Ten Mile Bottom. Teodora Kostova
ändern würde.
»Großartig«, murmelte ich und folgte ihm.
***
Die Sache war, dass wir manchmal dumme, übereilte Entscheidungen trafen, die uns zerstörten, beinahe umbrachten. Aber manchmal trafen wir dumme, übereilte Entscheidungen, die sich zum Besten entwickelten, was uns seit einer Weile passiert war.
Während ich auf dem unbequemen Holzstuhl saß und mir gedanklich notierte, dass ich neue Esszimmerstühle brauchte, die meinen Hintern nicht taub machten und dafür sorgten, dass sich mein Rücken komisch wölbte, beobachtete ich Ben, der gerade angeregt sprach, ohne dass das Lächeln aus seinem Gesicht verschwand.
»Weißt du, es ist praktisch, wenn man ein paar Sprachen spricht«, sagte er und beendete seine Geschichte über ein Auto voller Touristen, die mitten in der Nacht auf der Autobahn gestrandet waren und nur ein paar Worte Englisch sprachen. »Vor allem, wenn man an so einem Ort wohnt.« Er hielt inne, um von seinem Prawn Toast abzubeißen, den er sanft zwischen den Fingern hielt.
Mit Mühe gelang es mir, meine Aufmerksamkeit von seinen sinnlichen Lippen abzuwenden, als er kaute, und mich stattdessen auf seine Worte zu konzentrieren.
»Was für ein Ort?«, fragte ich mit hochgezogener Braue. Ihm war bewusst, dass wir gerade in einem Esszimmer in einem Haus am Rand einer kleinen, ländlichen Stadt mit gerade dreißigtausend Einwohnern saßen, oder?
»Cambridge ist ein paar Kilometer entfernt und stark überfüllt, also neigen die Leute dazu, in die umliegenden Städte auszuweichen«, sagte Ben schulterzuckend und biss noch einmal von seinem Prawn Toast ab. »Und Cambridge, ich weiß nicht, ob du schon mal da warst, aber dort leben Menschen aus der ganzen Welt. Viele von ihnen kommen und gehen wegen der Universität, aber viele bleiben. Wie meine Mum.«
»Deine Mum?«
»Ja, sie ist Kolumbianerin«, sagte Ben grinsend. »Deshalb spreche ich Spanisch.« Er wedelte mit der Hand, um auf die Verbindung zu der Geschichte aufmerksam zu machen, die er gerade erzählt hatte.
Und deshalb hast du so umwerfend dunkle Haut, fügte ich gedanklich hinzu, ehe ich mich räusperte und laut sagte: »Ach ja?«
Heute Abend würde ich keine Preise für Eloquenz gewinnen und das war in Ordnung. Ben schien es auch nicht zu stören.
Er lächelte breit, als er von seiner Mutter sprach. »Ja. Sie ist nach Cambridge gekommen, um Medizin zu studieren – ihre Familie ist stinkreich«, sagte er erneut abwinkend. »Hat meinen Dad kennengelernt, sich verliebt und ist nach dem Abschluss geblieben. Er neckt sie immer damit, dass sie eine Prinzessin der kolumbianischen Mafia ist.«
»Ist sie?«, fragte ich und erwiderte sein Lächeln.
»Nein, ihr Dad ist Arzt und ihre Mutter hat eine reiche Familie, also geht es ihnen gut, auch ohne Verbindungen zur Mafia.« Er wandte nachdenklich den Blick ab, ehe er hinzufügte: »Soweit ich weiß.«
Er sah mir in die Augen und das verschmitzte Glitzern in seinem Blick verriet mir, dass er nur Witze machte. Ich lachte kopfschüttelnd und schaufelte mir etwas Reis auf die Gabel. Eine Weile aßen wir schweigend und ich wusste, dass von mir wahrscheinlich erwartet wurde, den Gefallen zu erwidern und ein paar persönliche Informationen preiszugeben, aber bei dem Gedanken, diesem lieben, fürsorglichen Mann von meiner verkorksten Vergangenheit oder dem Familiendrama zu erzählen, verkrampfte sich mein Magen.
»Finn?«, sagte Ben und ich sah ihn an. Er hatte seine Gabel abgelegt und das Kinn auf die Hände gestützt. »Ich muss dir was gestehen und mir ist klar, dass ich es wahrscheinlich in der Werkstatt hätte tun sollen, als wir uns das erste Mal gesehen haben, aber es schien nicht der richtige Zeitpunkt zu sein und jetzt fürchte ich, dass du denkst, ich wäre ein verrückter Stalker oder so was.« Er plapperte, sein Körper war angespannt und von seiner lächelnden, entspannten Haltung von eben war nichts mehr zu sehen. Es machte mich nervös.
Vielleicht bringen uns dumme, übereilte Entscheidungen doch um.
»Oh Gott, du siehst mich bereits an, als wäre ich ein Stalker.« Seine Augen wurden unmöglich noch größer und plötzlich breitete sich ein beschützerisches Gefühl in meiner Brust aus.
»Ich halte dich nicht für einen Stalker, Ben«, sagte ich, lehnte mich zurück und verschränkte die Arme. »Sag einfach, was du zu sagen hast.«
Er atmete tief ein und stieß die Luft dann wieder aus. »Ich weiß, wer du bist.« Ich war ziemlich sicher, dass er die Luft anhielt, während er mich bedauernd mit großen, runden Augen ansah. »Es tut mir leid, aber es ist so«, fuhr er hastig fort und hob die Hände, als würde er das Stirnrunzeln abwehren wollen, das sich auf meinem Gesicht breitmachte. »Und ich bin ein riesiger Fan. Lost Silence hat mein Leben verändert, Finn. Ich kann dir gar nicht sagen, wie viel mir dieses Buch bedeutet.«
»Scheiße«, stöhnte ich und legte das Gesicht in meine Hände.
Typisch für mich. Ich zog nach Ten Mile Bottom, das ich wortwörtlich wahllos ausgesucht hatte, indem ich auf eine Karte gezeigt hatte, und jemand hier wusste, wie ein Autor aussah, der seit zwei Jahren nichts veröffentlicht hatte.
»Ich folge dir schon seit Jahren in den sozialen Medien, also wusste ich sofort, dass du es bist, aber du hast so mitgenommen und sauer ausgesehen, dass ich nichts sagen konnte.« Er sprach weiter und ich schielte ihn zwischen meinen Fingern hindurch an, mit denen ich noch immer mein Gesicht bedeckte.
Ich wollte gerade nicht Finnegan J. Rowe sein. Ich wollte die Zeit fünf Minuten zurückdrehen, als wir chinesisches Essen gegessen und lustige Geschichten ausgetauscht hatten. Na ja, Ben hatte lustige Geschichten erzählt, während ich einsilbige Antworten von mir gegeben und mich vollgestopft hatte, aber egal.
»Kannst du irgendwas sagen?«, bat er und eine Sorgenfalte bildete sich zwischen seinen Brauen. Sanft zog er mir die Hand vom Gesicht.
»Ich halte dich nicht für einen Spinner«, sagte ich aufrichtig. Ich hatte viele meiner Leser kennengelernt und Bens Reaktion war im Vergleich zu anderen ziemlich dezent. Fangen wir gar nicht erst mit den Geschenken an, die ich bekommen hatte. Ich zitterte schon, wenn ich nur daran dachte.
»Aber?«, drängte Ben.
»Aber es wäre mir lieber, wenn du niemandem davon erzählst.«
»Josh weiß es schon«, sagte Ben und wandte schuldbewusst den Blick ab. »Aber ich hab es ihm nicht gesagt! Er hat über die Jahre oft gehört, wie ich von dir gesprochen habe und hat deine Accounts in den sozialen Medien auch gesehen, wenn auch nur, um sich über mich lustig zu machen, weil ich ein Fanboy bin.« Ben setzte das Wort in Anführungszeichen, errötete aber und wandte den Blick ab.
»Josh ist dein Bruder? Der andere Typ in der Werkstatt?«
»Ja.«
Ich seufzte und rieb mir erneut mit der Hand übers Gesicht. Nichts davon war Bens Schuld. Ich hatte mein Gesicht jahrelang online gezeigt. Außerdem hatte ich mich sehr offen zu kontroversen Themen geäußert und dadurch viele Follower bekommen, selbst wenn einige davon Trolle waren. Es kam nicht gerade unerwartet, von jemandem erkannt zu werden, wenn ich nicht erkannt werden wollte, auch wenn ich gehofft hatte, dass mich die Leute vergessen würden, wenn ich meine Profile deaktivierte.
»Das ändert die Dinge«, sagte ich leise.
Heute Abend, während wir in meiner Küche saßen, waren wir zwei Typen, die sich chinesisches Essen teilten und sich unterhielten, und ich hatte das Gefühl, als könnte ich Ben vertrauen. Er wirkte so aufrichtig und freundlich, so offen in seinen Gefühlen, ohne sichtbare Hintergedanken. Er hatte dafür gesorgt, dass sich etwas in mir beruhigte.
Aber jetzt? Jetzt, da ich wusste, dass er meine Arbeit gelesen hatte, mir online gefolgt war und mehr über mich wusste, als ich teilen wollte, spürte ich, wie meine Beklemmung wuchs. Vielleicht war es nicht fair, vielleicht war ich ein Arsch, aber ich brauchte Zeit, um all das zu überdenken.
Ich spürte, wie meine Mauern hochfuhren, als ich mich straffte und die Ellbogen auf den Tisch stützte. Als ich ihm direkt in die