Wir sind der Verein. Alina Schwermer

Wir sind der Verein - Alina Schwermer


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Wimbledon und die Art und Weise, wie Dinge hier für ihn liefen“, sagt Ivor Heller. Er will das nicht genauer erklären. Kumpel Stewart nennt sich jetzt „Refusnik“ von Wimbledon, Verweigerer. Andere, vor allem die neuen Fans, wollen vielleicht ein bisschen viel Erfolg. „Ich glaube, viele unserer Fans verstehen die wirtschaftliche Realität nicht“, sagt Erik Samuelson. „Es wird sehr schwer, über die zweite Liga hinaus zu kommen. Es gibt Vereine, die hundert Millionen Pfund ausgeben, um in die Premier League zu kommen. Wir hätten in der zweiten Liga ein Budget von acht bis zehn Millionen. Und dann stehen ein paar große Entscheidungen an.“

      Samuelson hat Angst vor diesem Tag. Er will nicht zu viel darüber nachdenken, das macht ihn nervös. Er fürchtet, dass dann etwas passiert, was das Recht der Fans als Besitzer ist: Sie wollen abstimmen über die Zukunft. Und sie könnten anders abstimmen, als er es will, den wilden Traum von Unabhängigkeit zerstören. Sie könnten einen Investor an die Macht wählen. „Es kann sein, dass der Tag irgendwann kommt“, sagt der Geschäftsführer. „Ich hoffe nur, es passiert nicht mehr zu meinen Lebzeiten. Das wäre furchtbar.“ Warum würden die Besitzer des AFC Wimbledon ihren Klub aus der Hand geben, nach allem, was passiert ist? „Im Moment sind unsere Anhänger unglaublich geduldig. Aber wenn wir in das neue Stadion gehen, wachsen die Zuschauerzahlen um wahrscheinlich 50 Prozent, und nicht all diese Leute kennen unsere Geschichte. Wenn du jünger als 35 Jahre bist, erinnerst du dich nicht, wie wir im alten Stadion gespielt haben. Wenn du jünger als 25 Jahre bist, erinnerst du dich nicht an die Entscheidung, dass Milton Keynes gegründet wurde. Es gibt ein allmähliches Risiko, dass die Vergangenheit vergessen wird und unsere Fans ungeduldig und unvernünftig werden wie bei anderen Vereinen.“

      Auch Ivor Heller fürchtet sich ein bisschen vor diesen neuen Fans. Aber war nicht Wimbledon immer groß darin, seine Geschichte zu erzählen? So wie sie den neuen Spielern erzählen, was dieser Verein ist und wofür er steht, bis sie es in sich tragen und kapieren? „Wir waren so nahe dran, alles zu verlieren“, sagt Ivor Heller. „Deshalb gibt es einen gewissen Realismus. Es ist viel wichtiger, einen Verein zu haben, als in der Premier League zu spielen.“ Und warum, findet er, soll nicht eines Tages beides gehen? Heller glaubt daran. Er hat genug erlebt mit diesem Klub, dem schnoddrigen Rebellen, der heute sehr bürgerlich ist und trotzdem widerborstig.

      Bis zu Hellers vierzehntem Lebensjahr ist der FC Wimbledon ein Non-League-Klub. Zehn Jahre später spielt er Premier League und holt den FA Cup. Ivor Heller schaut über seinen Schreibtisch im Kings-meadow. „Wer kann mir erzählen, wie weit wir gehen können und wie groß wir träumen können? Die Leute behaupten immer, es gebe eine Grenze. Wir haben schon drei bis vier dieser Grenzen überschritten. Man kann sich nur selbst beschränken.“ Natürlich sind heute die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Premier League anders, das weiß auch Heller. Roman Abramowitsch hat in seinem ersten Jahrzehnt als Chelsea-Besitzer 700 Millionen Pfund in Spieler investiert. Natürlich, am Ende ist Erfolg käuflich, das weiß Heller, und heute mehr denn je. Aber was wäre Fußball ohne Träume? Was wäre Widerstand ohne Hoffnung? „Absolut alles ist möglich.“

      Es ist der amerikanische Traum in Süd-London. Ein Balanceakt, bislang spektakulär erfolgreich, nach allem, womit sich Erfolg messen lässt. Eine der Geschichten, in die sich Hollywood verlieben musste. 2016 hat der AFC Wimbledon einen Film-Deal mit 20th Century Fox unterzeichnet; Co-Produzent ist der US-amerikanische Bestsellerautor John Green, prominenter Fan des AFC Wimbledon, Sponsor und Namensgeber einer Stadiontribüne. Er nennt es „eine der besten Underdog-Geschichten im Sport“.

      Beim AFC Wimbledon betrachten sie das alles mit einer Mischung aus Stolz, Amüsement und Skepsis. Erik Samuelson sagt, er vertraue John Green völlig, der sei ein toller Kerl. Aber Hollywood? Die sagten kürzlich, die Story brauche noch einen besonderen Kick, einen Crowdpleaser. „Ich habe gedacht: Bitte nicht. Bitte keine Geschichte über irgendeinen kleinen Außenseiter-Jungen, der hinterher in der ersten Mannschaft landet oder so was. Unsere Geschichte ist doch gut genug.“ Aber das ist eben Hollywood. „Die machen, was sie wollen.“ Ein bisschen hat Erik Samuelson trotzdem Gefallen an der Sache gefunden. Er diskutiert mit der Schülerpraktikantin, welcher Schauspieler ihn verkörpern solle. Bill Nighy vielleicht? Eine gewisse Ähnlichkeit ist nicht zu leugnen, ein paar Fans wollten Nighy ziemlich gern als Samuelson sehen. Aber das Filmteam beschied, Nighy sei zu alt, immerhin fängt die Geschichte ja vor fünfzehn Jahren an. Also vielleicht der andere, der Hübsche, wie heißt er, Tom Middleton? „Tom Hiddleston“, sagt die Praktikantin und grinst. Na gut, wer auch immer. Erik Samuelson hat eigentlich nichts dagegen, dass die Geschichte erzählt wird, solange es anständig läuft. „Dann erfahren noch mehr Leute von uns.“ Kalkül der Vermarktung. Der AFC Wimbledon lebt von seiner Geschichte, in vielerlei Hinsicht.

      „Du musst die Balance halten zwischen deinem verzweifelten Wunsch, moralisch und ethisch zu sein und gleichzeitig so viel Geld rauszuschlagen wie möglich“, sagt Erik Samuelson. Der Fanverein AFC Wimbledon will für etwas stehen, will mit Stolz und Trotz Ideale vorleben. Dass Geld nicht alles ist, wer könnte das besser erzählen? Wenn Samuelson auf die letzten fünfzehn Jahre zurückblickt, hat er vieles im Fußballgeschäft gesehen, was ihm nicht gefiel. Transferangebote für Vierzehnjährige aus hundert Meilen Entfernung, von einem dieser Großklubs, die Jugendliche „aufsaugen und dann ausspucken“. Einen Spieler, den Wimbledon verpflichten wollte und der anbot, in der Partie gegen den Verein absichtlich Fehler zu machen. Der AFC Wimbledon lehnte ab. „Man kann ziemlich moralisch sein“, sagt Erik Samuelson. Nicht, dass es im Fußball schlimmer zuginge als bei anderen Unternehmen. Aber der Fanverein, der sich auch als Unternehmen sieht, will ein anständiges Unternehmen sein.

      So viel Moral und Mitsprache wie möglich, so viel Pragmatismus wie nötig. Er hat viel damit bewegt bislang. „Es muss eine Demokratie sein, eine echte Demokratie“, sagt Ivor Heller. „Aber mit Vernunft. Man kann nicht die Irren die Anstalt übernehmen lassen.“ Wo soll das Märchen enden? Erik Samuelson hofft auf die zweite Liga und ab und an einen guten Lauf im FA Cup. „Es kann nicht jeder Premier League spielen“, sagt er. „Irgendjemand muss mit der zweiten Liga zufrieden sein. Die Frage ist nur: Werden unsere Fans es sein?“ Eine Frage wie für ein Sequel. Wer ist mit dem Unspektakulären zufrieden? Ivor Heller, natürlich, der sich verliebte in die Bodenständigkeit und den Schmutz und die Gemeinschaft des FC Wimbledon, wäre es. „Die Premier League könnte mir nicht gleichgültiger sein. Wichtig ist, dass ich meinen Verein habe. Und der heißt AFC Wimbledon und spielt in Blau und Gelb.“

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