Idole sind weiblich. Christine Dobretsberger
GERD BACHERDer größte Mutmacher in meinem Leben war allerdings mein Vater Gerd Bacher. Ohne ihn hätte ich nie den Mut gehabt, zu allen beruflichen Herausforderungen, die mir reizvoll und interessant erschienen, Ja zu sagen, denn ich bin sehr bescheiden erzogen worden. Dass Gerd Bacher mein leiblicher Vater ist, erfuhr ich erst mit 21 Jahren, aber als wir uns kennenlernten, war das auf beiden Seiten Liebe auf den ersten Blick. Er hat sich sicherlich in sein Spiegelbild verliebt und ich mich in mein großes Ziel.
Ich hatte eine wunderschöne Kindheit, ein sehr harmonisches Elternhaus und zwei sehr liebe jüngere Geschwister. Mein Bruder Wilfried ist Banker und meine Schwester Susi Architektin in Amerika. Wir drei sind nicht nur verwandt, wir sind auch sehr befreundet. Ich bekam eine tolle seelische Ausstattung von zu Hause mit, aber dass ich beruflich einmal etwas Besonderes werden würde, auf diese Idee wäre ich nie gekommen, weil es von daheim nicht gewünscht war, dass man auffällt oder gar sich vordrängt.
Ich war immer ein auf Vermeidung und Ausgleich von Konflikten gerichteter Mensch. Das bin ich heute noch, und das hat seine Ursprünge wohl ebenfalls in der Kindheit. Sowohl meine Mutter als auch mein Großvater waren ziemlich cholerisch, und es war eher gefragt, ausgleichend einzuwirken. Dann lernte ich meinen Vater kennen, der des Öfteren den Kampf bereits aufgenommen hatte, bevor er notwendig war. Er hat mir bis zum Schluss meine Harmoniesucht vorgeworfen. Noch im hohen Alter sagte er: »Ich weiß nicht, von wem du das hast. Die Rosl war eine Kämpferin, ich bin ein Kämpfer, und du mit deiner Harmoniesucht!« Ich selbst würde mich weder als kampfeslustig noch als harmoniesüchtig bezeichnen. Aber wenn ich etwas als richtig und wichtig erkenne, dann setze ich dieses Vorhaben sehr konsequent durch und kämpfe für diese Sache. »Wie eine Löwin«, stand in den Zeitungen über mich, als ich die Festspiele trotz Corona durchkämpfte. Aber ich bin doch sehr anders als mein Vater, dessen Lebensmotto schon auch war: »Viel Feind, viel Ehr.« Er war auch der Einzige, der mit Kreisky »gerauft« hat.
TRAUMBERUF JOURNALISMUSNach unserem Kennenlernen »prüfte« mich mein Vater ein bisschen ab, nach dem Motto: Was weiß meine Tochter, die in Salzburg aufgewachsen ist und nicht in Wien? Gerd Bacher war ein Riesen-Wien-Fan. Ob ich Edmund Husserl kenne, fragte er mich beispielsweise, und dann diskutierten wir über dessen Buch Ideen zu einer reinen Phänomenologie, das damals diskursbestimmend war. Das gefiel ihm. Es war charakteristisch für ihn, dass er in seinem Umfeld großen Wert auf gebildete Menschen legte. Er sagte immer: »Erstklassige Chefs holen sich erstklassige Leute, zweitklassige holen sich drittklassige Mitarbeiter.« Ein Rat, den ich im Laufe meines Berufslebens immer zu beherzigen versuchte. Denn man muss gefordert sein durch seine unmittelbare Umgebung!
Als ich Anfang der 1970er-Jahre beschloss, Journalistin zu werden, war mein Vater überzeugt davon, dass ich es einmal schaffen würde, Chefredakteurin zu werden. Dank seines motivierenden Zuspruchs fand ich es plötzlich auch »normal«, tonangebende Positionen anzustreben. Diesen Mut und die Leidenschaft für eine Sache hat er mir gegeben. Einer meiner Lieblingssprüche von ihm lautet: »Aufhören, wenn es am schönsten ist, ist spießig. Man muss weitertun, wenn es am schönsten ist!«
Die Journalistik war mein Traumberuf. Allerdings musste ich 1983 der Familie zuliebe nach Salzburg zurück, weil es meiner Mutter gesundheitlich nicht gut ging und sie meine Unterstützung im Geschäft benötigte. Diesen Schritt setzte ich ungern. Weil ich im Journalismus so glücklich war und mich die Mode nicht wirklich interessierte. Und weil ich die richtige Vorahnung hatte, dass die räumliche Trennung, Wien–Salzburg, unserer jungen Ehe, nicht guttun würde. »Braves Kindverhalten« nenne ich dieses Verhaltensmuster aus meiner Kindheit. Ich ging nach Salzburg zurück, um meine Mutter nicht zu kränken. Mein Vater nannte das Harmoniesucht. Zum Glück habe ich die Gabe, mein Interesse und meine Leidenschaft für eine Sache zu wecken, sobald ich mich näher mit ihr befasse. So war es auch mit der Mode und der Kauffrau.
TALENT ZUM GLÜCKLICHSEINDass ich Familie und Karriere unter einen Hut bringen konnte, verdanke ich zwei Frauen: meiner Mutter, denn ohne ihre Unterstützung hätte ich mir, wie meine beiden Söhne klein waren, keine Wirtschafterin leisten können. Dafür reichte damals mein Einkommen nicht aus. Und der wunderbaren Elfriede, die 17 Jahre die kompetente, liebevolle, aber auch selbstbewusste Herrscherin im Haus war. Deshalb will ich auch nicht, dass ich in Sachen Kinder und Karriere als Vorbild für andere Frauen bezeichnet werde, denn mir wurde finanziell geholfen. Ich glaube, vielen Frauen ist heute gar nicht bewusst, welchen Vorteil sie haben, dass Kinderkrippen und Kindertagesstätten nicht nur zur Verfügung stehen, sondern mittlerweile auch gesellschaftlich akzeptiert sind. Wir wären damals öffentlich hingerichtet worden, hätten wir ein eineinhalbjähriges Kind in eine Kita gegeben.
Je älter ich werde, desto mehr Freude bereitet es mir, anderen Frauen Mut zu machen. Den Jungen, aber auch den Älteren. Es ist nie zu spät, um glücklich zu sein. Ich bin sicher auch dahingehend eine Mutmacherin, dass ich vorzeige, Frau kann auch mit 70 noch mitgestalten, muss nicht von der Bildfläche verschwinden.
Das Alter wird meiner Meinung nach völlig falsch diskutiert. »Sexy mit 60« wird vorgegaukelt. Das Leben kann Sinn ergeben, gleich welches Alter ich habe, wenn ich daran arbeite. Natürlich wäre ich immer noch gerne 50, aber es bringt nichts, sich über Unabänderliches Gedanken zu machen. Ich hadere nicht mit dem Älterwerden, ich bin einfach so alt, wie ich bin, und fühle mich wohl in meiner Haut. Das ist etwas, das ich gerne den Frauen vermitteln würde: Versucht euch in eurer Haut wohlzufühlen, nicht zu überlegen, was euch fehlt, sondern wertzuschätzen, was ihr habt. Eine Frau, die nicht berufstätig ist, aber eine tolle Familie hat, kann doch aus tiefstem Herzen sagen: Ich war immer sehr wichtig für die Familie. Das ist mindestens so viel wert, als wäre ich in einer Firma Abteilungsleiterin. Und eine berufstätige Frau, die nicht verheiratet ist und derzeit vielleicht auch keinen Lebensgefährten hat, sollte nicht den Fokus darauf legen, dass sie keine Partnerschaft hat, sondern stolz auf ihre Berufslaufbahn sein und darauf, wie fabelhaft sie allein ihr Leben meistert.
Ich denke, dass ich ein gewisses Talent zum Glücklichsein habe, weil ich mich über das freue, was ich weitergebracht habe und nicht eifersüchtig auf die Erfolge und Leistungen anderer Menschen bin. Ich sehe es allerdings als einen gewissen Fehlschlag an, dass ich es nicht geschafft habe, verheiratet zu bleiben. Das empfinde ich als Niederlage. Ich wollte immer die beste Mutter, die beste Ehefrau, die beste Journalistin sein. Die beste Ehefrau war ich ganz offensichtlich nicht, und daran kann nicht nur derjenige schuld sein, der nicht der beste Ehemann war. Aber davon abgesehen freue ich mich einfach über jene Dinge, die in meinem Leben gut gelaufen sind.
»EHRE, FREUDE, AUSZEICHNUNG!«Auf die Idee, in die Politik zu gehen, brachte mich der damalige Präsident der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft Rudolf Sallinger. Ich erinnere mich noch sehr genau an dieses völlig überraschende Angebot. Es war Muttertag im Jahr 1982, mein Mann und ich waren eingeladen. Plötzlich sagte Sallinger beim Essen ganz unvermittelt: »Helga, möchtest du nicht ins Parlament gehen?«, und ich antwortete mit denselben Worten wie Anneliese Albrecht (SPÖ) bei ihrer Angelobung 1979 als Staatssekretärin in der Regierung Kreisky: »Ehre, Freude, Auszeichnung!«
Sallinger erkannte, dass damals die Zeit reif war für Frauen in der Politik. In der Folge begann für mich die sicher arbeitsreichste Zeit meines Lebens. Im März 1983 organisierte ich im Landestheater zum 60-Jahr-Jubiläum der Firma Resmann eine Modeschau mit 24 internationalen Mannequins, bestritt meinen ersten Nationalratswahlkampf und hatte zwei Kinder im Alter von vier und fünf Jahren. Ich weiß rückblickend nicht, wie ich das durchgestanden habe. Wahrscheinlich, weil ich gar keine Zeit hatte, über diese Frage überhaupt nachzudenken. Ja, es war die arbeitsreichste Zeit, aber nicht die härteste, denn ich war getragen von der Zuneigung meiner Familie und der Wertschätzung meiner Umgebung.
PERSÖNLICHE LERNPROZESSEWas für mich der Reiz an der Politik war? Dass man mit so vielen verschiedenen Persönlichkeiten zu tun hat. In der Politik lernte ich am meisten über die Menschen, wobei ich generell immer von jeder meiner beruflichen Stationen viel für die nächste Aufgabe profitiert habe. Ich sehe es als einen Riesenvorteil an, Jus studiert zu haben. Da lernte ich, dass Recht nicht unbedingt Gerechtigkeit ist. Vom Journalismus lernte ich, kurz und prägnant zu formulieren beziehungsweise gründlich zu recherchieren. Audiatur et altera pars – immer auch die andere Seite zu hören.