Lustige Läufer leben länger - oder zumindest besser. Ulrich Knoll
ist das ganz einfach. Ich habe mir über Jahrzehnte tatsächlich jeden Lauf kurz aufgeschrieben, mit ungefährer Länge, Zeit und in etwa stimmiger Punktzahl. Dabei war ich nicht zu pingelig, habe jedoch immer darauf geachtet, auf die 30 Punkte Minimum pro Woche zu kommen, am besten etwas mehr. Ich kann also noch heute, nach 40 Jahren Laufen und gelegentlichem Radfahren und seltenerem Schwimmen jede einzelne Laufleistung nachvollziehen. Das liest sich dann in meinem eigenen Punktesystem in etwa so:
15.08.1978: | Schwarzenfurther Runde | |
ca. 5,6 km, | 27 Minuten | 18 Punkte |
17.08.1978: | 2 x Schwarzenfurther Runde | |
ca. 11,2 km, | 59 Minuten | 32 Punkte |
19.08.1978: | 16 Sportplatzrunden | |
6,4 km | 31 Minuten | 20 Punkte |
Es ging und geht mir gar nicht um die immer völlig richtige Punktzahl, es geht mir um das Gesamtsystem, das zumindest bei mir persönlich zur Laufdisziplin beigetragen hat. Ich verstehe jeden, der sagt, das sei ja vollkommen bekloppt und ein bürokratischer Wahnsinn oben- drein.
Mir selbst sagt dieses System zu. Es ist unkompliziert, man kann seine Leistung einschätzen und einordnen, man erkennt, ob man seine Ziele erreicht hat. Man kann es auf andere aerobe Sportarten übertragen, egal ob Gehen, zügiges Wandern, Bergwandern, Radfahren oder Schwimmen. Man muss das nur für den Eigenbedarf definieren. Selbst wenn man mich für völlig durchgeknallt hält: Es macht mir noch heute ab und zu Spaß nachzuschlagen, wo ich wann in den letzten 40 Jahren gelaufen bin, wie das Wetter war oder ob sonst irgendetwas beim Laufen passiert ist. Denn in Stichpunkten habe ich mir das ebenfalls 40 Jahre lang notiert. Das habe ich nie als großen Aufwand betrachtet.
Hinzu kommt, dass man sich beim Aufbau längerer Strecken sowieso ein System welcher Art auch immer zurechtlegen sollte, um langsam voranzuschreiten, nichts zu übertreiben und gesundheitlich keinesfalls etwas zu riskieren. Dazu gibt es in der Laufliteratur natürlich auch andere Listen mit Zeiten und Streckenlängen, zum Beispiel beim Aufbautraining für einen Marathon.
Und damit endgültig genug mit Zahlen, Systemen und Tabellen, denn wie gesagt, ich bin mir bewusst, dass diese nerven können.
Mein erstes Jahr als neuer Ausdauerläufer neigte sich dem Ende zu. Ich lief ziemlich regelmäßig meine Runden auf meinen Lieblingsstrecken oder, seltener, auf dem Sportplatz, fühlte mich fit und freute mich, dass das erst vor ein paar Monaten entdeckte Laufen kein Strohfeuer war, sondern dass ich es im Alltag richtig zu schätzen gelernt hatte und es weiter betreiben würde.
Ich machte eine kleine Bestandsaufnahme. Drei wichtige Impulse aus verschiedenen Ecken hatte ich zu Beginn meines Läuferlebens erhalten. Kamen sie zunächst auch unterschiedlich daher, so hatten sie doch einen gemeinsamen Nenner: Gesundheit und Fitness. Der regionale Laufpapst Dr. Laubmann verkörperte für mich den unkomplizierten Ratgeber und Praktiker mit dem simplen Motto „Geh raus, laufe und genieße es“, dann wirst du die positiven Effekte der Bewegung schon spüren und das Laufen wird dir Spaß machen. Dr. van Aaken verkomplizierte alles ein wenig. Der gesundheitliche Nutzen, nicht die reine Freude am Laufen stand im Vordergrund. Dr. Cooper schließlich versuchte ebenfalls, das Laufen vom Nutzeffekt her zu sehen, und er hatte mich gelehrt, das Läuferische etwas systematischer zu betrachten.
Alle drei beeinflussten mich, alle drei gaben mir etwas mit, doch was mir das Laufen am sympathischsten machte, waren das Kombipack aus Freude an der Bewegung und an der Natur einerseits und die Feststellung und das Bewusstsein andererseits, dass ich mir damit auch körperlich etwas Gutes getan hatte. Dass ich mir darüber damals jeweils kurze Notizen machte, und das noch weitere vierzig Jahre tun sollte, war eine andere Sache.
Ich lief und versuchte immer wieder einmal auf den Runden kleine, subjektive Rekordmarken zu setzen. Ab und zu gelang mir das, aber meistens handelte es sich nur um die Einsparung von ein paar Sekunden und war im Grunde ein eitles, blödsinniges Unterfangen. Aber wie ich im Laufe des Läuferlebens feststellen durfte: Das geht vielen Läufern so, den schnellen, verbissenen und dynamischen sowieso, den reinen Genussläufern hin und wieder. Einen richtigen persönlichen Ehrgeiz entwickelte ich in dieser Hinsicht jedoch nicht, genauso wenig wie mir damals daran lag, die Laufstrecken entscheidend zu verlängern. Ich lief meine Runden, mal etwas mehr, mal etwas weniger, ging heim, duschte, fühlte mich hervorragend, und das war’s.
Der Herbst verging, die Tage wurden kürzer und es wurde kälter. Das mochte für Läufer in den großen Städten und den meisten Regionen in Deutschland kein Thema sein, in Nordostoberfranken konnte es zu einem werden, da es dort in den Mittelgebirgen oftmals eisig kalt wurde. Minus 20 Grad waren immer wieder einmal an der Tagesordnung, „bayerisch Sibirien“ eben.
Zunächst war das Wetter noch kein richtiges Problem. Irgendwann im Dezember lief ich zum ersten Mal auf Schnee und das war eine wunderbare Erfahrung. Es gibt kaum etwas Schöneres für einen an der Natur begeisterten Läufer, als allein in der Stille des Waldes auf einer dünnen Neuschneedecke zu laufen. Man schnürt dahin und ist mit der Welt im Reinen.
Doch das Wetter verschlechterte sich in jenem Jahr täglich, es wurde richtig eiskalt. Der Boden war dick gefroren, die Laufwege waren tief zerfurcht, Nebenstraßen waren spiegelglatt. Das Laufen wurde fast unmöglich, ohne das ständige Risiko einer Verletzung einzugehen. Auf den Hauptstraßen zu laufen war nur bedingt eine Alternative. Als die Schneeberge, die die Straßenräumfahrzeuge entlang der Straßenseiten häuften, immer höher wurden, war es nur noch riskant. Nicht immer nahmen die Autofahrer damals auf Läufer Rücksicht, sondern preschten einfach knapp an ihnen vorbei. Zudem sind die Tage im Winter kurz und manchmal konnte ich arbeitsbedingt nur gegen Abend laufen, was wegen der Sichtverhältnisse noch gefährlicher war, Stirnlampe und Reflektoren an den Armen und Beinen hin und her. Ich suchte nach Alternativen zum Laufen und fand sie einerseits im Skilanglauf, andererseits auf dem Hometrainer.
Skilanglauf fand ich großartig. Ihn zu betreiben war allerdings mit Aufwand verbunden, musste ich doch jedes Mal ins Umland zu einer Loipe hinausfahren oder mir selbst eine Spur legen. Sportstudios, wie sie nunmehr seit Jahrzehnten üblich sind, gab es noch kaum und die wenigen, die es gab, waren trostlos und ich mochte die Atmosphäre dort nicht. Also kaufte ich mir einen Hometrainer, ein Standfahrrad, und fuhr darauf herum, eine langweilige Angelegenheit, die ich nur durchhielt, weil ich gleichzeitig beim Treten leichte Zeitungslektüre oder Comics las.
So überbrückte ich den langen Winter und gab die sportliche Betätigung nie ganz auf. Schließlich wollte ich im Frühjahr nicht wieder mühsam von vorn beginnen. Ich freute mich auf den nächsten Frühling und auf neue Lauferlebnisse und wusste, dass diese zuverlässig kommen würden.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.