Stilwechsel und ihre Funktionen in Textsorten der Fach- und Wissenschaftskommunikation. Группа авторов

Stilwechsel und ihre Funktionen in Textsorten der Fach- und Wissenschaftskommunikation - Группа авторов


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als in Wissenschaftstexten, die sich dezidiert an ein Fachpublikum richten (Fachtexte). Diesen an sich naheliegenden Zusammenhang bestätigen die Analyseergebnisse von Petkova-Kessanlis (2017) zur wissenschaftlichen Textsorte „Einführung“ (in ein bestimmtes linguistisches Gebiet): Der Einsatz von Stilwechseln dient der sozialen Differenzierung, da der Textproduzent von Einführungen nicht in erster Linie als Teil der Wissenschaftlergemeinschaft agiert, sondern darum bemüht ist, eine „Nähe-Beziehung“ (ebd.: 179) zur Adressatengruppe der Studierenden herzustellen, d.h. den Wissenstransfer den Rezeptionsmöglichkeiten einer Zielgruppe mit geringerem Wissensstand anzupassen (vgl. ebd.). Man kann darüber streiten, ob solche Stilwechsel wirklich zum Textmuster(wissen) linguistischer Einführungen gehören, wenn sie aber auftreten, weichen die Texte spürbar vom üblichen Wissenschaftsstil (mit dort beobachtbaren konventionellen Stilwechseln wie z.B. auf bestimmte Art und Weise Zitieren oder Exemplifizieren) ab; anhand ausgewählter Beispiele stellt Petkova-Kessanlis (ebd.: 181–186) als einführungs-typische Stilwechsel das Zitieren (auch aus nicht-wissenschaftlichen Texten), das Markieren von Übergängen und von Wechseln zwischen Alltagssprache und Fach‑/Wissenschaftssprache (z.B. bei der Einführung neuer Termini) als Realisierung des Musters Akademischmachen, das Simplifizieren (Reduktion von Fachsprachlichkeit durch geringere semantische und syntaktische Komplexität), das Dialogisieren, das Wechseln der Interaktionsmodalität und das Wechseln der Stilebene (insbesondere zugunsten umgangssprachlicher Ausdrücke) heraus.2 Generell kann man in solchen – meist allerdings nur sporadisch verwendeten und dadurch umso auffälligeren – Stilwechseln aufmerksamkeitssteigernde und durch das Anschaulich‑ und Lebendigmachen von Inhalten rezeptionsfördernde und verständniserleichternde Strategien sehen und sie als Phänomene des Übergangs von einem fachwissenschaftlichen zu einem fachdidaktischen Stil verstehen.

      1.4 Textmuster‑ und Stilwandel

      Fasst man wissenschaftliche Darstellungsformen wie Einführung bzw., allgemeiner, Monographie als Textsorten auf, lässt sich aus den Anforderungsprofilen mehrdimensionaler bzw. holistischer Modelle für die Untersuchung von Textsorten ableiten, dass auf der Ebene der Formulierung bzw. Formulierungsadäquatheit u.a. auch die stilistischen Handlungsmuster relevant sind, soweit sie für den Handlungstyp charakteristisch sind (vgl. etwa Sandig 2006: 489); sie gehören zum Textmuster(wissen) und zeichnen – bei konventioneller Textgestaltung – die Exemplare der jeweiligen Textsorte insofern als prototypisch aus, als sich auf der Ebene der Formulierung Musterhaftes zeigt: Dazu zählen neben typischen lexikalischen Mitteln und syntaktischen Strukturen auch Formulierungsmuster und Gestaltungsweisen, kurz: alle für die Textsorte charakteristischen sprachlichen Mittel und Strukturen, „die zusammen den charakteristischen Stil eines Textmusters ausmachen“ (ebd.: 499). Die damit bei Sandig (ebd.: 481 u. ö.) als „Textmusterstil“, in sonstiger textlinguistischer Tradition meist als „Textsortenstil“ bezeichnete Ebene meint den „charakteristische[n] Zusammenhang von Handlungsbereich, Sprecher/Rezipient(‑Beziehung), Kanal, evtl. Medium, Handlungsqualitäten und Sequenzpositionen einerseits mit Formulierungseigenschaften andererseits“ (Sandig 1996: 363). Dieser Zusammenhang stellt deswegen eine wesentliche Facette der Beschreibung von Textsorten dar (vgl. dazu z.B. Krieg-Holz 2017), weil (nur) dabei der Spielraum für die zwischen Typisieren und Unikalisieren changierende Gestaltung einzelner Textexemplare fassbar wird und weil er eine geeignete Angriffsfläche für die Beschreibung und Erklärung des Wandels (sprich: der Historizität) von Textmustern bzw. Textsorten bietet. Insofern kann auch im Hinblick auf die Ebene der Formulierungsadäquatheit von „Stilwandel“ gesprochen werden, d.h. von einem „Textmusterwandel mit der je konventionellen Variationsbreite bei der Musterrealisierung“ (Sandig 1996: 370) infolge veränderter soziokultureller Bedingungen.

      2 Stilwechsel im synchronen Vergleich von Grammatik-Darstellungen

      2.1 Zielgruppenidentische Grammatik-Darstellungen

      Auffällige Unterschiede in der Art der Handlungsdurchführung lassen sich auf der Grundlage eines exemplarischen Blicks auf Grammatik-Darstellungen, die sich an ein breites und unter Umständen grammatisch nicht oder nur in Teilen versiertes Publikum richten, nicht ohne Weiteres ausmachen, d.h. bei Stilwechselphänomenen scheint es sich eher um eine Randerscheinung zu handeln. Anders ausgedrückt: Grammatik-Texte erscheinen und wirken stilistisch – mehr oder weniger – einheitlich und homogen. Umso mehr allerdings springen (Teile von) Darstellungen ins Auge, in denen Stilwechsel vergleichsweise häufig als Gestaltungsmittel genutzt werden; wir verdeutlichen diese Form stilistischer Heterogenität an ausgewählten Belegen aus Musan (2009), Heringer (2013) und Habermann u.a. (2015), d.h. an drei für den Einsatz in der Hochschullehre konzipierten und speziell an Studienanfänger gerichteten Grammatik-Einführungen:1

       (1) Wir müssen also höllisch aufpassen. (Musan 2009: 14)

       (2) Die Grundidee klingt glasklar. (Musan 2009: 15)

       (3) Eine rein flexivische Basierung müsste vieles in einen Topf werfen, […]. […] Man muss nicht gerade böswillig sein, […]. (Heringer 2013: 15)

       (4) Häufiger als Modalverben […] ist in Lehrplänen Modalität auf dem Tapet. (Heringer 2013: 47)

       (5) Aber über die Frage, ob es die Nutella oder das Nutella heißt, sollen schon ganze Beziehungen zu Bruch gegangen sein. (Musan 2009: 15)

       (6) Die Bausteine zwischen Wort und Satz, zwischen Himmel und Erde sozusagen, heißen Satzglieder. (Habermann u.a. 2015: 53)

       (7) Das wäre so, als würde man jemandem, der zu einer Party Chili con carne mitbringt, nach dem ersten Löffel sagen, das sei aber eine grottenschlechte Pizza. (Musan 2009: 37)

       (8) Wenn Sie meinen, dies sei immer der Fall, dann irren Sie sich. (Habermann u.a. 2015: 112)

       (9) Es ist sehr wichtig, dass Sie sich spätestens an dieser Stelle noch einmal klar machen, […]. (Musan 2009: 24)

       (10) Angesichts der Daten oben haben Sie sich sicher schon gefragt, […]. (Musan 2009: 29)

      In diesen und ähnlichen Fällen liegen unterschiedliche Arten von Stilwechseln vor: Wechsel der Stilebene durch Verwendung umgangs‑­ bzw. alltagssprachlicher Ausdrücke und Wendungen (Beispiele 1–4), Illustration an alltagsnahen Vergleichen (Beispiele 5–7) und direkte Rezipientenansprache (Beispiele 8–10). Man kann solchen Darstellungsweisen, zumal sie sich bei der Lektüre längerer Textpassagen in der Regel spürbar vom jeweiligen Kotext und vom konventionellen Grammatikwissenschaftsstil abheben und dadurch auffallen, zweifellos vergleichbare Stilwirkungen und Funktionen zuschreiben, wie sie von Petkova-Kessanlis (2017) an Beispielen auch aus anderen linguistischen Einführungen diagnostiziert worden sind: das Bemühen darum, die Texte für die Zielgruppe attraktiver zu machen, anschaulich und verständlich zu sein (und zu bleiben), die Informationsmenge den Wissensbeständen und ‑voraussetzungen der Leser anzupassen und so eventuell auch auf eine Reduzierung kommunikativer Distanz hinzuwirken, kurz: die Aufmerksamkeit zu steigern und die Rezeptionsbereitschaft zu fördern.

      So sehr es – im Sinne der knappen Vorbemerkungen – einleuchtet, dass Grammatik-Texte in besonderem Maße auf attraktivitätsförderndes Gestalten angelegt sein müssten, und so sehr sich dieser Eindruck auch im Blick auf die Häufigkeit und Intensität, mit der Stilwechsel in den drei genannten Darstellungen auszumachen sind, unweigerlich aufdrängt, so sehr bedarf es doch detaillierter Untersuchungen auf breiterer Materialbasis, um auszuschließen, dass es sich um individualstilistische Gestaltungsweisen und ‑vorlieben handelt, und um dem Eindruck entgegenzuwirken, dass an einzelnen Darstellungen beobachtbare Phänomene charakteristisch für Darstellungen im gesamten Sachverhaltsbereich „Grundwissen über deutsche Grammatik“ sein könnten (vgl. dazu Abschnitt 2.2). Vergleicht man etwa die Grammatikdarstellungen von Heringer (1989a, 1989b und 2013), fällt oft auf, dass als autortypische Gestaltungsstrategien die direkte Adressatenansprache und/oder ein Wechsel des Sprachhandlungstyps erfolgt, wenn aus darstellenden und erklärenden Ausführungen Ratschläge abgeleitet werden, wenn auf ‚Fallen‘ und Probleme bei der grammatischen Analyse aufmerksam gemacht und wenn ein Perspektivwechsel von der Vermittlung des Wissens an angehende Deutschlehrkräfte hin zur Weitergabe des Wissens an (z.B.


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