Das Dekameron. Джованни Боккаччо

Das Dekameron - Джованни Боккаччо


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von der andern Seite, ihr unterstützt mich, als ob ich nicht allein gehen könnte, und gebt zu erkennen, daß ihr mich dorthin führen wollt, damit der Heilige mich wieder gesund mache. Auf diese Weise wird uns keiner sehen, ohne uns Platz zu machen und uns willig durchzulassen.“ Dem Marchese und dem Stecchi gefiel dieser Plan. So verließen sie ungesäumt das Gasthaus und begaben sich selbdritt an einen abgelegenen Ort, wo Martellino sich Hände, Finger, Arme und Beine und überdies noch den Mund, die Augen und das ganze Gesicht solchergestalt verrenkte, daß es greulich anzusehen war und daß ihn niemand erblicken konnte, ohne zu behaupten, er sei wirklich am ganzen Leibe verkrüppelt und gelähmt.

      Mit dem so entstellten Manne gingen Marchese und Stecchi, die ihn unterstützten, in großer, vorgetäuschter Frömmigkeit nach der Kirche zu und baten jeden, der ihren Weg hinderte, ganz demütig, ihnen um Gottes willen Platz zu machen. Gern willfahrte man ihnen, und da sie alle Augen auf sich zogen und fast überall „macht Platz, macht Platz“ gerufen wurde, gelangten sie in kurzem dahin, wo der Körper des heiligen Heinrich lag. Sogleich nahmen einige Edelleute, die hier Wache standen, den Martellino und legten ihn auf die heilige Leiche, damit er durch diese die Gnade der Gesundheit erlangen sollte. Alles Volk schaute aufmerksam, was mit ihm geschehen würde, und Martellino, der sich auf dergleichen trefflich verstand, stellte sich nach einer kleinen Weile erst, als ob ein Finger ihm wieder gerade würde. Dann streckte er die Hand, dann den Arm aus, und zuletzt gewann der ganze Körper wieder die rechte Gestalt. Als das Volk das geschehen sah, brach es zum Lobe des heiligen Heinrich in ein solches Lobgeschrei aus, daß man keinen Donnerschlag hätte vernehmen können.

      Nun traf es sich aber, daß ganz in der Nähe ein Florentiner stand, der den Martellino recht gut kannte; zuerst freilich, als er ganz entstellt hereingebracht wurde, waren ihm seine Gesichtszüge fremd gewesen. Wie dieser ihn wieder gerade sah, erkannte er ihn sogleich, fing bei sich zu lachen an und sagte: „Ei, der verfluchte Bursche! Hätte nicht jeder, der ihn kommen sah, schwören müssen, er sei wirklich ganz verkrüppelt?“ Diese Worte hörten einige Trevisaner und fragten sogleich: „Wie, der wäre kein Krüppel gewesen?“ „Gott behüte“, sagte der Florentiner, „der war immer so gerade wie einer von uns. Wie ihr aber sehen konntet, versteht er sich auf solche Narrheiten, sich zu verstellen, wie man’s nur haben will, besser als jeder andere.“

      Als die Trevisaner das gehört hatten, war nichts weiter nötig. Sie drängten sich mit Gewalt durch und riefen laut: „Haltet den Verräter fest, der Gott und seine Heiligen verspottet und, ohne lahm zu sein, hergekommen ist, um uns und unserem Heiligen einen Possen zu spielen.“ Bei diesen Worten bekamen sie ihn zu packen, zogen ihn an den Haaren von der Stelle herunter, wo er gelegen hatte, rissen ihm die Kleider vom Leibe und fingen an, ihn mit Fäusten zu schlagen und mit Füßen zu treten, und keiner glaubte ein ordentlicher Kerl zu sein, der nicht mitgeholfen hätte. Martellino schrie um Gottes willen um Gnade und wehrte sich, so gut er konnte. Das half aber alles nichts; der Haufe rückte ihm immer ärger auf den Leib.

      Als Marchese und Stecchi dies sahen, sagten sie sich wohl, wie schlimm die Sache stehe, und wagten aus Furcht für die eigene Person nicht, ihm beizustehen, sondern verlangten wie die übrigen laut seinen Tod, obgleich sie im stillen auf ein Mittel sannen, ihn den Händen des Volkes zu entreißen, das ohne den Ausweg, den Marchese schnell ergriff, ihn sicher umgebracht hätte. Da nämlich die ganze Truppe der Stadtobrigkeit dort eben zur Stelle war, suchte Marchese, so schnell er konnte, den auf, der sie im Namen des Stadtvogts kommandierte, und sagte: „Um Gottes willen, helft mir. Hier ist ein Spitzbube, der mir einen Geldbeutel mit wohl hundert Goldgulden abgenommen hat. Ich bitte Euch, nehmt ihn fest, damit ich wieder zu meinem Geld komme.“ Sowie sie das gehört hatten, liefen sogleich ein Dutzend Landsknechte dahin, wo der unglückliche Martellino ohne Kamm gestriegelt wurde, entrissen ihn zerschlagen und zerstoßen dem Haufen, den sie mit der größten Mühe von der Welt durchbrochen hatten, und führten ihn aufs Stadthaus. Viele von denen, die sich durch ihn beschimpft glaubten, gingen mit, und als sie hörten, daß er als Beutelschneider gefangen sei, sagten sie in der Meinung, keinen besseren Grund finden zu können, um ihm ein schlimmes Ende zu bereiten, alle miteinander, er habe auch ihnen ihr Geld abgenommen.

      Als der Richter des Stadtvogts, der ein gestrenger Mann war, diese Beschuldigungen vernahm, führte er ihn sogleich beiseite und fing ihn zu befragen an. Martellino aber antwortete mit Späßen, als ob er die Verhaftung für nichts achtete. Darüber erzürnt, ließ der Richter ihn an das Seil binden und ein paarmal tüchtig aufziehen, um ihn zum Geständnis zu bringen und nachher hängen lassen zu können. Als Martellino wieder zu Boden gelassen ward und der Richter ihn fragte, ob wahr sei, was jene wider ihn vorbrächten, antwortete er, da ihm das Leugnen doch nichts half: „Herr, ich bin bereit, die Wahrheit zu gestehen. Laßt Euch aber von einem jeden, der mich beschuldigt, angeben, wann und wo ich ihm sein Geld genommen habe, dann werde ich Euch sagen, was ich getan habe und was nicht.“ „Gut“, erwiderte der Richter, „ich bin’s zufrieden.“ Nun ließ er einige rufen. Der eine versicherte, Martellino habe ihm vor acht Tagen den Geldbeutel gestohlen, ein anderer vor sechs, ein anderer vor vier Tagen, und wieder ein anderer an jenem Tage selbst.

      Als Martellino dies vernahm, sagte er: „Herr, nun seht Ihr, daß sie alle in ihren Hals hinein lügen! Wie sehr ich aber die Wahrheit sage, geht daraus hervor, daß ich erst vor ein paar Stunden diese Stadt zum erstenmal betreten habe, die ich nie gesehen zu haben wünschte. Kaum angekommen, ging ich zu meinem Unglück, um mir den heiligen Leichnam anzusehen, und bei der Gelegenheit bin ich so zerzaust worden, wie Ihr’s mir noch ansehen könnt. Daß es sich wirklich so verhält, werden Euch der Beamte, der die Anmeldungen entgegennimmt, das Fremdenbuch und mein Wirt bezeugen können. Findet Ihr nun, daß ich Euch die Wahrheit gesagt habe, so bitte ich Euch, mich nicht nach dem Verlangen dieser Bösewichte zu martern und hinzurichten.“

      Während Martellinos Angelegenheiten so standen, hatten Marchese und Stecchi bereits vernommen, daß der Richter des Stadtvogts streng mit ihm verfahren war und ihn an das Seil hatte binden lassen. Darum wurde ihnen gar bange, und sie sagten zueinander: „Das haben wir übel angefangen. Wir haben ihn aus der Pfanne geholt und ins Feuer geworfen.“ So liefen sie in großer Besorgnis umher, suchten ihren Wirt auf und erzählten ihm, wie alles zugegangen sei. Der führte sie lachend zu einem gewissen Sandro Agolanti, der damals in Treviso wohnte und bei dem Herrn der Stadt viel galt. Als der Wirt diesem alles der Reihe nach erzählt und gemeinschaftlich mit jenen ihn gebeten hatte, sich des Martellino anzunehmen, ging Sandro unter vielem Lachen zu dem Herrn und brachte es dahin, daß nach dem Martellino geschickt wurde. Die herrschaftlichen Boten fanden ihn noch im Hemde voller Furcht und Zittern vor dem Richter stehen; denn dieser wollte nicht allein auf keine Entschuldigung hören, sondern weigerte sich auch hartnäckig, ihn dem Herrn auszuliefern, weil er aus einem zufällig gegen die Florentiner gefaßten Widerwillen aufs bestimmteste gesonnen war, ihn henken zu lassen. Zuletzt mußte man ihn wider seinen Willen zwingen, den Gefangenen herauszugeben.

      Als Martellino dem Herrn gegenüberstand, erzählte er ihm alles nach der Ordnung und bat sich dann von ihm als höchste Gnade aus, daß er ihn gehen lasse; denn bevor er nicht wieder in Florenz wäre, glaubte er noch immer den Strick an der Kehle zu fühlen. Der Herr lachte über diese Begebenheit unmäßig und schenkte jedem von ihnen einen Anzug. Sie aber kehrten, aus so großer Gefahr unverhofft gerettet, heil und gesund in ihre Heimat zurück.

      ZWEITE GESCHICHTE

      Rinaldo von Asti kommt, von Räubern ausgeplündert, nach Castel Guiglielmo, wo er von einer Witwe beherbergt und für seinen Unfall schadlos gehalten wird, und dann unversehrt nach Hause zurückkehrt.

      Über die Schicksale des Martellino, wie Neifile sie erzählt hatte, lachten die Mädchen von ganzem Herzen; unter den Männern am meisten aber Filostrato, den die Königin, weil er der Neifile zunächst saß, als nächsten Erzähler bestimmte. Er begann ohne das mindeste Zögern wie folgt:

      Schöne Damen, eine aus Frömmigkeit, Unglück und Liebe gemischte Geschichte kommt mir eben in den Sinn und will erzählt sein. Sie mit angehört zu haben, kann nur nützlich sein, am meisten aber für diejenigen, welche im unsicheren Reiche der Liebe reisen, wo, wer nicht das Vaterunser des heiligen Julianus gesprochen, oft schlecht beherbergt ist, wenn er auch ein gutes Bett hat.

      Zu der Zeit des Markgrafen


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