Idole sind weiblich. Christine Dobretsberger

Idole sind weiblich - Christine Dobretsberger


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mit, Veränderung nicht als Last, sondern als Chance zu sehen. Denn würde sich in der Mode nicht ständig etwas ändern, würde die ganze Branche stagnieren. Und die Politik brachte viele unterschiedliche Begegnungen mit sich, von der Bäuerin im Lungau bis zum Universitätsprofessor in Wien. Aus diesen Gesprächen lernte ich, was für die Menschen wichtig ist. Als Politikerin bekam ich aber auch die Nachteile für uns Frauen zu spüren. Eine Politikerin, die für eine Nationalratsliste kandidiert, gleich für welche Partei, muss allen Frauen gefallen, der städtischen Unternehmerin ebenso wie der Lehrerin oder der Landwirtin – ein Ding der Unmöglichkeit. Kein Mensch käme auf die Idee, dass der Bauernbundfunktionär gleichzeitig den Arzt oder den Hochschulprofessor repräsentieren muss. Wir Frauen müssen offenbar immer diese eierlegende Wollmilchsau sein.

      SALZBURGER FESTSPIELE: HARTE ANFANGSJAHREDie Festspiele lernte ich 1993 als Wirtschaftskammerpräsidentin und Vertreterin des Tourismusförderungsfonds im Kuratorium von innen kennen. Als 1994 ein neuer Präsident gesucht wurde, ermunterte mich mein damaliger Mann, die Politik zu verlassen und die Festspiele zu meiner Lebensaufgabe zu machen. Ich habe tatsächlich alle politischen Funktionen sofort aufgegeben und wurde Präsidentin. Und das erste Mal in meinem Leben fühlte ich starken Gegenwind. Und zwar aus der Politik, wo man meinen Abgang als unverantwortlich abrupt empfand – und aus der Kultur, weil ich keine einschlägige Karriere vorweisen konnte. So wurde mir vorgeworfen, dass ich nicht einmal Klavierspielen könne. In dieser teils sehr kränkenden und sehr öffentlich geführten Debatte trat ein völlig falsches Bild von den Aufgaben des Präsidenten zutage. Doch der Präsident darf keine Konkurrenz zum künstlerischen Leiter sein. Er muss heutzutage Manager sein, Außenminister, Fundraiser.

      Ich reagierte kein einziges Mal auf massive Beleidigungen. Nicht einmal als Gerard Mortier in einer großen deutschen Tageszeitung sagte: »Ich habe das Pech, dass ich eine Dirndlverkäuferin aus der Getreidegasse als Präsidentin habe.« Ich glaubte, persönliche Kränkungen zum Wohle der Festspiele ertragen zu müssen. Heute würde ich anders reagieren. Ich würde sicher weibliche Solidarität in Anspruch nehmen und sagen: Helft mir, denn das passiert nur einer Frau, auf diese Art kritisiert, ja herabgesetzt zu werden. Diverse Leute, natürlich alles Männer, die sich bereits als Präsidenten sahen, legten mir nahe, zurückzutreten. Ich sah mich aber auf einem guten Weg. Ich zog erstmals große Sponsoren und Mäzene an Land und baute eine starke Beziehung zum Publikum, insbesondere dem Verein der Freunde der Salzburger Festspiele, auf.

      Heute blicke ich auf 25 Jahre Präsidentschaft zurück und kann, wenn ich mit Lob überschüttet werde, nur lachend kommentieren: Ich bin nicht so gut, wie ihr mich jetzt darstellt. Aber ich war auch nie so dumm, wie manche mich damals gemacht haben. Jeder Führungspersönlichkeit, ob männlich oder weiblich, rate ich: Du darfst in der Niederlage nicht den Mut verlieren und im Sieg nicht überheblich werden. Schlechte Zeiten, gute Zeiten, wir müssen beides bewältigen. An der Spitze eines Unternehmens bist du nicht nur für dich, sondern für alle deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verantwortlich.

      KUNST DER DIPLOMATIEJohn Naisbitt, der Megatrend-Forscher der 1980er-Jahre, schrieb damals – allerdings ohne allzu großes Echo in der Wirtschaftsrealität –, der Manager der Zukunft müsse weiblich sein: »Just like a woman«, weil wir Frauen flexibler und lernfähiger seien. Ich bin überzeugt, er hat recht. Wir Frauen besitzen die Gabe, heterogene Milieus zusammenzubringen. Das beginnt schon in der Familie. Es ist die Ehefrau und Mutter, die es schafft, am heimischen Mittagstisch den pubertierenden Sohn, die grantelnde Schwiegermutter, den wortlosen Ehemann zusammenzubringen, ohne dass es zu Mord und Totschlag kommt. Für sie ist es geradezu ein Kinderspiel, eine heterogene Gruppe in einem Betrieb zu steuern.

      Auch als Festspielpräsidentin war es oft genug gefragt, ausgleichend einzuwirken. Bis heute bin ich sehr froh darüber, dass es mir in der Ära Mortier gelungen ist, das damals sehr angespannte Verhältnis zwischen ihm und den Wiener Philharmonikern zu kitten. Es war so strapaziert, dass es auf der Kippe stand, ob sich die Philharmoniker ganz aus Salzburg zurückziehen und in Wien im Sommer ein eigenes Festival ins Leben rufen. Letztlich konnte ich die Philharmoniker mit dem Argument überzeugen, dass es ohne sie zwar Festspiele in Salzburg gäbe, aber dies sicher nicht die weltberühmten Salzburger Festspiele wären. Dass sie unser künstlerisches Herz sind, die Festspiele aber auch ein Teil ihrer Identität.

      KRAFT VON KUNST UND KULTURDie Grundidee der Festspiele – Kunst als Friedensbringer – wieder in den Vordergrund zu rücken, war und ist mir in dem Vierteljahrhundert meiner Präsidentschaft ein besonderes Anliegen. Diese gesellschaftspolitische Mission wurde in den vorangegangenen Jahrzehnten zu wenig thematisiert. Die Salzburger Festspiele wurden nach dem Ersten Weltkrieg »als eines der ersten Friedensprojekte« (O-Ton Max Reinhardt) gegründet. Aber auch um Österreich, das vom Europa umspannenden Habsburgerreich »zum vergleichsweise winzigen Rest geschrumpft war«, wieder ein Selbstverständnis, eine Identität zu geben. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es dann eine der ersten Taten von US-General Mark Clark, US-Hochkommissar für Österreich von 1945 bis 1947, bereits für August 1945 wieder Festspiele in Salzburg einzufordern, obwohl die Stadt noch in Schutt und Asche lag. Es sollte ein »Beweis dafür sein, dass die gemeinsame Arbeit der österreichischen Bevölkerung und der Vereinten Nationen ein freies, unabhängiges Österreich wiederherstellen wird.«

      Diese historische Komponente finde ich großartig und bedauere es, dass unser 100-Jahr-Jubiläum 2020 aufgrund der Corona-Krise nicht so stattfinden konnte, wie wir es ursprünglich geplant hatten. Umso wichtiger war es mir, mit den modifizierten Festspielen ein Zeichen für die Kraft der Kunst in schweren Zeiten zu setzen. Man kann nicht oft genug betonen: Nicht nur Handel, Tourismus oder Gastronomie sind systemrelevant, Kunst und Kultur sind das ebenfalls! Kunstschaffende werfen mit ihren Werken Fragen auf, regen die Menschen zum Nachdenken an, was ich gerade in unserer schnelllebigen Zeit so wichtig finde. Ich war ein großer Fan von Nikolaus Harnoncourt, der den schönen Satz sagte: »Wenn wir Künstler gut sind, dann gehen die Menschen anders aus einer Aufführung hinaus, als sie hineingegangen sind.«

      VON MOZART BIS NONOMozart ist mein Lieblingskomponist. Seine Musik spiegelt alle menschlichen Regungen und Seelenzustände wider: Liebe und Eifersucht, Rachsucht und Vergebung, Freude und Unglück. Ich höre fast nur klassische Musik, wobei ich es mit Leonard Bernstein halte. Der wollte den Graben zwischen U-Musik und E-Musik zuschütten, denn es gibt nur gute und schlechte Musik. Mir gefällt auch die neue Form des Wienerliedes, wie sie Ernst Molden erdichtet und komponiert. Oder die herrlichen Chansons meines Freundes André Heller. Und auch bei der Musik gilt, was ich zuvor schon betonte: Je mehr ich mich mit etwas beschäftige, desto besser gefällt es mir. Markus Hinterhäuser hat mir die Ohren für Luigi Nono, für Sofia Gubaidulina und für Galina Ustwolskaja geöffnet.

      MAX REINHARDT: »… DASS ES ZUMINDEST EBENSO VIEL BEDEUTET, KÜNSTLERISCHE DINGE ZU VERWIRKLICHEN, WIE SIE ZU ERSINNEN«Ich war sehr gerührt, als ich den Brief von Max Reinhardt an Franz Rehrl, Landeshauptmann von Salzburg von 1922 bis 1938, in Händen hielt. Rehrl verdankt die Festspielhausgemeinde ihr Überleben, weil er das ökonomische Potenzial einer großen Kulturveranstaltung für Stadt und Land Salzburg erkannt und Pionierarbeit in Sachen Finanzierung geleistet hat. Rehrl war es auch, der in einer sehr antisemitisch geprägten Zeit den Platz vor dem Festspielhaus Max-Reinhardt-Platz nannte, obwohl er dafür als christlich-sozialer Politiker keine Lorbeeren erntete. Dies wusste Max Reinhardt zu würdigen, ließ für Rehrl, den »Schutzpatron der Festspiele«, eine Büste anfertigen und schrieb, »dass es zumindest ebenso viel bedeutet, künstlerische Dinge zu verwirklichen, wie sie zu ersinnen«. Ich würde mir nie anmaßen, das zu sagen, aber letztlich ist es meine Aufgabe, in finanzieller Hinsicht dafür zu sorgen, dass der Intendant möglichst viele seiner ersonnenen künstlerischen Ideen realisieren kann.

      MUTIGSTE ENTSCHEIDUNGDas Haus für Mozart bauen zu lassen, war sicher meine mutigste Entscheidung. Die allgemeine Meinung lautete damals, das wäre zu kostspielig. Aber hätte ich 2003 dieses Bauprojekt nicht durchgesetzt, wären wir heute in einer verheerenden Situation. Dieses Vorhaben war sehr schwer zu erkämpfen und gleichzeitig einer meiner größten Sponsoring-Erfolge. Von den Gesamtkosten von über 36 Millionen Euro brachten die Festspiele 40 Prozent selbst auf, was für einen Kulturbetrieb eine enorme Summe ist.

      KEIN TALENT ZUR FRUSTRATIONMein


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