Stilwechsel und ihre Funktionen in Textsorten der Fach- und Wissenschaftskommunikation. Группа авторов
wie auch immer geartete Verbreitung und Akzeptanz zu suggerieren. Gleichzeitig drücken sie im Blick auf die favorisierte Weise des Gestaltens aus, dass entsprechende Belege und Nachweise für die Sachverhaltsdarstellung als verzichtbar anzusehen sind und womöglich von den Rezipienten aufgrund des nicht erkennbaren Nutzens als ‚Störung‘ empfunden werden könnten. Das Akademischmachen (z.B. durch Verweis auf Grammatik-Darstellungen bestimmter Autoren) ist daher allenfalls indirekt zu beobachten.
(24) Auch hier wird praktisch niemals – außer von Linguisten – hinterfragt, ob es die Einheit Satz überhaupt gibt. (Habermann u.a. 2015: 51)
(25) Allgemeinsprachlich versteht man unter einem Satz eine eigenständige, in sich geschlossene Redeeinheit […]. In der grammatischen Fachsprache wird hier differenziert. (Hoberg/Hoberg 2016: 338)
(26) In vielen Grammatiken wird nicht zwischen Präpositionalobjekt und prädikativer Präpositionalgruppe unterschieden; beide werden dann als Präpositionalobjekt bezeichnet. (Dudenredaktion 2017: 378)
Das Stilganze, das sich in der Art der Handlungsdurchführung ergibt, zeichnet sich also gerade durch einen gering(er)en Fachsprachlichkeitsgrad aus. Auf Stilwechsel in Form des Rückgriffs auf Ausdrücke der unterneutralen Stilebene (Umgangs‑, Alltagssprache) wird weitgehend verzichtet, stilistisch markiert ist allerdings der kurzfristige Wechsel von der neutralen und um Objektivität bemühten Sachverhaltsdarstellung zu einer Bewertung. Zu beobachten ist das, wenn bestimmte grammatische Phänomene verbal, zum Teil auch durch graphische Mittel wie Smileys als (in)adäquat gekennzeichnet werden:
(27) Der Teilsatz 4-1 wird in der Alltagssprache allenfalls von Mitarbeitern in Behörden gebraucht. Wir können ihn „in normales Deutsch“ übersetzen: […] Sie sehen also, wie einfach man es sich machen kann! (Habermann u.a. 2015: 189)
(28) Nicht zu viel Passiv verwenden! Sätze im Passiv sind typisch für einen bürokratischen Stil und wirken meist nicht sehr ansprechend. Versuchen Sie, sie zu vermeiden: […]. (Steinhauer 2015: 24)
(29) Es ist unnötig und stilistisch unschön, derselbe anstelle eines Personal- oder Possessivpronomens zu gebrauchen:☹☺Als er das Auto gewaschen hatte, fuhr er dasselbe in die Garage.…, fuhr er es in die Garage.(Hoberg/Hoberg 2016: 248f.)
Auffällig ist dabei, dass Geschmacksurteile weder durch Argumente gestützt noch durch den Verweis auf Normautoritäten und normsetzende Instanzen begründet werden.
Ein weiteres Kennzeichen zunehmender Didaktisierung von Fachstilen ist ein Frequenzanstieg in der Nutzung des Handlungsmusters Simplifizieren. Auch dabei könnte man geneigt sein, Vereinfachungsstrategien hauptsächlich auf die Qualität der vermittelten grammatischen Substanz zu beziehen, gemeint ist aber das Bemühen um eine der Rezipientengruppe entsprechende Formulierungsweise (z.B. im Sinne grammatischer und semantischer Komplexität) mit angemessenem Grad an Fachsprachlichkeit. Die folgenden Beispiele zur grammatischen Kategorie „Modus“ (Indikativ) zeigen, dass im Vergleich der zugrunde gelegten Grammatik-Texte erkennbar Komplexitätsreduktion erfolgt: Die an Erwachsene adressierte kleine Duden-Grammatik (vgl. Hoberg/Hoberg 2016: 6 [Vorwort]) weist, wie zu erwarten, komplexere grammatische Strukturen auf als beispielsweise der Schülerduden. Dort finden sich wesentlich mehr Beispielsätze zur Illustration, die dazu dienen sollen, die Verstehbarkeit der abstrakten Ausführungen zu gewährleisten, für die Erwachsenen-Zielgruppe dagegen wird der Bedarf an Beispielsätzen geringer eingeschätzt, wie die folgenden längeren Belege verdeutlichen:
(30) Der Indikativ (die Wirklichkeitsform) ist der neutrale Modus, die Normalform sprachlicher Äußerungen, von der sich die spezifischen Modi Konjunktiv und Imperativ abheben.Der Indikativ stellt einen Sachverhalt als gegeben dar. Das muss nicht bedeuten, dass es sich um ein reales, tatsächliches Geschehen handelt. Auch „unwirkliche“ Begebenheiten (etwa in Träumen oder Märchen) werden im Indikativ formuliert, wenn sie für den Sprecher Geltung haben, z.B.:Ich stürzte in ein tiefes schwarzes Loch (– und wachte auf). (Hoberg/Hoberg 2016: 128)
(31) Der Indikativ ist der neutrale Modus des Verbs. Von ihm heben sich die anderen Modi ab. Man gebraucht ihn vor allem, um etwas ohne irgendwelche zusätzliche Schattierungen darzustellen:Stockholm ist die Hauptstadt von Schweden. Gestern hat es den ganzen Tag geregnet. He, du stehst auf meinem Fuß!Der Indikativ kann nicht nur in Aussagen, die sich auf Wirkliches beziehen, gebraucht werden. Man kann mit ihm auch Pläne oder Fantasievorstellungen möglichst neutral darstellen: [zwei Beispielsätze zur Illustration]Der Indikativ kann aber auch zum Ausdruck von (eher unfreundlich gemeinten) Aufforderungen verwendet werden […]. (Dudenredaktion 2017: 78)
(32) Indikativ (du kommst) ist der neutrale Modus des Verbs, der am häufigsten anzutreffen ist. (Habermann u.a. 2015: 16)
(33) Der Indikativ ist die Normalform sprachlicher Äußerungen. Er drückt aus, dass ein Sachverhalt gegeben ist.Ein Tag hat 24 Stunden.Rom ist die Hauptstadt Italiens.(Steinhauer 2015: 7)
Wie erkennbar, ist neben geringerer grammatischer und semantischer Komplexität mit geringerem Grad an Fachsprachlichkeit das Exemplifizieren eine wesentliche Realisierungsmöglichkeit für das Simplifizieren: die Illustration und das Erläutern von Sachverhalten an nachvollziehbaren Beispielen, die für den Nutzer Erkenntnisgewinn und Souveränitätszuwachs ermöglichen und ihm die Übertragung auf andere sprachliche Äußerungen erleichtern sollen. Dabei fällt auf, dass sich die Textproduzenten auch bei der Auswahl und Gestaltung der Beispiele in Teilen an der Lebenswelt und am Alter der Rezipienten orientieren: So beziehen sich etwa die Beispielsätze für den Crashkurs Grammatik (Steinhauer 2015) häufig auf die Bereiche „Beruf“ und gelegentlich „Freizeit“:
(34) Substantivierte Verben sind als Substantiv gebrauchte Verben. Auch zusammengesetzte Verben können substantiviert werden.Das tägliche Arbeiten nervt mich sehr.Ich genieße das Zugfahren sehr.Das Sichgehenlassen im Urlaub ist nicht mein Ding.(Steinhauer 2015: 28)
In ähnlicher Art der Rezipientenorientierung finden sich im Schülerduden oft Beispiele aus der Lebenswelt von Schülern –
(35) Es gibt auch zusammengezogene Teilsätze. Im folgenden Beispiel ist der Hauptsatz (a) zusammengezogen:(a) Thomas rudert im Klub und hat trotzdem Zeugnisnoten,(b) die weit über dem Durchschnitt liegen. (Dudenredaktion 2017: 320)
– und es ist sicher kein Zufall, dass die Autoren bzw. der Verlag im Interesse des Attraktivmachens auch auf Beispiele aus „moderner Lyrik und Rap“ (Vermerk auf der ersten Umschlagseite) zurückgreifen.
3 Stilwandel im diachronen Vergleich zielgruppengleicher Grammatik-Darstellungen
Im Folgenden wird ein kursorischer Blick auf Stilwandelphänomene in der Grammatikschreibung bzw. Grammatikographie geworfen. Die Grammatik der deutschen Gegenwartssprache, die als Duden-Grammatik erstmals 1959 erschienen ist und mittlerweile in 9. Auflage vorliegt, bietet dafür u. E. einen geeigneten Anknüpfungspunkt.1 Vergleicht man die bisher vorliegenden neun Auflagen, springen zunächst Veränderungen ins Auge, die den Umfang und das Layout betreffen: So hat sich der Umfang der Duden-Grammatik von ursprünglich knapp 700 Seiten auf aktuell 1.340 Seiten fast verdoppelt. In der Auflagenhistorie fällt außerdem insbesondere das Bemühen um Verbesserung der Übersichtlichkeit auf; dazu gehört, dass Gliederungs‑ und Aufzählungsverfahren leserfreundlicher gestaltet werden, dass – erkennbar schon seit der 3. (1973), verstärkt aber seit der 4. Auflage (1984) – Inhalte zunehmend mit Tabellen aufbereitet und dass typographische Hervorhebungen eingesetzt werden, dass ferner mit der 7. Auflage (2005) zweifarbiger Druck eingeführt worden ist und dass seit der 8. Auflage (2009) an zentraler Stelle, den Umschlaginnenseiten, Benutzungshinweise aufgenommen worden sind. Und auch die Modernisierung der Schriftart ist im Zusammenhang mit Gestaltungsstrategien zu sehen, die die Übersichtlichkeit und die schnelle Orientierung fördern und in Typographie und Layout einen rezipientenfreundlichen Eindruck hervorrufen sollen.
Dass erstmals mit der 4. Auflage ein Literaturverzeichnis Teil der Duden-Grammatik ist, kann als (vordergründiges) Zeichen des Anspruchs