Meine Frau und ihr Mann. Eine Beichte. Pavel Kohout
meiner Schlagfertigkeit überrascht war.
«Gut, gut», murmelte Paps, blickte zur Sicherheit noch einmal nach oben, und als von dort kein weiteres Zeichen kam, sprach er schließlich zum vierten Mal im Leben den Satz, mit dem er seinerzeit in der Folge über meine Entsendung in die Schule, zur Armee und ins Büro entschieden hatte, «nun denn also, Gott befohlen!»
Ich sprang von Mutschs Schoß, stürzte auf ihn zu, packte seine beiden Hände und bedeckte sie ohne seine Erlaubnis mit dankbaren Küssen. Paps riß sich zwar los, war aber anscheinend ebenfalls so gerührt, daß er mich nicht ein einziges Mal schlug. Dafür richtete Mutsch als Frau, die sie war, ihr Augenmerk auf die praktischen Dinge.
«Mein Gemahl und ich haben Ihnen schon erklärt, wertes Fräulein, daß wir Vilémek frühestens in fünf bis acht Jahren verheiraten wollten. Deshalb eilte es auch nicht mit seiner Aussteuer, denn ihm sollte nicht das gleiche widerfahren wie einst seiner Mutter. Ich war ein sehr entwickeltes Mädchen, und deshalb haben die Meinen mir verhältnismäßig früh Handtücher, Servietten und Bettwäsche besorgt. Mein Verlobter hatte jedoch als jüngster Sohn seiner Mutter versprechen müssen, daß er nicht heiraten werde, solange sie lebte, damit ihr das bittere Schicksal verlassener Greisinnen erspart blieb. Als er dann nach fünfzehn Jahren an Sklerose verschied, gab mir seine Mutter, von Vorwürfen geplagt, ihren Erstgeborenen bereits ohne Wartezeit, doch wie sich herausstellte, hatten die Motten inzwischen die Stoffe gefressen.»
«Bis auf die Knöpfe», setzte Paps hinzu, der nicht die kleinste Ungenauigkeit duldete, «doch die wiederum waren von den Mäusen angenagt, so daß sie sich nicht mehr gebrauchen ließen.»
«Deshalb», knüpfte Mutsch an, «hatten wir beschlossen, die Aussteuer für Vilémek erst kurz vor der Hochzeit zu besorgen, und nun weiß ich nicht, ob sie vor einem Jahr fertig sein wird.»
«Ach, Mammilein!» beeilte ich mich, jede weitere Gefahr zu bannen, «du weißt doch, wie mir die Arbeit von der Hand geht, wenn einer unserer Nachbarn seine Tochter auf die Schnelle verheiratet! Ich verspreche dir, ich werde für meine eigene Hochzeit fleißig jede freie Minute nähen und notfalls auch die Nächte dazunehmen!»
«Ich denke, das ist überflüssig», rettete mich meine Frau, indem sie sich als Frau von Frau zu Frau um Unterstützung an Mutsch wandte, «ich möchte nicht, daß er mir vorzeitig altert, wie es so viele meiner Freundinnen mit ihren Männern erlebt haben, deren Schönheit von der häuslichen Schufterei zugrunde gerichtet wurde. Ich bin zwar eine gute Christin, von meinen verewigten Eltern ebenfalls streng gehalten, doch daneben bin ich auch eine moderne, ja sogar eine emanzipierte Frau. Meine Einkünfte, wie Sie bereits wissen, gestatten es uns ohne weiteres, die unerläßlichen Inletts bei der besten Hochzeitsausstattungsgenossenschaft anzuschaffen. Übrigens scheint es mir das Gescheiteste», wandte sie sich diesmal klugerweise an Paps, «wenn wir drei Erfahrene das in die Hand nehmen, damit der künftige Bräutigam sich ganz der geistigen Vorbereitung auf seinen neuen Stand widmen kann.»
Die trefflich gewählten Worte und der besonnene Ton taten ihr übriges, so daß Paps zustimmte. Ums Haar hätte ich vor Freude aufgejauchzt. Mutsch erhob jedoch noch einen Einwand.
«Das ganze Leben haben mein Gemahl und ich Vilémek so erzogen, daß er eines Tages in Weiß heiraten kann. Deshalb darf er Ihnen heute, geehrtes Fräulein, ohne Scham in die Augen sehen. Ihr heutiger Besuch wird jedoch bestimmt nicht verborgen bleiben, und viele unserer Nachbarn, vor allem die Urbans, die nur deshalb in der Kirche sind, um sich durch die heilige Beichte von ihren unablässigen Verleumdungen, Diebereien und offenbar auch von verbrecherischer Unzucht reinigen zu können, werden gewiß wie die Luchse darauf lauern, seinen glasklaren Ruf im letzten Moment zu besudeln. Deshalb möchte ich mir wünschen, daß Sie sich beide bis zur Hochzeit nicht mehr sehen werden, es sei denn hier und in unserem Beisein.»
«Aber das versteht sich doch von selbst, teure Schwester!» rief meine Frau zutiefst überzeugend aus, «und damit auch nicht der geringste Schatten an mir haften möge, werde ich bei den gelegentlichen Besuchen meine Vorgesetzte, die Kapellmeisterin aus der Frauenkirchenkapelle, als Anstandsdame mitbringen!»
Das erfüllte mich zwar mit Trauer, doch ich wußte allzugut, daß kein anderer Weg zu meinem Glück führte. Im übrigen hoffte ich in tiefster Seele – ja, eine solche Stufe hatte meine erwachte Sinnlichkeit bereits erreicht! –, meine Frau würde heimlich bei mir im Büro anrufen, so daß ich wenigstens während einer der Mittagspausen in ihren heißen Armen ruhen könnte. Meine Frau hatte offenbar bemerkt, daß ich litt, deshalb stand sie auf und begann die Karten einzusammeln.
«Ich denke also, Schwester und Bruder, wir sind uns über alles schlüssig geworden, wie es sich für fromme und ordentliche Leute geziemt und gebührt, und jetzt ist es vielleicht das beste, wenn Vilémek mich zur Schwelle Ihres Hauses begleitet, während Sie auf der Treppe stehen bleiben, denn just so werden wir jedem Zweifler den allfälligen Beweis für unser gutes Gewissen und unsere ehrenhaften Absichten liefern.»
Die Eltern waren auch diesmal einverstanden, und ich empfand noch größere Bewunderung für meine Frau. Nur Mutsch bat sich noch aus, zum Andenken die Karten behalten zu dürfen, durch die der Himmel selbst unser Tun gutgeheißen hat. Meine Frau willigste erst nach kurzem Zögern ein. Gleich darauf gingen wir also die Treppen hinunter, den gebührenden Abstand einhaltend, und ich mußte übermenschliche Kräfte aufbringen, um der Versuchung zu widerstehen, meine Gefühle in einer leidenschaftlichen Umarmung auszudrücken. Mein Wunsch wurde jedoch erfüllt. Als wir im Torweg waren, den die Eltern nicht einsehen konnten, preßte meine Frau mich begierig an die Briefkästen. Im selben Moment knackte der Spion in der Hausmeistertür, deshalb, ein Stolpern vortäuschend, ließ sie blitzschnell von mir ab, reichte mir nur die Hand zum Kusse und flüsterte dabei.
«Sei ruhig, Bübilein, gleich morgen ruf ich dich an. Und was mein heutiges Verhalten betrifft, bedenke, es war nur eine fromme Lüge, die uns helfen sollte, zum Ziel zu kommen. Du aber darfst mich nie belügen, auch nicht in Kleinigkeiten, denn dann könnte ich dich nie mehr vorbehaltlos gern haben. Vergiß nicht: Nur das Wort macht den Mann, und wenn du wieder oben bist, radiere unauffällig die Zeichen auf der Rückseite von Herzdame und Herzbube aus. Schlaf süß und fürchte nichts. Bis wir uns wiedersehen, wird mich in den einsamen Nächten nur mein Instrument umarmen!»
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