Sie zu lieben. Eva Lejonsommar

Sie zu lieben - Eva Lejonsommar


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zwischen ihnen gab, das aber keinen Namen hatte.

      Karin hatte im Wohnzimmer den Kaffeetisch gedeckt. Die Sonne schien durch die gemusterten Tüllgardinen. Die Katze hatte sich auf der Fensterbank zwischen den Blumentöpfen ausgestreckt. Das Buch lag ausgepackt auf dem Tisch.

      »Greif nur zu, Marie«, drängte Karin und reichte ihr zum drittenmal den Kuchenteller. Marie nahm ein Nußstückchen und reichte dann den Teller weiter an Ulf.

      Er inspizierte den Kuchenteller eingehend und stellte ihn dann auf den Tisch.

      »Da heißt es Charakter zeigen«, sagte er und schaute Anna vielsagend an.

      »Hör nicht auf ihn«, sagte Karin und reichte Anna den Teller. »Das hat sie doch noch nie getan, warum sollte sie das jetzt tun?«

      Ulf legte ein Bein übers andere und rümpfte mißbilligend die Nase angesichts des Schokoladentörtchens, das Anna demonstrativ auf ihren Teller schob.

      »Fangt jetzt bitte nicht an zu streiten. Erzählt lieber von dem Haus, das ihr euch angeschaut habt.«

      »Es ist ein Wahnsinn, eine halbe Million für eine alte baufällige Holzhütte auszugeben, in der ihr nur am Wochenende sein wollt«, unterbrach Ulf. »Wird man so verrückt, wenn man in Stockholm wohnt?«

      »Aber Ulf!« rief Karin aus. »Diese alte Holzhütte ist, soweit ich es verstanden habe, ein richtiges Schnäppchen, nicht wahr, Marie?«

      Marie nickte mechanisch. Sie wollte sich am liebsten aus den Familienstreitigkeiten heraushalten.

      »Woher weißt du das? Nur weil die Dachziegel ganz sind, heißt das nicht, daß auch die Dachpappe dicht ist und die Lattung noch in Ordnung ist. Wart ihr auf dem Dachboden?«

      »Ja, waren wir.«

      »Und ihr hattet natürlich auch Gelegenheit, nach Feuchtigkeit und Ungeziefer zu schauen.«

      »Selbstverständlich.«

      »Was war das denn für ein verdammter Makler?«

      »Das war kein Makler, sondern Bekannte von uns ...«

      »Das ist ja merkwürdig. Warum wendet er sich nicht an einen Makler?«

      »Es war auch kein Er, sondern eine Sie. Und sie möchte das Haus an Leute verkaufen, die sie kennt und mit denen sie sympathisiert.«

      Ulf schaute Anna lange an. Dann zuckte es in seinen Mundwinkeln. Es kostete ihn Mühe, das Kinn und die Unterlippe an ihrem Platz zu halten, und er wandte den Blick nach unten und ließ ihn auf seinen sich drehenden Daumen ruhen. Sein Bauch bewegte sich, und schließlich brach das Lachen aus ihm hervor.

      »Du und deine Freundinnen«, prustete er. »Ich kann mir nicht helfen ... an Leute, mit denen sie sympathisiert ... mein Gott ... und das wart ihr beide ...«

      Er lachte jetzt laut. Seine ganze schlaksige Gestalt hüpfte auf dem Stuhl. Seine Schultern zuckten, und die Arme fielen auf die Oberschenkel.

      »Entschuldige«, grinste er und wischte sich mit dem Handrücken ein paar Tränen aus dem Gesicht. Er fischte ein großkariertes Taschentuch aus der Tasche und schneuzte sich. Es klang wie Trompetenstöße. Er steckte das Taschentuch wieder ein und strich sich verlegen durch den Bart. Dann bewegte sich wieder der Bauch, er stand auf und verließ das Zimmer, sein Lachen explodierte erst draußen in der Halle.

      Marie streckte die Hand aus und berührte Annas Oberschenkel mit den Fingerspitzen. Sie hatte gewußt, daß es Krach geben würde, sobald sie Ulf begrüßt hatten. Er hatte sofort angefangen, auf Anna herumzuhacken.

      »Das ist die Scheidung«, verkündete Karin. »Ich glaube manchmal, es ist schlimmer für ihn als für Niklas.«

      Sie schaute sie ein bißchen ängstlich an, um zu sehen, ob sie einer Meinung mit ihr waren oder Einwände hatten. Als keine etwas sagte, fuhr sie fort:

      »Morgen ist es ein Jahr her, daß Niklas erzählt hat, er wolle sich scheiden lassen. Ich habe in diesen Tagen daran gedacht, daß dieses Jahr so schlimm ist wie noch nie. Findest du nicht auch, Anna? Alles scheint auf dem Kopf zu stehen. Denk doch nur mal an Weihnachten, als Susanna die Kinder bringen sollte und nicht kam. Und wie wütend Niklas wurde, als Papa selbst zum Hörer griff und sie anrief.«

      »Es war nicht seine Sache, sie anzurufen«, sagte Anna und starrte weiter blind die Wand an. »Ich verstehe gut, daß Niklas wütend wurde.«

      »Sie haben schon immer ein schwieriges Verhältnis gehabt, Papa und Niklas.«

      Karin streckte den Arm nach der Thermoskanne aus, hatte jedoch Probleme, sie zu erreichen.

      »Niklas kann einem leid tun«, sagte sie dann entschieden und schraubte den Deckel ab.

      »Ja, Niklas kann einem leid tun«, wiederholte Anna mechanisch.

      »Du sollst mich nicht nachäffen.«

      »Ich äffe dich überhaupt nicht nach.«

      »Natürlich tust du das. Und überhaupt, wie willst du denn wissen, wie es Niklas nach der Scheidung gegangen ist?«

      »Er hat mich darüber auf dem laufenden gehalten. Besonders nachts.«

      Karin wandte sich an Marie.

      »Tut mir leid, daß du das mit anhören mußt.«

      »Ich verstehe, daß ihr darüber reden müßt. Ich gehe raus und begrüße die Hunde.«

      Marie stand vom Sofa auf und nahm die leere Kaffeetasse mit in die Küche.

      Es war schon dunkel, als sie zum Stall gingen. Der Himmel war voller Sterne, und alle Geräusche wurden groß und deutlich; die Schritte unter ihren Füßen, das Rascheln von Stoff um ihre Körper. Sie flüsterten, als ob der Oktoberabend Ohren hätte, und sie hielten sich an der Hand wie zwei kleine Mädchen. Der Stall leuchtete von weitem mit seinen Reihen gelber Augen.

      »Es ist lange her, daß ich mit dir hier war«, flüsterte Marie.

      »Du wolltest ja nie mitkommen.«

      »Ich bin froh, daß ich es jetzt getan habe.«

      »Obwohl bei uns so viel gestritten wird?«

      »Ihr prügelt euch wenigstens nicht.«

      Sie waren fast beim Stall. Noch ein paar Meter, und sie standen im Lichtschein der Fenster. Marie hielt Anna am Arm fest, und die blieb stehen.

      Der Anorakstoff raschelte, als sie Anna an sich zog. Die Lippen waren weich und warm und der Mund halb geöffnet. Marie drückte ihre Nase an Annas Hals und sog ihren Duft ein. Ihre Blicke konnten sich nicht treffen, dazu war es zu dunkel. Sie schob ihre Hände unter Annas Anorak und den Rücken hinauf.

      Dieser vertraute Körper, Annas Körper. Sie kannte ihn so gut. Sie kannte all seine Eigenheiten und Geheimnisse, die Schutzmauern und Hintereingänge. Sie wußte, wie die Brüste sich in die Handfläche wölbten, wie die Haare in der Achselhöhle kitzelten, wie der Schlaf im Nacken roch. Sie wußte, wie stark die Beine waren, wie die Hüften sich rundeten, wie ihr Schoß schmeckte, wie die Schamlippen aussahen, wenn sie sich geliebt hatten.

      Sie kannte Annas Körper besser als ihren eigenen. Ein vertrauter, wohlbekannter Körper, der im Lauf der Jahre ein bißchen schwerer und schlaffer geworden war, der sie aber immer noch mit Wärme und Liebe erfüllte. Es war schade, daß sie nicht mehr so elektrisiert wurde, nicht mehr naß wurde und erregt von diesem Körper, von dem sie einmal gar nicht genug bekommen konnte.

      »Ich liebe dich«, flüsterte sie Anna ins Ohr und spürte sofort die Antwort in der schweigenden Umarmung und der Wärme, die hell von Annas Herz zu ihrem strömte.

      Eine gefleckte Katze schlüpfte durch die Stalltür, als sie sie öffneten. Marie bückte sich, um sie zu streicheln, aber sie huschte scheu davon.

      »Sie hat gerade Junge bekommen«, sagte Anna. »Sie hat sie natürlich versteckt. Sie traut niemandem.«

      »Das kann man verstehen«, brummte Marie und schaute der Katze


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