nach etwa 3-16 Stunden.

      Die Totenstarre breitet sich von der Kaumuskulatur und den kleinen Gelenken (Finger) nach unten, zu den großen Gelenken aus. Die Starre setzt ebenfalls etwa 20 Minuten nach dem Tod ein und erreicht ihr Maximum nach etwa 6-8 Stunden.

      „Man, der war noch so jung! Keine 50 Jahre!“, antwortet der junge Sani sichtlich betroffen.

      „Bitte dreht ihn mal ganz auf die Seite!“

      Gemeinsam legen wir Martin auf seine linke Körperhälfte. Ich streife ihm sein Shirt hoch. Jetzt sehen wir auch auf dem Rücken die typischen Totenflecken.

      Ich habe immer noch nicht entdeckt, aus welcher Wunde am Kopf das Blut sickerte. Mit beiden Händen „kämme“ ich mich jetzt durch die filzigen Haare des Toten. Ich kann nichts entdecken.

      „Das gibt’s doch nicht! Gib mir mal ein paar saubere Kompressen! Und dann leuchte mit der Taschenlampe hierher!“, bitte ich Jan.

      Zentimeter für Zentimeter untersuchen wir Martins behaarte Kopfhaut, immer dem winzigen Blutrinnsal folgend. Nach einiger Zeit entdecken wir die Blutungsquelle: ziemlich genau in der Mitte des Kopfes, am Übergang vom Scheitel- zum Hinterhauptbein, ist ein nur etwa erbsgrosses Loch.

      „Was ist das denn? Wenn das Loch grösser wäre, dann würde ich jetzt denken ‚sieht aus wie eine Schußverletzung’!“, sagt Jan.

      Ich nicke. Dann drehen wir Martin zurück auf den Rücken, und ich frage in die Runde:

      „Und, wo ist die dazugehörige Waffe? Ruft bitte die Polizei an. Und nichts mehr anfassen. Ich spreche in der Zwischenzeit mit der Frau!“

      Während wir also auf die Polizei warten, gehe ich runter ins Erdgeschoß. Martins Stiefmutter sitzt am Kopf einer riesigen Tafel und frühstückt. Von silbernen Tellern! Ich habe das bisher immer nur im Fernsehen gesehen. Als sie mich wahrnimmt, blickt sie nur kurz auf, um sich danach sofort wieder ihrer Mahlzeit zuzuwenden.

      „Ich muß Ihnen eine traurige Nachricht geben: ihr Stiefsohn ist tot!“, sage ich mit kloßiger Stimme.

      Die Dame blickt ungerührt zu mir, nickt dann und sagt:

      „Das habe ich mir schon gedacht!“

      Dann frühstückt sie weiter, so, als wäre nichts geschehen.

      „Haben Sie einen Schuss gehört?“ frage ich.

      „Junger Mann, was reden Sie da? Bitte lassen Sie mich in Ruhe frühstücken und erledigen Sie Ihre Arbeit, anstatt solchen Unsinn zu verbreiten!“

      Ohne noch ein Wort zu sagen verlasse ich die eiskalte Frau.

      Als die Polizei eintrifft gebe ich den Beamten eine kurze Übergabe. Eine eingehende Leichenschau durch mich ist nicht verlangt, da Martins Leichnam zur Rechtsmedizin überführt wird.

      Jan und ich sind erleichtert, als wir endlich das bedrückende „Haus Erika“ verlassen können.

      Unterwegs im Auto fragt mich Jan:

      "Was für dunkle Geheimnisse verbergen sich wohl noch hinter den Mauern dieser Villa?"

      Ein Schauer läuft mir über den Rücken.

      Nachtrag:

      Die Ermittlungen der Kriminalpolizei am Leichenfundort ergaben, dass sich Martin in der Tat selbst erschossen hat. Und zwar mit einem Kleinkalibergewehr (Kaliber .22 lfb). Das Spurenbild an der Waffe konnte eine Beteiligung durch Dritte ausschließen.

      Die Einschußwunde wurde von den Rechtsmedizinern zwischen Adamsapfel und Kinnspitze gefunden. Uns blieb die kleine Wunde im völlig zerzausten Bart verborgen. Wohl auch deshalb, weil hier praktisch kein Blut ausgetreten war. Martin hatte sich demnach den Gewehrlauf senkrecht unter das Kinn gehalten und dann abgezogen.

      Und das Gewehr? Wieso haben wir die Waffe nicht gesehen? Die Nachforschungen der Polizei ergaben, dass Martins Stiefmutter das Gewehr an sich genommen und versteckt hatte, als sie ihn leblos neben der Waffe in seinem Zimmer liegen sah.

      Warum tat sie das? Martins Vater Hans war ein schwerreicher Industrieller. Er verstarb bereits vor vielen Jahren. Erika war dessen zweite, viel jüngere Frau und vormals Hans’ Sekretärin. Martin war das Kind aus Hans’ erster Ehe. Erika konnte das „fremde Kind“ von Anbeginn an nicht leiden. Sie selbst blieb kinderlos und hat Martin im wahrsten Sinne des Wortes stets stiefmütterlich behandelt. Martins Vater konnte sein Kind gegenüber der herrischen Frau an seiner Seite kaum in Schutz zu nehmen.

      Als sein Vater starb, zog sich Martin immer mehr zurück, fand „seinen Frieden“ vor den immer-währenden Anfeindungen seiner ungnädigen Stiefmutter schließlich in der Dachkammer der Villa, wo er einsam verwahrloste.

      Erikas elitärem Freundeskreis blieb Martin deshalb zeitlebens verborgen. Und so sollte auch sein Tod ohne großes "Tamtam" vonstatten gehen. Gegenüber den Polizeibeamten gab sie später zu Protokoll:

      „Ich dachte, das Gewehr muss weg, sonst kriege ich die Polizei ins Haus. Und so ein Aufsehen galt es unbedingt zu vermeiden!“

      Warum er sich zu diesem Zeitpunkt das Leben nahm, konnte nicht geklärt werden. Unglücklich war sein Leben sicher schon lange.

      Martin fand seine letzte Ruhestätte in einem Grab neben seiner leiblichen Mutter.

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