EUPHORIA Z. Luke Ahearn

EUPHORIA Z - Luke Ahearn


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      Seine erste Reaktion war, ihr helfen zu wollen, doch sie bedrängte ihn. Er stolperte rückwärts, während sie näherkam. Sie drang in sein Haus ein, und das schmeckte ihm nicht. Er stieß sie mit beiden Händen davon, sodass sie rücklings umkippte und mit dem Hinterkopf auf die Treppen knallte. Danach bewegte sie sich nicht mehr.

      Zunächst hatte er vor, jemanden zu verständigen, während er sich eine Unfallgeschichte zurechtlegte. Aber egal, wen er anrief, niemand ging ans Telefon. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie tot war, schleifte er sie auf den Rasen seines Nachbarn. Das Arschgesicht stellte seine Mülltonnen ständig in Jaspers Auffahrt, also wollte er herausfinden, wie es ihm gefiel, eine Leiche auf seinem Grün liegen zu haben.

      Jetzt kicherte er, als er sich daran zurückerinnerte, während er durch die Straße marschierte und dabei schwitzenden, grinsenden Wichsern auswich. Er hatte zwar seine Tabletten nicht bekommen, dafür aber ein paar Köpfe brechen können, jedoch nicht, ohne selbst einen Schlag ins Gesicht abzubekommen. Ein muskulöser junger Mann hatte ihn so übel erwischt, dass er gegen eine Wand geprallt und auf dem Pflaster niedergegangen war. Dort hatte er stundenlang bewusstlos gelegen, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre.

      ***

      Jaspers Kiefer tat weh, der Schmerz kam in heftigen Schüben. Nun, da er zu sich gekommen war, ballte er die Fäuste so fest, dass er sich mit den Fingernägeln in den Handballen schnitt, um der Qual Herr zu werden. Er stöhnte und unterdrückte einen Schrei. Der Knochen war bei dem Treffer ausgerenkt worden, jetzt spürte er nichts als intensiven Schmerz. Sein Kopf stand schief, und er verschluckte sich an metallisch schmeckendem Blut, das ihm fortwährend in den Rachen lief. Er stöhnte und wimmerte, als er es mit mehreren Zähnen ausspuckte. Seit Jahrzehnten hatte er nicht mehr das Bedürfnis zu weinen verspürt, nicht einmal während des Krieges auf dem Schlachtfeld.

      Der Beton war kalt und rau. Er blieb liegen, während die Menschen an ihm vorbei gingen oder tanzten. Ein Passant stolperte über seinen Fuß und fiel auf ihn. Das tat so weh, dass er wieder ohnmächtig wurde.

      ***

      Später – er lag immer noch auf dem Gehsteig – war die Temperatur bis knapp über den Gefrierpunkt gesunken. Er befand sich in einem mal mehr, mal weniger bewussten Dämmerzustand, während das Treiben ringsum munter weiterging. Nach einer Weile streckte er sich und befühlte seinen Kiefer. Heiliger Strohsack, er war gebrochen, und zwar so richtig: Der Knochen war am Kinn fast komplett gespalten. Als er ihn abtastete, erkannte er, dass er sich in seinen Rachen geschoben hatte. Er spürte, dass die andere Hälfte des Kiefers weit aus seinem Gesicht hervorstand, sodass Zähne und Knochen vom Kinn aufragten.

      Als er zu lächeln versuchte, kratzte ein Teil an seinem Gaumen. Er dachte an den jungen Mann, der dies zu verantworten hatte. Er fühlte sich an seinen Militärdienst erinnert, denn damals hatten er und seine Kameraden oftmals Fremde vermöbelt, einfach so zum Scherz. Der junge Kerl vorhin hatte ihm gehörig die Hucke vollgehauen. Er stand auf, wobei er sich recht glücklich und heiter fühlte, um sich auf die Suche nach dem Verantwortlichen zu machen. Er wollte ihm die Hand schütteln und ihn in die Arme nehmen, vielleicht auch wieder mit ihm auf Tuchfühlung gehen. Dann – dessen war er sich sicher – würde er ihn besiegen.

      Jasper schlurfte davon, freudiger als je zuvor, und vollführte einen kleinen Tanz. Beim Überqueren der Straße wurde er von einem Auto angefahren, das ihn mehrere Fuß hoch in die Luft schleuderte. Er fiel unsanft auf den Asphalt, wobei er sich sämtliche Knochen brach. Seine Glieder waren verdreht, Knochen stachen durch Haut und Stoff wie weiße Dolche. Er verlor viel Blut, das eine Lache auf der Straße bildete, wo er lag. Als er versuchte, sich zu erheben, konnte er nichts bewegen außer seinem Kopf. Er strengte sich erbitterter an und wünschte sich dabei, weiter tanzen zu dürfen. Die Lache breitete sich aus, und irgendwann legte Jasper seinen Kopf endlich hin. Während der letzten Augenblicke seines Lebens hörte er nicht auf zu grinsen.

      - 1 -

      Der alte Mann tauchte plötzlich vor seinen Scheinwerfern auf, weshalb er ihm nicht mehr ausweichen konnte. Er knickte vor dem Kühler ein und knallte mit dem Kopf auf die Motorhaube, dass es laut polterte, ehe er erstaunlich weit flog. Als er am Boden aufschlug, rollte er sogar noch ein Stück. Zu dem Zeitpunkt, als Cooper auf die Bremse trat, war es schon viel zu spät. Der Wagen stoppte mit quietschenden Reifen, gleichzeitig, da der alte Mann auf dem rauen Asphalt vor ihm liegenblieb.

      Cooper wurde speiübel, als er ihn im Kegel seiner Scheinwerfer liegen sah. Er war sich sicher, dass der Alte infiziert war, aber es handelte sich immer noch um ein menschliches Wesen. Der Unfall schlug sich unerwartet emotional nieder. Der Motor brummte im Leerlauf, während Cooper überlegte, was er tun sollte. Sekunden vergingen. Er widerstand dem Drang, in Tränen auszubrechen, und handelte gegen seine Instinkte, die ihn dazu trieben, auszusteigen und dem Mann zu helfen. Das hätte er sofort getan, wären da nicht die Infizierten rund ums Auto, die eine Orgie feierten.

      Cooper spürte, wie es schaukelte, und hörte leise die Aufhängung quietschen. Er griff zum Rückspiegel und hielt die Quaste seiner Studentenmütze fest, damit sie nicht pendelte, ehe er sie endgültig abnahm. Der Wagen geriet heftiger ins Wanken, als die Zahl der Menschen zunahm, die sich dagegenstemmten.

      Vor ihm überquerte eine weitere große Gruppe die Straße auf dem Weg in die Innenstadt. Der alte Mann hob seinen Kopf an und legte ihn wieder nieder, bevor der Mob die Sicht auf ihn gänzlich verwehrte. Der Alte schaute sich einfach nur um, er zuckte nicht vor Schmerzen und legte keine andere Regung als Freude an den Tag.

      Gut, war er also infiziert, schlussfolgerte Cooper und tröstete sich damit, dass der Kerl nicht litt. Nun bewegte er sich auch nicht mehr, was bedeutete, dass er tot sein musste. Das Einzige, was die Infizierten davon abhielt, sich zu rühren, war eine schwere Verletzung, die es körperlich unmöglich machte – oder der Tod. Es gab nichts, was Cooper hätte tun können.

      Gerade als er den Schaltknüppel wieder in Fahrstellung brachte, knallte ein Körper auf seine Motorhaube. Eine nackte Frau drückte ihre fülligen Brüste gegen die Windschutzscheibe. Sie war hübsch, aber nur einen Sekundenbruchteil lang reizvoll, denn mehrere Rippen hatten sich durch die Haut gebohrt und ragten aus ihrem Leib hervor. Auf sie starrte Cooper, während sie am Glas kratzten wie lange, gebrochene Finger. Aus den Wunden quoll eine Menge Blut, mit dem sie die Scheibe verschmierte. Allein das Zuschauen tat bereits weh. Er grübelte nach einer sanften Art, sie vom Auto zu schaffen, als ihm eine Bewegung auf der Beifahrerseite auffiel. Ein Mann, der seltsamerweise Jeans und T-Shirt trug, glotzte ihn an und grinste dabei schauerlich.

      Ein kräftiger Ruck lenkte Coopers Aufmerksamkeit wieder auf die Haube. Ein nackter, schlaksiger Teenager hatte die sich rekelnde Frau bestiegen. Aus seinem Mund floss Blut, da seine Unterlippe abgebissen worden war, und ein Teil seiner Kopfhaut fehlte. Er lächelte und versuchte wohl, irgendwie Geschlechtsverkehr mit der Frau zu haben. Sie strahlte immer noch und ließ ihren Oberkörper kreisen.

      Cooper schaute erneut zu dem Mann auf der Beifahrerseite und bekam vor Schreck Herzklopfen, denn nun blickte er in die Mündung einer großen Pistole, die genau in sein Gesicht zielte. Über Gelächter, lüsterne Schreie und den Lärm der Meute hinweg hörte er ein entsetzliches Klicken, doch der Schlagbolzen traf auf eine leere Kammer. Der Mann drückte noch einmal ab, aber Cooper gab bereits Gas: Er lenkte ruckartig ein, um das Paar von seinem Wagen zu werfen. In diesem Moment änderte sich auch seine Einstellung; die Wirklichkeit dieser neuen Welt wurde ihm bewusst, und sein Herz verhärtete sich. Scheiß auf alle anderen, ich wäre fast draufgegangen.

      Er raste nach Hause und sperrte sich ein. Cooper, der ansonsten gelassen und selbstbewusst war, fühlte sich erschüttert, doch so ging es jedem vernünftigen, nicht infizierten Menschen. Ruhig sitzenzubleiben, fiel ihm schwer. Adrenalin rauschte immer noch durch seine Adern. Er hielt sich an der Stange fest, die er in den Rahmen seiner Zimmertür geklemmt hatte, und machte so viele Klimmzüge, wie er schaffte, um die Anspannung abzubauen. Seine Arme taten weh, verkrampft von der Anstrengung, doch er kam sich weiterhin aufgedreht vor. Er hatte es sich während seiner Zeit auf der Highschool angewöhnt Sport zu treiben, um runterzukommen oder Ängste zu überwinden. Da es ihm in erster Linie darum ging, in Form zu bleiben, und weniger um die Tätigkeit an sich, war er im Gegensatz zu vielen seiner Freunde nie


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