Fußball, deine Fans. Martin Thein

Fußball, deine Fans - Martin Thein


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       Elmar Vieregge

       Fußballkneipen und Public Viewing

       Hardy Grüne

       Vom Zauber des Fandaseins im Amateurfußball

       Olaf Sundermeyer

       Im hässlichen Scheitelpunkt der Kurve

       Teil 6

       Subkulturen …………………………………………………..

       Mirko Otto und Volker Herold

       Groundhopping

       Burkhard Mathiak

       Unter Hooligans

       Fabian Beyer

       Evolution Ultrà

       Teil 7

       Quo vadis, Fankultur? …………………………………………………..

       Christoph Burr

       Fans gegen Verbände: Das neue Risikospiel?

       Daniel Killy

       Die Fankultur der Zukunft?

       Martin Thein

       Gedanken über eine Fankultur von morgen

       Autorenangaben

      Peter Lohmeyer

      Vorwort

       Ein Leben lang

      Ein nicht wirklich schönes Stadion, aber rappelvoll. DFB-Pokal, damals noch möglich, das Hinspiel. Auf einem Stehplatz dicht an dicht, neben mir zwei Untertagerentner, um die ich mir spätestens beim 4:4 ernste Sorgen mache. Die halbvolle Lord-Extra-Packung längst zerdrückt, weigert sich der eine, überhaupt noch aufs Spielfeld zu blicken, während der andere sprachlos meine Schulter malträtiert. Ich denke nur, hoffentlich halten die das bis zum Abpfiff durch – keine Lust jetzt, die Sanitäter zu holen. Meine Fresse, das Spiel endet 6:6. Der Sprachlose fällt mir um den Hals und meint bloß: „So jung komm wa nich mehr zusammen.“ Recht hat er, denke ich bei mir, und wirklich erleben kannst du so was nur, wenn du auf einer Seite stehst.

      Deshalb musst du dich irgendwann entscheiden. Am besten natürlich so früh wie möglich, bevor dich dein Vater oder Onkel durch einen Stadionbesuch manipuliert.

      Bei mir war es mit sechs Jahren ganz klar die Farbe des Trikots und ein genialer Rechtsaußen, dessen Flankenläufe ich bei der Fußballweltmeisterschaft in Mexiko 1970 um vier Uhr früh ungläubig – von meinem Versteck hinter dem braunen Cord-Sofa meiner Eltern aus – bestaunen durfte. LI BU DA, viel zu laut kamen mir die drei magischen Silben über die Lippen, so dass mich mein Vater an meinem linken Ohr schnurstracks ins Kinderzimmer bugsierte. Ich hatte mich entschieden, und wenn man sich mal entschieden hat, dann bleibt man dabei, ein Leben lang.

      Mein lieber Kollege Joachim Król hat einmal auf die Frage, was er an mir schätze, geantwortet: „Seine Leidensfähigkeit.“ Ja, das stimmt, die habe ich, also so wie jeder Fan. Also, wie der wahre Fan, der nicht nur leidet, sondern auch liebt. Denn ohne Liebe kein Leid. Und lieben kann man überall, in der Kurve, auf der Haupttribüne, vor dem Fernseher oder am Radio, auch auf der Arbeit, im Urlaub oder am Küchentisch.

      Ohne Liebe geht nämlich gar nichts.

      Das heißt, wenn wir uns zurückziehen und nicht mehr jubeln, zittern, hoffen, weinen, mitfiebern und schimpfen würden, dann können die Jungs, die da jede Woche für ’ne Menge Kohle ihre Knochen hinhalten, ihre Sachen packen. Wär’ doch Schade, für alle.

      Deshalb wollen wir, dass man uns ernst nimmt, dass man uns zuhört, dass man auf uns zählt. Wir wollen einfach nur Respekt. Respekt vor unserer Liebe.

      Denn die ist da, ein Leben lang!

      Teil 1

      …………….

       100 Jahre Fankultur in Deutschland

      Zuschauer beim Spiel zwischen Berlin und Hamburg im Jahr 1920.

ereyhrte

      Thomas Wark

       Beobachtungen von der anderen Tribünenseite

      Ich gebe zu, niemals ein Fanatiker gewesen zu sein. War niemals besessen von einer religiösen Idee, von einer politischen Partei, von einem Verein oder einer Mannschaft. Mir waren Menschen immer suspekt, die sich einer Besessenheit hingeben und Idealen und Ideen nacheifern. Ich konnte noch nie etwas empfinden für das Eintauchen in die große, anonyme Masse, die sich doch oft nur von Dogmen leiten lässt. Fanatismus ist ein Hort der Intoleranz, Fanatismus erniedrigt den Andersdenkenden, Fanatismus ist eine eindimensionale Lebensführung. Besteht eines der Phänomene unserer Zeit nicht wieder in der Erkenntnis, wie leicht sich Fanatiker und Eiferer instrumentalisieren und für bestimmte Ideen einspannen lassen? In Dortmund prallen Hunderte von Fans des BVB und von Schalke aufeinander und lassen ihrem Hass aufeinander freien Lauf, die Polizei konstatiert die härtesten Auseinandersetzungen seit Jahren. Der Ursprung eines solchen Vorfalls: Hass und Gewalt als Folge eines emotional hochgeschaukelten Fanatismus, der in der Erniedrigung und Vernichtung des Andersdenkenden seine Erfüllung findet.

      Der deutsche Schriftsteller Hans Kasper hat das Problem des Fanatismus einmal so beschrieben: „Mit Fanatikern zu diskutieren heißt, mit einer gegnerischen Mannschaft Tauziehen spielen, die ihr Seilende um einen Baum gebunden hat.“

       Gänsehautatmosphäre in Dortmund – Operettenpublikum bei Arsenal

      Ich gebe zu, niemals ein Fanatiker gewesen zu sein. Ich muss aber auch zugeben, mich dem Fanatismus in der Fußballszene niemals ganz entzogen zu haben.


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