Die Vögel. Tarjei Vesaas

Die Vögel - Tarjei Vesaas


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ging es an die Arbeit. Mattis bekam eine Unkrauthacke und folgte den anderen zum Rübenacker. Das Stück Land war übel groß, fand Mattis, kein Ende in Sicht, es erstreckte sich bis zu einer kleinen Anhöhe und verschwand dahinter.

      Mattis fragte den Bauern unwillig:

      »Was willst du denn mit so viel Rüben?«

      Störrisch und unverständig stand er da.

      »Wie? Schon bevor wir angefangen haben?«, fragte der Bauer. Es klang sinnlos, aber Mattis, der Dussel, wusste genau, was gemeint war. Er senkte den Kopf.

      »Kann ich die hier nehmen?«, fragte er hastig, um das Thema zu wechseln. Er deutete auf die Reihen vor seinen Füßen.

      Der Mann nickte.

      »Also, ich denke, du hast bei so einer Arbeit schon mal mitgemacht, Mattis, und weißt, wie viel Abstand zwischen den Pflanzen bleiben muss, die wir stehen lassen?«

      Das musste der Mann wohl sagen, Ausdünnen war eine wichtige Sache, es konnte für die Jahresernte, den Lohn der Mühe entscheidend sein.

      »Klar, ich bin ja fast schon vierzig, also«, entgegnete Mattis. »Nur noch drei Jahre«, fügte er hinzu. Hier galt es, sich zu behaupten. Er war auf seine Antwort ein bisschen stolz.

      »Mag schon sein«, sagte der Mann, »aber ich habe gefragt, was du gelernt hast, wie groß muss der Abstand sein? Zeig doch mal.«

      Mattis gab mit den Zeigefingern ein Maß an. Aufs Geratewohl.

      »Nein«, sagte der Mann, »wer dir das gezeigt hat, versteht nicht viel davon. So gehört das.«

      Mattis duckte sich wieder.

      Das Mädchen und der Junge wechselten einen Blick. Sie hatten sich so hingestellt, dass sie nebeneinander arbeiteten. Mattis bekam zwei Reihen Rüben zwischen dem Mädchen und dem Bauern zugeteilt. Das gefiel Mattis gut.

      »Peng!«, sagte der junge Mann laut. »Los geht’s! Wer ist als Erster drüben am anderen Ende?«

      Und er sah lachend das Mädchen an. Sie lachten einander gern an, die beiden, und schauten sich in die Augen. Mattis hatte schon so einen kleinen Verdacht, seit ihm das aufgefallen war.

      Aber gut, peng, jetzt ging’s los. Mattis machte die anderen nach, wollte ebenso behände sein wie sie. Das Unkraut saß an den Wangen der Rübenreihen und oben auf den Dämmen zwischen den Rüben und überall. Jetzt wurde es ausgerissen und der Sonnenhitze überlassen. Außerdem standen die Rübenpflänzchen wirklich zu dicht, von denen mussten auch viele gerodet werden. All das sollte Mattis rasch und sicher bewerkstelligen, mal mit der Hacke, mal – wenn nicht richtig dranzukommen war – mit den Händen.

      Er war nervös. Wusste nicht wie.

      Bald passierte sicher wieder dasselbe wie sonst, wenn seine Gedanken sich während der Arbeit verwirrten, kreuz und quer gingen, ihn lähmten.

      Kaum hatte er daran gedacht, war es auch schon da: Es fing an mit quer gespannten Fäden an den Fingern, die das Gegenteil von dem taten, was er wollte, und ihn langsamer werden ließen.

      Links von ihm ein Räuspern. Der Bauer war das, über seine Rübenhoffnungen gebeugt, an denen er rasch und zielstrebig arbeitete.

      Sofort war Mattis auf der Hut. Obwohl das noch nichts zu bedeuten hatte. Die Leute räuspern sich ja wohl manchmal einfach so.

      Aber dann wurde Mattis immer nervöser, fummelte zwischen den Schösslingen herum und rupfte die falschen aus. Seine Hacke kriegte er nicht richtig in Schwung, sie war so starr.

      »Die Hacke da bin ich nicht gewöhnt«, sagte er zum Bauern, »der Griff ist zu lang.«

      »Dann lass sie liegen«, sagte der Mann, »mit den Händen geht es genauso gut. Ist sogar ordentlicher.«

      »Gut, dass du das sagst«, meinte Mattis herzlich. Er spürte eine kleine freundliche Unterstützung in dem, was der Bauer sagte, und die konnte er gegen die beiden jungen Leute gut gebrauchen.

      Mit denen hatte er auch gut mitgehalten auf den ersten Metern, schließlich hatte er zehn Finger zum Jäten. Aber die beiden arbeiteten dermaßen schnell nebeneinander. Und es schien ihnen auch noch Spaß zu machen, trotz der beschwerlichen Arbeit. Mattis war längst klar, die waren ein Liebespaar. Das war betrüblich, aber auch schön zu sehen, spannend. So nah war Mattis noch nie einem Liebespaar gewesen, glaubte er.

      Das Mädchen schaute Mattis fröhlich an. Vor ihr brauchte er sich nicht zu fürchten, ihre Augen waren geradezu trunken, so verliebt war sie in den jungen Mann neben sich. Sie lachte bei allem, was er sagte. Endlich drehte sie sich auch mal zu Mattis um, der schon sehnlich darauf wartete. Das tat ihm innerlich so gut, es ließ sich gar nicht sagen. So ein rundes, lachendes Mädchengesicht, voller Freude ihm zugewandt.

      »Gut, dass du mithilfst, auf diesem fürchterlichen Acker kann man jede Hand gebrauchen«, sagte sie. Gutherzig irgendwie. Und Mattis war bereit, es zu glauben, so, wie sie es sagte. Und an sich zu glauben. Mutiger geworden, wollte er das Mädchen mit etwas erfreuen, das er in der Hinterhand hatte.

      »Schon mal was vom Schnepfenstrich gehört?«, fragte er sie. Sie arbeiteten so nahe beieinander, jeder an seiner Reihe, dass er das leise fragen konnte, nur für ihre Ohren.

      Sie antwortete rasch und ohne nachzudenken:

      »Glaub schon. Was denn?«

      »Nichts, nur so.«

      Mattis dachte eigentlich vor allem dies: Jetzt red ich mit einem Mädchen. Und vielleicht ist das nur ein Anfang.

      »Aber direkt bei dir übers Haus sind sie noch nicht geflogen, was?«, fragte er weiter und spürte einen ungewohnt sicheren Halt.

      Das Mädchen schüttelte den Kopf. Und jätete dabei schwungvoll weiter, riss üppig sprießende Ackermelde heraus und warf sie zum Welken auf den Boden. Mattis arbeitete auf seiner Seite nach bestem Vermögen. Und sie unterhielten sich dabei.

      »Aber bei dir gibt es sicher auch keinen Schnepfenstrich direkt überm Haus, denk ich mir«, sagte sie, ohne es böse zu meinen.

      »Wer weiß«, sagte Mattis.

      Innerlich sprudelte es in ihm.

      »Aha, ja.« Das Mädchen war vom Jäten abgelenkt, und von dem jungen Mann neben sich.

      Sie redeten nicht weiter darüber. Mattis fand, er hatte sich sehr geschickt angestellt. Er mochte dieses Mädchen – aber sie hatte ihren Freund neben sich, also sollte er wohl nicht mehr viel mit ihr reden.

      So was wird streng angesehen, wusste er. Nur noch ein klein bisschen mit ihr reden, und dann Schluss.

      »Ich …«, setzte er an, aber der Faden riss ab. Jetzt war der junge Mann da, er kniff dem Mädchen ins bloße Bein. Sofort war sie für Mattis unerreichbar. Als wäre auf dieser Seite von ihr nie wer gewesen.

      Ja, ja, das geht bisschen anders als im Traum, stellte er fest. Aber ist vielleicht am besten, dass das nicht weitergeht, die Leute sehen so was so streng.

      Am schlimmsten war, dass er mit der ganzen Denkerei so viel Zeit verlor – jetzt zogen die beiden Verliebten in ihren Reihen von ihm fort. Gleich waren sie ein gutes Stück voraus, er sah sie von hinten. Mattis schrak zusammen und wandte sich zu dem Mann um. Da erschrak er gleich noch mal: Der Bauer arbeitete an drei Reihen auf einmal. Anfangs hatte er zwei gehabt wie die beiden anderen.

      »Wie kommt das, dass du drei Reihen hast?«, fragte Mattis drauflos.

      »Oh …« Der Mann zögerte. »So ist es leichter zusammenzubleiben – mit einem jedenfalls«, und er rupfte Ackermelde und Hanfnessel, dass es nur so staubte.

      Mattis versuchte nicht weiter, das zu verstehen, sondern beugte sich zu dem Mann hinüber und flüsterte halb:

      »Die zwei da, die sind verliebt, glaub ich. Sieht ganz so aus.«

      Der Mann nickte.

      »Hast du das schon gewusst?«


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