Die Chroniken Aranadias I - Die Tochter des Drachen. Daniela Vogel

Die Chroniken Aranadias I - Die Tochter des Drachen - Daniela Vogel


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ein Freudenfest geben, wenn unser Bote Eurer Mutter die Nachricht Eurer glücklichen Rettung überbringt. Noch dazu, da wir ihr den Urheber Eurer Entführung gleich nachliefern!?«, in Archibalds Stimme lag ehrliche Reue. Das verwunderte sie, denn sie hatte ihn immer für einen alten, gefühllosen Klotz gehalten. »Wir werden Euch in das Stadtschloss Eurer Mutter begleiten. Sie selbst ist bereits auf dem Weg dorthin. Nachdem Ihr verschwunden wart, meinte der Großkanzler, es wäre besser so. Eure Entführung hat das ganze Land in hellen Aufruhr versetzt. Wie Ihr wisst, seid Ihr sehr beliebt«, Archibald grinste sie vorsichtig an. »Wir müssen Euch jetzt nur noch gesund und munter nach Hause bringen, damit sich alles beruhigt.«, er sah ihr tief in die Augen. Als keine Reaktion von ihr kam, wurde er ernst. »Hat Euch der Kerl auch wirklich nichts angetan?« Als sie immer noch schwieg, erhellte ein Grinsen erneut sein verwildertes Gesicht. »Ist aber auch ein ganz schön zähes Bürschchen. Hätte nicht gedacht, dass er so lange durchhält!«

      Rilanas seufzte leise, während ihre Gedanken abschweiften. Abermals holte Archibalds Stimme sie in die Wirklichkeit zurück. »Hat ganz schön Prügel bezogen. Wehrt sich, wie ein Tiger. War gar nicht so leicht, Euch zu schützen und ihn zu überwältigen ...! Aber, jetzt wird alles wieder gut. Ihr seid in Sicherheit, unter meinem Schutz. Ich werde Euch nach Hause bringen.«, seine Worte sollten sie beruhigen, doch Rilana war alles andere als ruhig. »Habt Ihr vielleicht eine Ahnung, wer der Kerl sein könnte? Ich, jedenfalls, habe ihn noch nie zuvor gesehen und glaubt mir, er wäre mir sicher aufgefallen.« Rilana schwieg. Was sollte sie ihm antworten? Ihr Blick wanderte von Archibald zu dem jungen Mann, der in einiger Entfernung auf dem Plateau vor ihrem Unterschlupf lag. Ihre Begleiter hatten ihn, im wahrsten Sinne des Wortes, dorthin geworfen und einfach liegen lassen. Da er zu diesem Zeitpunkt bewusstlos gewesen war, und bis jetzt anscheinend sein Bewusstsein noch nicht zurück erlangt hatte, lag er noch immer in derselben Haltung, in der sie ihn vor Stunden verlassen hatten, auf dem nackten, kalten Boden. Viel Bewegen konnte er sich sowieso nicht, selbst wenn er erwachte, denn er war an einen dicken Holzklotz, wie ein Ochse an ein Joch gebunden und auch seine Füße waren gefesselt. Es schneite leicht und sein Körper war bereits mit einer dünnen Schneeschicht bedeckt. Trotz der Entfernung konnte sie erkennen, dass er am ganzen Leib zitterte. Kein Wunder! Selbst hier am Feuer spürte sie den eisigen Hauch der Luft. Vielleicht war er doch aufgewacht. »Hört Ihr nicht? Ich habe Euch soeben etwas gefragt!« Archibald schaute sie nachdenklich an. »Ihr seit heute Abend so schweigsam! Könnt Ihr mir schwören, dass er Euch nichts getan hat?«

      »Er hat mir nichts getan! Das könnt Ihr mir beruhigt glauben!« Rilana schrie die Worte förmlich. »Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist«, fügte sie leiser hinzu. Aber ich wüsste es nur zu gerne, vervollständigte sie in Gedanken den Satz und seufzte erneut.

      »Ich kann Euch nicht erklären, wieso,« Archibald rückte ein Stück näher an sie heran, »aber das Ganze macht irgendwie keinen Sinn. Ich möchte wissen, woher er kommt und was er mit dieser Sache bezweckte! In unserer Nähe schweigt er ja, wie ein Stockfisch. Hat er wenigstens Euch gegenüber Andeutungen gemacht?«

      »Ich habe keine Ahnung, wer er ist und warum er mich entführt hat. Wirklich nicht!«, sie antwortete völlig geistesabwesend, während sie ihren Blick weiterhin auf dem jungen Mann im Schnee richtete. »Aber, eins kann ich Euch mit Bestimmtheit sagen, spätestens morgen früh wird er mausetot sein, wenn wir ihn dort liegen lassen. Wir müssen ihn aus der Kälte ans Feuer holen. Ich glaube, meine Mutter würde es nicht gutheißen, wenn Ihr den Schuldigen als Leiche in das Schloss bringt.« Und ich auch nicht!, fügte sie in Gedanken hinzu.

      »Ihr habt recht«, meldete sich nun auch einer der anderen Männer zu Wort. »Wenn wir ihn, wie bisher, dort liegen lassen, wird er mit Sicherheit die Nacht nicht überstehen. Das würde uns nur den ganzen Spaß verderben. Wo wir doch noch so viel mit ihm vorhaben!« Die Männer grinsten, dann brachen sie in schallendes Gelächter aus.

      »Aber, es stimmt!«, meldete sich nun auch der dritte Mann zu Wort. »Selbst hier am Feuer ist es unerträglich kalt.« Archibald wurde ernst.

      »Was macht Ihr Euch Gedanken über diesen Hund? Hunde sind zähe Tiere. Er wird es schon überstehen!« Rilana war sich da nicht so sicher. Sie beobachtete, wie das Häufchen Elend, denn mehr war von ihrem jungen Entführer nicht übrig, seine Beine bewegte und dann leise aufstöhnte. Das war zwar ein Zeichen dafür, dass er noch lebte, aber lange hielt er bestimmt nicht mehr durch. Es war schon schwierig genug solch eine Nacht überhaupt im Freien zu überleben, aber in seinem Zustand ... Nahezu unmöglich!, schoss es ihr durch den Kopf.

      Die Gestalt am Boden sackte nun erneut in sich zusammen und blieb regungslos liegen. Auch die Bewegungen seines Brustkorbes wurden immer schwächer. Das war kein gutes Zeichen! Abrupt drehte sie sich zu Archibald um, während ihre Augen in die Flammen des Feuers starrten. Ihre Gedanken, aber, blieben bei dem bleichen, leblos wirkenden Mann im Schnee.

      Etwas war mit ihm. Etwas, was sie sich nicht erklären konnte. Vom ersten Augenblick an. Etwas, was sie zunehmend verwirrte. Rilana dachte zurück an ihre erste Begegnung.

      Es waren seine Augen. Diese strahlenden, dunkelbraunen, fast schwarzen Augen, in denen man unterzugehen schien, faszinierten sie vom ersten Augenblick an. Er hieß Raoul. Soviel wusste sie. Seine Stimme war genauso fesselnd, wie seine Augen. Nicht so tief, wie Archibalds, aber mit einem weichen Unterton. Das war im Großen und Ganzen auch schon alles, was sie über ihn in Erfahrung gebracht hatte.

      Es war wieder einmal so ein Abend gewesen, den sie am liebsten aus ihrem Gedächtnis gestrichen hätte. Wie üblich hatte ihre Mutter zum Anlass ihrer bevorstehenden Reise nach Andrass ein großes Fest gegeben. Es war jedes Mal geradezu überwältigend. Zahllose Spielleute, Gaukler und Gäste versammelten sich an Tischen, die unter der Anzahl der gereichten Speisen fast brachen. Wein, solange bis keiner mehr stehen konnte und eine aufgesetzte Fröhlichkeit, die ihr auf den Magen schlug. Ihr war das alles derartig auf die Nerven gegangen, dass sie händeringend nach einem Vorwand gesucht hatte, schnellstmöglich zu verschwinden. Die Musik dröhnte nur noch in ihren Ohren. Die Gäste benahmen sich wie die Vandalen und zu allem Überfluss hatte sie auch noch das ungenierte öffentliche Geturtel ihrer Mutter mit deren Großkanzler, de Beriot, ertragen müssen. Schließlich hatte sie Müdigkeit und Kopfschmerzen vorgetäuscht und war dann regelrecht vor dem Treiben geflohen. Der obere Bereich des Schlosses lag ruhig im Lichtschein der wenigen Fackeln, fast so, als fände nicht gerade unter ihm ein derartiges Treiben statt. Nur das leise Klirren der Kettenpanzer und Schwerter einiger weniger Wachen, die hier oben postiert waren und langsam ihre Runden zogen, unterbrach die Stille. Instinktiv atmete sie erleichtert aus, dabei verlangsamte sie ihre Schritte. Ihre Räumlichkeiten lagen am hinteren Ende des langen Korridors und, wie sie verwundert feststellte, befanden sich weder Wachen vor der Tür, noch unmittelbar in ihrer Nähe. Eine Nachlässigkeit ihrer Mutter, die in derartiger Weise bisher so noch nicht vorgekommen war. Ein weiterer Grund auszuatmen, denn in letzter Zeit fühlte sie sich durch die ständige Präsenz des Wachpersonals noch eingeschränkter und gefangener, als bisher. Ihre Verwunderung wurde noch größer, als sie die Türe zu ihren Räumen öffnete. Nicht einmal die alte Arana, ihre ehemalige Kinderfrau war anwesend. Sie war vollkommen allein. Endlich! Nach, wer weiß wie vielen Wochen hatte sie es geschafft, all ihren Aufpassern, Dienstboten und Gott weiß wem noch zu entkommen und eine Weile für sich zu sein. Glücklich ließ sie sich auf das breite Bett fallen und schloss ihre Augen. Sie erfreute sich an der Ruhe und lauschte den Stimmen der Tiere, die im Schutze der Nacht aus ihren Höhlen gekrochen waren und die Abwesenheit der Menschen genossen. Alles war so friedlich und harmonisch.

      Bis sie plötzlich etwas hörte, was nicht zu den anderen Lauten passte und was noch schlimmer war, sie spürte, dass sich etwas in ihrer Nähe bewegte. Doch, noch bevor sie schreien konnte, legten sich warme, weiche Lippen auf ihre und verschlossen sanft ihren Mund. Eine ziemlich dreiste Vorgehensweise, wenn man bedachte, wer sie war, doch in diesem Moment vergaß sie völlig, zu denken. Sie öffnete zaghaft ihre Augen und sah in das Gesicht eines jungen Mannes. Für einen kurzen Moment gab er sie frei, grinste sie an und küsste sie dann erneut. Dabei versank sein Blick in ihren Augen. Seine Augen waren die faszinierendsten, die sie je gesehen hatte. Dunkel und unergründlich wie Bergseen, in denen sich der Mond spiegelt. Mit goldenen Sprenkeln, die sie an polierten Bernstein erinnerten. Sie erwiderte seinen Kuss, ohne sich überhaupt


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