Ten Mile Bottom. Teodora Kostova
an dieser Strecke einen Blitzer aufstellen sollen.«
Ich seufzte. »Gefährliche Zeiten…«, sagte ich und winkte ab, anstatt meinen Gedanken zu Ende zu bringen.
Ben fuhr kommentarlos auf den Parkplatz vor dem Kaufhaus.
»Danke«, sagte ich und schnallte mich ab. »Du hättest dir nicht die Mühe machen müssen, mich hier abzusetzen.« Aus irgendeinem Grund wurde ich immer verlegener und mied den Blickkontakt. Ich spürte, wie meine Angst größer wurde und wollte nichts mehr, als aus diesem Auto auszusteigen.
Als ich die Hand schon am Türgriff hatte, wagte ich einen Blick auf Ben. Er beobachtete mich eindringlich mit einer kleinen Falte zwischen den Brauen, als würde er angestrengt versuchen, mich zu verstehen, aber kläglich scheitern.
»Alles klar, danke noch mal«, sagte ich, öffnete die Tür und stieg aus. »Bitte ruf mich an, sobald du weißt, was mit meinem Auto nicht stimmt, ja?« Ich sah ihn nicken, ehe ich die Tür etwas zu heftig zuschlug.
Meine Beine zitterten, als ich das Kaufhaus betrat, ohne mich umzudrehen, war mir aber sehr bewusst, dass Ben wegfuhr.
Niedriger Blutzucker, dachte ich, als ich mich daran erinnerte, dass ich seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte, und auch das hatte nur aus einem Joghurt und einer Banane bestanden.
Richtig. Zuerst essen, dann Selbstmitleid.
Kapitel 7
Als die Sonne an diesem Abend unterging, war ich vollkommen erschöpft. Dieser Tag fühlte sich an, als hätte er sich eine Woche lang hingezogen. Das Positive war, dass alle Wände im Wohn- und Esszimmer und der Küche frisch gestrichen waren und ich mich endlich mit einem kalten Drink setzen und entspannen konnte. Ein kalter, alkoholfreier Drink.
Ich nahm eine Flasche Cola aus dem Kühlschrank und nahm sie mit raus in den Garten, wo ich mich setzte und den Verschluss mit einem befriedigenden Zischen aufschraubte. Nachdem ich ein paar große Schlucke getrunken hatte, knurrte mein Magen laut. Seufzend ließ ich den Kopf nach hinten an die Stuhllehne sinken.
Die Sonne war fast vollständig hinter den Bäumen in der Ferne versunken und hüllte den Himmel in einen orangefarbenen Schein. Es war faszinierend zu beobachten, wie die letzten Strahlen verschwanden. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal einen Sonnenuntergang betrachtet hatte, wenn überhaupt. Wann hatte ich das letzte Mal nach einem schrecklichen Tag draußen gesessen und mir erlaubt, einfach zu sein?
Manchmal sind die kleinen Dinge die wirklich wichtigen, Finney.
Aidens wahre Worte gingen mir durch den Kopf, als ich zusah, wie sich die umwerfenden Farben auf dem Himmel ausbreiteten und die fluffigen Wolken orange, gelb, rot und sogar pink anmalten.
Mein Magen knurrte erneut und erinnerte mich daran, dass ich jede Sekunde hungriger wurde, sosehr ich auch hier sitzen bleiben und mich die nächsten fünf Jahre nicht bewegen wollte. Aber der Kühlschrank war noch genauso leer, wie ich ihn heute Nachmittag hinterlassen hatte. Alles, was ich geschafft hatte, nachdem Ben mich abgesetzt hatte, war ein schnelles Mittagessen, eine Powerbank zu besorgen, ein paar Eimer Farbe im Heimwerkerbedarf zu kaufen und mir ein Taxi zu bestellen.
Ich zog mein frisch aufgeladenes Handy aus der Tasche und suchte nach Lieferservices in der Gegend. Mir wurden einige Restaurants angezeigt und ich bestellte viel zu viel chinesisches Essen, aber ich war einfach zu erschöpft, um mir darüber Gedanken zu machen. Nachdem das erledigt war, lehnte ich mich zurück und beobachtete den dunkler werdenden Himmel, zufrieden damit, nicht weiter denken zu müssen als an meine Essenslieferung.
Keine fünf Minuten später erschreckte mich das Geräusch der Türklingel. Ich stand auf und sah auf meinem Handy auf die Uhr, um sicherzugehen, dass ich nicht für eine halbe Stunde eingenickt war, aber nein, es war genau sechs Minuten her, seit ich das Essen bestellt hatte. Stirnrunzelnd ging ich zur Tür, bereit, wen auch immer ohne irgendwelche Höflichkeiten wieder wegzuschicken.
»Hi«, sagte Ben lächelnd, als ich hastig die Tür öffnete.
»Hi?« Erneut überraschten mich sein aufrichtiges Lächeln und sein aufgeschlossener Gesichtsausdruck.
»Entschuldige, dass ich so spät störe, aber ich dachte, du willst sie vielleicht so schnell wie möglich zurück«, sagte er und streckte die Hand aus. An einem seiner langen Finger baumelten meine Autoschlüssel. Ich war so von Bens Anwesenheit eingenommen gewesen, dass ich mein Auto ganz übersehen hatte, das hinter ihm in der Einfahrt stand.
»Du konntest sie reparieren?«, fragte ich, nahm ihm die Schlüssel ab und ging an ihm vorbei zum Auto.
»Eigentlich gab es nichts zu reparieren«, sagte er direkt hinter mir. Überrascht sah ich ihn an und er fuhr fort. »Ich hab das Auto an den Computer angeschlossen und es wurde kein Fehler angezeigt. Also hab ich es angelassen und eine Testfahrt gemacht. Alles hat wunderbar funktioniert. Ich vermute, dass vielleicht ein Steinchen auf den Sensor getroffen ist und sich dort verkeilt hat, sodass das System gestört war. Aber als das Auto zur Werkstatt geschleppt wurde, hat es sich wahrscheinlich gelöst.« Er zuckte mit den Schultern und ich runzelte die Stirn. »Ich weiß, dass es lächerlich klingt, aber ich hab das schon gesehen. Dieses Auto ist nicht für unebene, verdreckte Landstraßen gemacht, Finn.«
Mit unmenschlicher Kraft gelang es mir, beim Klang meines Namens aus seinem Mund nicht die Augen zu schließen. Behutsam trat ich einen Schritt zurück, drehte mich zum Auto und strich mit den Fingern übers Dach.
»Aber ich liebe sie«, sagte ich und klang dabei wie ein bockiges Kind. Ich wollte nicht die eine Sache verkaufen, die mich an mein altes Leben erinnerte. Die eine Sache, die mir ein bisschen Luxus und das Gefühl gab, ein wenig ich selbst zu sein, wenn ich sie fuhr.
Ben grinste. »Natürlich tust du das. Ich sage nicht, dass du sie loswerden sollst, aber ich fürchte, dass wir uns vielleicht oft sehen werden.« Mein Blick huschte zu ihm. Was für eine Qual, wie soll ich das nur ertragen, dachte ich.
Er deutete mit dem Kinn auf das Auto. »Sie hat sich noch nicht an das Landleben gewöhnt.«
Ich biss mir von innen auf die Wange, um nicht zu lächeln, und sagte: »Wie viel schulde ich dir?«
Ben winkte ab. »Ich hab nichts gemacht. Das Auto war in Ordnung. Ich hab nur eine Testfahrt gemacht und ich kann dir versichern, dass das nicht unangenehm war.«
»Du hast auch deine Zeit verschwendet, um ein Problem zu suchen, und hast sie mir dann nach der Arbeit zurückgebracht.« Ich wollte niemandem einen Gefallen schuldig sein. Mir war immer noch nicht eingefallen, wie ich mich bei Steve dafür revanchieren konnte, dass er mich heute Nachmittag aufgenommen hatte, und ich fühlte mich dadurch immer unwohler.
»Ist kein Problem«, sagte Ben und winkte erneut ab.
Ein Auto fuhr vor die Einfahrt und ein Mann mittleren Alters stieg aus, winkte uns zu und nahm dann zwei Tüten aus dem Kofferraum. Lächelnd reichte er mir und Ben eine der Tüten und der köstliche Geruch von dampfend heißem Essen überwältigte meine Sinne. Ich atmete tief ein und schloss einen Moment die Augen, während mein Magen erneut knurrte. Ich gab dem Mann noch ein Trinkgeld, bevor er wieder ging.
»Erwartest du Besuch?«, fragte Ben mit hochgezogener Braue und sah zwischen der Menge an Essen und mir hin und her.
»Nein, aber ich hab das Gefühl, als könnte ich einen Elefanten essen und meine Aufmerksamkeitsspanne ist am Ende, also hatte ich keine Lust, zwischen verschiedenen Dingen zu wählen und hab die ganze Karte bestellt.«
Ben reichte mir die Tüte und ich stand einfach da, zwischen ihm und meinem Auto, während der Geruch nach Essen die Luft erfüllte und meine Knie vor Hunger nachgaben.
»Warum bleibst du nicht wenigstens zum Essen?«, hörte ich mich sagen, aber mein Kopf war nicht schnell genug, um hinterherzukommen. Bens Augen leuchteten auf und das Grün strahlte wie das einer Katze in der Dunkelheit. »Es ist das Mindeste, was ich tun kann, nachdem du dich so um mein Auto gekümmert hast«, fügte ich schnell hinzu. Mein Herz schlug so schnell, dass ich glaubte, aus den Latschen zu kippen und zu sterben.