Das Dekameron. Джованни Боккаччо

Das Dekameron - Джованни Боккаччо


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es, daß er, gegen Verona reitend und kaum aus Ferrara hinausgekommen, auf einige Menschen traf, die ihm Kaufleute zu sein schienen, in Wirklichkeit aber Wegelagerer waren und ein ruchloses Leben führten. Er war unvorsichtig genug, sich in Gespräche mit ihnen einzulassen und sich ihnen anzuschließen. Sie aber beschlossen, als sie gewahr wurden, daß er ein Kaufmann war, und meinten, daß er Geld bei sich haben müsse, ihn bei der ersten günstigen Gelegenheit auszuplündern. Zu diesem Zwecke und damit er keinerlei Verdacht schöpfen sollte, redeten sie mit ihm, wie gesittete Leute von guter Herkunft, nur von anständigen und ehrbaren Dingen und benahmen sich, so gut sie nur wußten und konnten, freundlich und bescheiden gegen ihn. Rinaldo dagegen, der mit einem berittenen Diener allein reiste, schätzte es als großes Glück ein, sie gefunden zu haben.

      Wie es nun in den Gesprächen zu geschehen pflegt, traf es sich, daß sie in der Unterhaltung, die sie während des Reitens führten, von einem Gegenstand auf den andern verfielen und unter anderm auch auf die Gebete zu sprechen kamen, mit denen sich die Menschen an Gott wenden. Da sagte einer der Wegelagerer, deren es drei waren, zu Rinaldo gewandt: „Und Ihr, werter Herr, was für ein Gebet pflegt denn Ihr unterwegs zu sagen?“ „Ich bin in solchen Dingen einfältig und unerfahren“, erwiderte Rinaldo, „und weil ich nach alter Weise sacht fortlebe, habe ich nicht viel Gebete zur Hand und lasse den Groschen zwölf Pfennige gelten. Doch habe ich auf Reisen immer die Gewohnheit gehabt, des Morgens, wenn ich das Wirtshaus verlasse, ein Vaterunser und ein Avemaria für die Seelen des Vaters und der Mutter des heiligen Julianus zu beten. Und dann bitte ich Gott und diesen Heiligen, mir für die nächste Nacht eine gute Herberge zu geben. Nun bin ich in meinem Leben schon oft genug unterwegs in großer Gefahr gewesen, bin aber immer noch glücklich davongekommen und am Abend bei ordentlichen Leuten gut beherbergt worden. Darum habe ich auch den festen Glauben, daß der heilige Julianus, dem zu Ehren ich jene Gebete spreche, mir diese Gnade von Gott ausgewirkt hat, und ich glaubte, den Tag über eine schlechte Reise zu haben und am Abend kein gutes Unterkommen zu finden, hätte ich sie einmal des Morgens nicht gebetet.“

      Darauf sagte der, welcher ihn gefragt hatte: „Habt Ihr denn auch heute morgen dieses Vaterunser gebetet?“ „Gewiß“, antwortete Rinaldo. Der andere aber, der schon wußte, was im Werke war, sprach bei sich selbst: „Du wirst’s noch brauchen können, denn wenn uns nichts dazwischen kommt, denke ich, sollst du wohl eine schlechte Herberge haben.“ Dann sagte er laut: „Ich bin doch auch schon viel herumgereist, und obgleich ich’s oftmals habe loben hören, habe ich niemals gebetet. Dennoch hat sich’s noch nie geschickt, daß ich andere als gute Herberge gehabt hätte, und heute abend werdet Ihr ja noch sehen, wer besser herbergen wird, Ihr, der Ihr gebetet habt, oder ich, der ich’s nicht getan habe. Freilich bediene ich mich statt dessen des Dirupisti oder des Intemerata oder auch des De profundis, welche, wie meine Großmutter zu sagen pflegte, von ausnehmender Kraft sind.“

      So sprachen sie im Weiterreiten von allerhand Dingen, und jene warteten Ort und Zeit ab, um ihren ruchlosen Vorsatz auszuführen. Als es nun schon spät geworden war und sie über Castel Guiglielmo hinaus eben einen Fluß zu durchqueren hatten, fielen die drei, weil der Ort abgelegen und rings versteckt, auch die Nacht bereits hereingebrochen war, den Rinaldo an, plünderten ihn aus und sagten, als sie ihn zu Fuß und im Hemd zurückließen: „Nun geh und sieh zu, ob dein heiliger Julianus dir zur Nacht eine gute Herberge geben wird. Unser Heiliger wird uns schon eine verschaffen.“ Damit setzten sie durch den Fluß und ritten weiter.

      Als Rinaldos Diener seinen Herrn überfallen sah, war er nicht nur zu feige, ihm beizustehen, sondern hatte sogleich sein Pferd umgedreht und im schnellsten Lauf nicht eher angehalten, als bis er in Castel Guiglielmo angekommen war, wo er, da es schon spät war, ruhig einkehrte, ohne sich um sonst etwas zu bekümmern.

      Rinaldo, der inzwischen barfuß und im Hemd, wie er war, bei der großen Kälte und bei anhaltendem Schnee nicht wußte, was er tun sollte, fing an, da die Nacht schon herangekommen war und er zitterte und mit den Zähnen klapperte, sich ringsumher nach einem Zufluchtsort umzusehen, wo er die Nacht zubringen könnte, ohne zu erfrieren. Da aber kurz vorher der Krieg in jenen Gegenden gehaust hatte und alles verbrannt worden war, fand er keinen und lief deshalb, von der Kälte getrieben, in vollem Trabe nach Castel Guiglielmo, wo er, wenn es ihm nur gelang, hineinzukommen, durch Gottes Gnade Hilfe zu finden hoffte, wiewohl ihm unbekannt war, ob sein Diener sich dorthin oder an einen andern Ort geflüchtet hatte. Doch die dunkle Nacht überfiel ihn bereits eine kleine Meile vor dem Burgflecken, und als er hinkam, waren die Tore verschlossen und die Zugbrücken aufgezogen. Trostlos und betrübt sah er sich weinend nach einem Orte um, wo er sich wenigstens ohne einzuschneien niedersetzen könnte, und zum Glück fiel ihm ein Haus in die Augen, das ein wenig über die Mauer herausgebaut war, und er entschloß sich schnell, unter diesem Vorbau den Tag abzuwarten. Dort fand er eine Tür, an deren Schwelle er, obgleich sie verschlossen war, sich auf etwas verrottetem Stroh, das er in der Nähe aufgelesen hatte, niedersetzte, sich bitterlich über den heiligen Julianus beklagte und meinte, das heiße dem Vertrauen, das er auf ihn gesetzt, schlecht entsprechen.

      Der heilige Julianus aber hatte ihn nicht vergessen und bereitete ihm schnell eine gute Herberge. In jenem Ort nämlich wohnte eine junge Witwe, schön von Gestalt wie nur irgendeine, die der Markgraf Azzo wie sein Leben liebte und auf ihren Wunsch hier unterhielt. Diese Witwe nun wohnte in eben jenem Hause, unter dessen Vorbau Rinaldo sich niedergesetzt hatte. Zufälligerweise war gerade am vorhergehenden Tag der Markgraf in der Absicht, die Nacht bei ihr zu schlafen, dorthin gekommen und hatte sich auf den Abend ein Bad und eine treffliche Mahlzeit bestellt. Als indes schon alles bereit war und die Witwe nur noch auf die Ankunft des Markgrafen wartete, kam ein Diener an das Tor und brachte dem Markgrafen Nachrichten, um derentwillen er sogleich fortreiten mußte. So ließ er denn seiner Geliebten sagen, sie möge nicht auf ihn warten, und ritt weiter. Diese jedoch war damit ziemlich unzufrieden und entschloß sich endlich, da sie nichts Besseres zu tun wußte, selbst in das für den Markgrafen bereitete Bad zu steigen, dann zu Abend zu essen und schlafen zu gehen.

      Wirklich hatte sie das erstere schon getan. Dies Bad aber war ganz nahe an der Tür, an die sich Rinaldo außerhalb der Ringmauern anlehnte, und so konnte denn unsere Witwe von dort aus das Weinen und Beben des Rinaldo genau vernehmen, der mit den Zähnen klapperte wie ein Storch. Sie rief deshalb ihre Dienerin und sagte zu ihr: „Geh hinauf und schau einmal nach, wer außerhalb der Mauer an unserer Türschwelle ist und was er da macht.“ Die Magd ging hin und sah bei der Helligkeit, die der Schnee verbreitete, den Rinaldo barfuß und im Hemde und, wie schon erwähnt, am ganzen Leibe zitternd unten sitzen. Auf die Frage, wer er sei, antwortete dieser unter solchem Beben, daß er kaum die Worte vorbringen konnte, und fügte, so kurz es nur ging, hinzu, wie und weshalb er hierher gekommen sei. Dann aber bat er sie flehentlich, wenn es möglich wäre, möchte sie ihn nicht vor Frost die Nacht über dort umkommen lassen.

      Seine Erzählung erbarmte die Magd, und sie berichtete alles ihrer Frau, zu der sie zurückkehrte. Auch diese fühlte Mitleid, und da sie sich entsann, daß sie den Schlüssel zur Tür habe, die zuzeiten gedient hatte, um den Markgrafen heimlich einzulassen, sagte sie: „Geh und mach ihm heimlich auf. Das Abendessen steht ohnehin da, mit dem wir beide allein nicht fertig werden können, auch haben wir ja Platz genug, um ihn zu beherbergen.“

      Die Dienerin lobte die mitleidige Gesinnung ihrer Herrin sehr, ging und machte ihm auf und führte ihn zu der Witwe. Als diese sah, daß er fast erfroren war, sagte sie zu ihm: „Guter Freund, steige in dieses Bad, denn es ist noch warm.“ Rinaldo ließ sich das nicht zweimal sagen und fühlte sich durch die Wärme des Bades so gestärkt, daß er vom Tode zum Leben zurückgekehrt zu sein glaubte. Inzwischen ließ ihm die Witwe Kleider zurechtlegen, die ihr Mann kurz vor seinem Tode getragen hatte, und als er sie anzog, paßten sie ihm wie auf den Leib geschnitten. Während er nun erwartete, was die Frau ihm befehlen werde, dankte er Gott und dem heiligen Julianus, daß sie ihm ein so gutes Unterkommen, wie dieses zu sein schien, zugeführt hatten.

      Nachdem die Witwe eine Weile geruht hatte, ging sie in den Saal, wo sie ein großes Feuer hatte anzünden lassen, und fragte, wie es mit dem fremden Manne gehe. „Madonna“, antwortete die Dienerin, „er hat sich jetzt angezogen und ist ein hübscher Mann, wie es scheint gar ordentlich und wohlerzogen.“ „Geh denn“, erwiderte die Witwe, „ruf ihn und sag ihm, er solle sich am Feuer wärmen kommen, und dann wird zu Abend gegessen, denn ich weiß ja,


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