Das Dekameron. Джованни Боккаччо

Das Dekameron - Джованни Боккаччо


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auf eine schöne Geschichte entsprechenden Inhalts zu besinnen. Da nun die Menschen vom Anbeginn der Welt an den Zufällen des Glücks und des Schicksals unterworfen gewesen sind und bis zu ihrem Ende unterworfen bleiben werden, mag, wenn es euch gefällt, es damit so gehalten werden, daß ein jeder erzählen soll, wie Menschen nach dem Kampf mit allerlei Ungemach wider alles Hoffen zu fröhlichem Ende gediehen sind.“

      Mädchen und Männer lobten diese Anordnung und erklärten sich willig, sie zu befolgen. Dioneo allein sagte, als die andern bereits schwiegen: „Wie alle übrigen es schon ausgesprochen haben, so sage auch ich, Madonna, daß Eure Verfügungen durchaus zweckmäßig und empfehlenswert sind. Doch bitte ich, daß mir eines als besondere Gunst gewährt und für die Dauer unserer Gesellschaft erhalten werde: daß ich nämlich durch diese Verfügung nicht gezwungen sei, eine Geschichte über den aufgegebenen Gegenstand zu erzählen, sondern daß mir trotz derselben die Wahl völlig frei bleibe. Damit aber niemand meint, ich erbitte mir diese Gunst, weil ich keinen Vorrat von Geschichten zur Hand habe, so bin ich im voraus erbötig, unter den Erzählenden immer der letzte zu sein.“

      Da die Königin ihn als einen munteren und kurzweiligen Menschen kannte und daher wohl erriet, er fordere dies nur, um die Gesellschaft, wenn sie des ernsteren Redens müde wäre, mit einer lustigen Geschichte wieder aufzuheitern, gewährte sie ihm unter Zustimmung der übrigen gern die erbetene Gunst. Dann erhob sie sich von ihrem Sitze, und die Mädchen gingen langsamen Schrittes zu einem klaren Bach, dessen Wasser von einem Hügel zwischen Felsstücken und grünen Kräutern in ein von dichten Bäumen beschattetes Tal niederfloß. Hier plätscherten sie barfüßig und mit nackten Armen im Wasser umher und trieben allerlei Scherze. Als die Essenszeit nahte, kehrten sie zum Schlosse zurück und nahmen mit Behagen die Abendmahlzeit ein.

      Nach Tisch ließ die Königin Musikinstrumente bringen und befahl, einen Tanz zu beginnen, den Lauretta anführen und Emilia, von des Dioneo Laute unterstützt, durch ein Lied begleiten sollte. Auf diesen Befehl hin begann Lauretta einen Tanz, während Emilia mit ihrer zum Herzen dringenden Stimme folgendes Lied sang:

      Von meiner Schönheit bin ich so gefangen,

      Daß neue Liebe nie

      Mich locken wird mit anderem Verlangen.

      Wenn ich in eignes Anschaun mich versenke,

      Erblick ich, was dem Geiste Ruh’ verspricht,

      Was neu sich zuträgt, wessen ich gedenke,

      Beraubt mich so geliebter Wonne nicht.

      So weiß ich denn, es schaut mein Angesicht

      An fremden Reizen nie,

      Was mir im Herzen zündete Verlangen.

      Bin ich, um solcher Seligkeit zu pflegen,

      Mein hohes Glück mir anzuschaun entbrannt,

      So flieht es nicht und kommt mir selbst entgegen.

      In Worte wird die Süße nicht gebannt,

      Die es gewährt; es faßt sie der Verstand

      Sterblicher Wesen nie,

      Entzündet sie nicht ähnliches Verlangen.

      Ich fühle stündlich wachsend mich entbrennen,

      Je mehr ich dorthin wende meinen Blick;

      Drum weih ich mich nur ihm, will sein mich nennen.

      Zwar kostet’ ich erst das versprochne Glück;

      Doch größre Lust ist, hoff ich, noch zurück,

      So daß auf Erden nie

      Empfunden ward so seliges Verlangen.

      Dieses Tanzlied, in dessen Endreime alle fröhlich eingefallen waren, gab durch seinen Inhalt einigen aus der Gesellschaft viel zu denken. Als es indes geendet war und man noch einige andere Tänze hatte folgen lassen, war schon ein Teil der kurzen Nacht verstrichen. Deshalb gefiel es der Königin, den ersten Tag zu beschließen. Sie ließ die Fackeln anzünden und gebot einem jeden, sich bis auf den andern Morgen zur Ruhe zu begeben. Alle gingen in ihre Gemächer und taten nach ihrem Befehle.

      ES BEGINNT

      DER ZWEITE TAG DES DEKAMERON,

      AN WELCHEM

      UNTER DER HERRSCHAFT FILOMENAS

      VON MENSCHEN GESPROCHEN WIRD,

      DIE NACH DEM KAMPFE

      MIT MANCHERLEI UNGEMACH

      WIDER ALLES HOFFEN

      ZU FRÖHLICHEM ENDE

      GEDIEHEN SIND.

      Schon hatte die Sonne mit ihren Strahlen überallhin den neuen Tag gebracht, und die Vögel gaben durch die fröhlichen Lieder, die sie auf den grünen Zweigen sangen, auch den Ohren davon Kunde, als die Mädchen alle und die drei Jünglinge sich von ihrem Lager erhoben, in den Garten gingen und sich geraume Zeit damit ergötzten, langsamen Schrittes im tauigen Grase umherzuwandeln und schöne Kränze zu winden. Und wie sie am vergangenen Tage getan hatten, so taten sie auch heute. Sie aßen noch in der Kühle zu Mittag und legten sich nach einigen Tänzen zur Ruhe. Von dieser erhoben sie sich in der vierten Nachmittagsstunde, kamen, dem Willen ihrer Königin gemäß, auf dem grünen Rasenplatze zusammen und setzten sich um sie her. Die Schönheit ihrer Gestalt und die Anmut ihrer Züge wurden durch den Lorbeerkranz, mit dem sie gekrönt war, noch erhöht. Sie schwieg einen Augenblick, faßte die ganze Gesellschaft ins Auge und befahl alsdann der Neifile, mit einer Geschichte den Anfang zu machen. Diese wich dem Antrag nicht aus und begann mit heiterer Stimme also zu reden:

      ERSTE GESCHICHTE

      Martellino stellt sich lahm und gibt vor, durch den Leichnam des heiligen Heinrich geheilt zu werden. Sein Betrug wird entdeckt, er wird geprügelt und eingekerkert und schwebt in Gefahr, gehenkt zu werden, kommt aber endlich los.

      Schon öfter hat es sich zugetragen, daß, wer über andere, besonders aber über sehr ehrwürdige Dinge spotten wollte, am Ende den Spott und zuweilen auch den Schaden für sich allein behielt. Um den Befehlen der Königin zu gehorchen und durch meine Geschichte die Lösung unserer Aufgabe zu beginnen, gedenke ich euch als Beispiel zu erzählen, wie einem unserer Mitbürger ein unglücklicher Handel wider sein Erwarten doch glücklich ablief.

      Es ist noch nicht lange her, daß in Treviso ein Deutscher mit Namen Heinrich lebte, der in seiner Armut jedem, der ihn darum ansprach, für Geld als Lastträger diente, dessen ungeachtet aber bei allen für einen Menschen von frommem und tadellosem Lebenswandel galt. Demzufolge geschah es, wie die Trevisaner, ob wahr oder unwahr, behaupten, daß in der Stunde seines Todes alle Glocken der großen Kirche von Treviso von selbst zu läuten begannen. Allgemein wurde dies für ein Wunder gehalten, Heinrich wurde ein Heiliger genannt, das Volk strömte aus der ganzen Stadt nach dem Hause, wo seine Leiche stand, und trug sie gleich einem heiligen Leichnam in den Dom. Lahme, Hinkende, Blinde und andere Kranke, an welchem Übel oder Gebrechen sie immer leiden mochten, wurden herbeigebracht, um durch die Berührung dieses Leichnams wieder gesund zu werden.

      Es traf sich, daß gerade während dieser Aufregung und dieses Zusammenlaufens drei unserer Landsleute in Treviso anlangten. Der eine hieß Stecchi, der andere Martellino, der dritte Marchese. Sie waren Leute, welche die Höfe großer Herren besuchten und durch ihre Fertigkeit, Gesichter zu schneiden und jeden Menschen täuschend nachzuahmen, die Zuschauer ergötzten. Sie waren noch nie in Treviso gewesen und wunderten sich, die ganze Stadt in Bewegung zu sehen. Als man ihnen die Ursache mitteilte, bekamen sie Lust, sich das alles selbst anzusehen. Nachdem sie ihre Sachen im Gasthaus abgelegt hatten, sagte Marchese: „Wir wollen doch hingehen und uns den Heiligen ansehen. Ich für mein Teil begreife freilich noch nicht, wie wir durchkommen wollen, denn wie ich gehört habe, steht der Platz voll von Deutschen und anderen Kriegsknechten, die der Herr dieser Stadt dort postiert hat, um Unruhen zu vermeiden. Überdies ist, wie man sagt, die Kirche so voller Menschen, daß beinahe keiner mehr hinein kann.“ Martellino, der gleichfalls Lust hatte, sich die Sache anzusehen, sagte darauf: „Das soll uns nicht hindern. Ich will


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