Rosenhain & Dschinnistan. Christoph Martin Wieland

Rosenhain & Dschinnistan - Christoph Martin Wieland


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des Orts, wo die Gegenstände seiner Wißbegierde wohnten, nach Aufschlüssen forschte, war Dämonassa (so hieß die weise und mächtige Beschützerin der jungen Daphnidion) nicht weniger beschäftigt, diese ihre wie ihr eigenes Kind geliebte Nichte vor den Nachstellungen des leichtsinnigen und sich alles erlaubenden jungen Zentauren zu sichern. Einige talismanische Ringe, die sie von ihrem Vater geerbt und dieser von einem persischen Weisen, welchem er zufälligerweise das Leben gerettet hatte, zum Geschenk empfangen, gaben ihr über das gemeine Zaubervolk in Thessalien eine entschiedene Obermacht; aber die Natur selbst hatte sie mit zwei angebornen Talismanen versehen, die in den meisten Fällen den Gebrauch der künstlichen unnötig machen. Diese waren ein Scharfblick, dem nichts entging, was zu sehen, und eine Besonnenheit, die immer auf der Stelle das Beste fand, was zu tun war.

      Dämonassa zweifelte nicht, daß Phöbidas, gewohnt, der Befriedigung seiner Gelüste und Launen alles aufzuopfern, den kürzesten Weg einschlagen und die Zauberkünste seines Nachbars Hippalektor zu Hülfe nehmen werde, um ihre Daphnidion in seine Gewalt zu bekommen. Hätte sie darauf rechnen können, daß er sich keiner andern Mittel als der gewöhnlichen Verführungskünste gegen sie bedienen würde, so wäre sie ihrentwegen ganz ruhig gewesen; denn Daphnidion war ein verständiges Mädchen und dessen, was das Weib sich selbst schuldig ist, sich sehr lebhaft bewußt, von ihr selbst erzogen und überdies seit einiger Zeit von einem liebenswürdigen jungen Manne, dessen Gut an das ihrige grenzte, zur Ehe begehrt, dem sie wenigstens nicht abhold schien, wiewohl sie noch immer eine größere Neigung zeigte, sich nach dem Beispiel ihrer Beschützerin dem Dienst der jungfräulichen Göttin Artemis zu widmen. Eine solche Person hat von gewöhnlichen Nachstellungen nichts zu besorgen; aber hier war es nötig, sie gegen hinterlistige und gewaltsame Unternehmungen sicherzustellen.

      Daphnidion hatte in dem Augenblick, da sie sich vor dem nachsetzenden Phöbidas in die Grotte flüchtete, einen Ring von Dämonassen empfangen, welcher, an der rechten Hand getragen, nichts weiter als ein unscheinbares goldnes Reifchen war, aber unsichtbar machte, sobald er an den Goldfinger der linken Hand gesteckt wurde. Itzt beschenkte Dämonassa sie noch mit einem andern, der die Tugend hatte, jedes Zaubergebilde, sobald es mit dem darein gefaßten Stein berührt wurde, in seine natürliche Gestalt zurückzuzwingen. Mit diesen beiden Ringen konnte die schöne Daphnidion allen Zauberern und Hexen in ganz Thessalien Trotz bieten; und so überließ sie sich dann auch ihren gewöhnlichen Geschäften und Ergetzungen mit der ruhigsten Unbefangenheit.

      Inzwischen hatte Hippalektor sich in den Stand gesetzt, seinem edeln Schützling bei ihrer nächsten Zusammenkunft hinreichende Nachrichten von seiner Unbekannten zu erteilen. Dämonassa (die schöne Spinnerin in der parnassischen Grotte) war der letzte Sprößling eines edeln Geschlechts, welches von sehr alten Zeiten her nahe bei Delphi am Fuß des Parnassus begütert war. Sie hatte einen Teil ihres beträchtlichen Erbgutes der jungfräulichen Zwillingsschwester des delphischen Gottes geheiligt und bewohnte an der Spitze einiger der Göttin geweihter Jungfrauen die zu ihrem Tempel gehörigen Gebäude. Das benachbarte Landvolk verehrte sie als eine heilige und von der Göttin hochbegünstigte Person, die durch Dianens unmittelbaren Beistand alles vermöge. »Und in der Tat«, sagte Hippalektor, »muß sie im Besitz großer Geheimnisse sein, da sie sich, ohne zu unserm Orden zu gehören, allen Genossen der magischen Kunst furchtbar gemacht hat. Jeder Versuch, mit Gewalt etwas gegen sie auszurichten, würde vergeblich sein.«

      »Das gibt schlechte Aussichten«, sagte Phöbidas. »Aber in welchem Verhältnis steht meine Daphnidion mit dieser furchtbaren Dianenpriesterin? Sollte vielleicht der delphische Gott oder einer seiner Priester in seinem Namen...?«

      »Es fehlt nicht an Beispielen, eine solche Vermutung zu rechtfertigen«, erwiderte Hippalektor; »aber Daphnidion ist wirklich die Tochter einer schon lange verstorbenen Schwester Dämonassens und zur Erbin der andern Hälfte ihres Vermögens von ihr bestimmt, wofern sie sich entschließt, die Gattin eines gewissen Terpsion zu werden, dessen Güter an die ihrigen stoßen und der in der Tat für einen Landmann liebenswürdig genug ist.«

      »Ich für meine Person finde ihn sehr hassenswürdig«, sagte Phöbidas; »könnten wir ihm nicht durch ein kleines heroisches Mittelchen die Lust zum Heuraten vergehen machen?«

      »Auch Terpsion steht unter Dämonassens und ihrer Göttin Schutz«, versetzte der Schwarzkünstler, »und ich wollte dir nicht raten, dich an ihm zu vergreifen. Mit List werden wir weiterkommen.«

      »Wenn wir nicht selbst überlistet werden«, sagte Phöbidas; »die heilige Priesterin ist eine verschmitzte Person, das kannst du mir auf mein Wort glauben.«

      »Höre mich nur an und tue dann, was du willst. Ich habe ausfindig gemacht, daß die ganze Sicherheit des Mädchens auf einem Ringe beruht, der alle Zauberei an ihr unkräftig macht. Sie trägt ihn am kleinen Finger der rechten Hand, und sie ist dein, sobald du ein Mittel findest, dich des Rings zu bemächtigen.«

      »Es wird schwerhalten, ihr so nahe zu kommen«, sagte Phöbidas; »wenn du nicht glücklicher im Erfinden bist als ich...«

      »So höre nur! das Mittel ist bereits gefunden. Morgen abends wird Dämonassens Geburtsfest von allen dazu eingeladenen jungen Dirnen der Gegend mit Tänzen und Spielen gefeiert werden. Ich gebe dir, wenn du es zufrieden bist, die Gestalt eines hübschen delphischen Mädchens und begleite dich in Gestalt ihrer Mutter. Es wird dann deine Sache sein, dich so artig gegen Daphnidion zu benehmen, daß sie dir gut wird und dich in den Reihentänzen, einmal wenigstens, zu ihrer Mittänzerin wählt. Daß ein Mädchen ein anderes in einer Anwandlung von Zärtlichkeit umarmt, ist nichts so Ungewöhnliches, daß Daphnidion, wenn sie in einem schicklichen Augenblick einen solchen Beweis ihrer Liebenswürdigkeit von dir erhält, sich dadurch befremdet finden könnte. Im Gegenteil, sie wird deine Umarmung erwidern, und ich müßte dir wenig Gewandtheit zutrauen, wenn du dich bei dieser Gelegenheit des Rings, den sie am kleinen Finger der rechten Hand trägt, nicht solltest bemächtigen können. Von dem Augenblick an, da dies geschieht, ist sie in deiner Gewalt, und sowie du die drei magischen Worte Axia tuxil naxum aussprichst, wirst du mit ihr emporgehoben und in einer verbergenden Wolke pfeilschnell durch die Lüfte in meine Wohnung auf der Spitze des Öta getragen werden.«

      »Kann man sich darauf verlassen, alter Eisbart, daß alles so erfolgen wird?« fragte Phöbidas mit einer angenommenen ungläubigen Miene.

      »Wenn du alles, was ich gesagt habe, genau beobachtest, nichts durch deine eigene Schuld verderbst und vornehmlich die drei mächtigen Worte Axia tuxil naxum nicht vergissest, so steh ich mit meinem Leben für den Erfolg.«

      Phöbidas wiederholte diese drei Zauberworte so oft, daß er eher seinen eigenen Namen hätte vergessen können, und wiewohl er den Freigeist hatte spielen wollen, fiel ihm doch nicht ein, sich zu verwundern, daß er drei Zauberworte, welche, ein einziges Mal ausgesprochen, ein solches Wunder wirken sollten, mehr als hundertmal hintereinander hersagen konnte, ohne daß nur ein welkes Rosenblatt davon in die Höhe stieg. Sein Glaube an Axia tuxil naxum nahm mit jedem Male, daß er diese Worte wiederholte, zu, und er konnte den Abend, da sie die reizende Daphnidion in seine Arme zaubern sollten, kaum erwarten.

      Während dieser frevelhafte Anschlag gegen die liebenswürdige Daphnidion geschmiedet wurde, machte Dämonassa die Überlegung, daß ein so verwegener und sittenloser Fürstensohn wie Phöbidas, von einem Ratgeber wie Hippalektor unterstützt, leicht auf den Einfall geraten könnte, die Gelegenheit ihres Festes auf die eine oder andere Art zu seinen Absichten zu benutzen; und wiewohl sie sich die Mühe nicht nehmen wollte, die Art und Weise zu erraten, so deuchte ihr doch das sicherste, die Anschläge des Feindes durch eine Maßnehmung zu vereiteln, die auf alle mögliche Fälle gleich gut passe. Sie redete also, kurz zuvor, ehe die Jungfrauen sich zum Tanz versammelten, mit ihrer Nichte ab, daß sie ihre Nymphengestalt und ihren zauberlösenden Ring auf einige Stunden gegen das rotbackichte Vollmondsgesicht, die muskeligen Arme und Beine und den reichbegabten Busen einer jungen Bauerdirne, Mykale genannt, der Tochter eines ihrer Freigelaßnen, vertauschen sollte, so daß Phöbidas auf alle Fälle Mykale für Daphnidion halten, sie selbst aber in Gestalt der Mykale unter mehr als fünfzig Landmädchen keiner Aufmerksamkeit wert achten würde.

      Nach diesen auf beiden Seiten getroffnen Anstalten erwartete die schöne Daphnidion ruhig, Phöbidas mit ungeduldig


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