Malmedy - Das Recht des Siegers. Will Berthold

Malmedy - Das Recht des Siegers - Will Berthold


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ein amerikanischer Offizier mit einem sonnverbrannten Gesicht, schweren, müden Augenlidern, die verquollen aussahen, als ob er geweint hätte. Mit einer Handbewegung entließ er den blassen Feldwebel und Cornedbeefs Wachkommando.

      Als er mit Werner Eckstadt allein im Raum war, lächelte er gewinnend.

      „Rauchen Sie?“ Er sprach in jenem fließenden Deutsch, das später in den Sendungen der „Voice of America“ so oft zu hören war. Ein Deutsch, das mit seinem singenden Unterton keinen Zweifel darüber lassen sollte, daß der Sprecher Amerikaner ist. Echter Amerikaner …

      „Ich heiße Prince. Leutnant Prince“, sagte der amerikanische Offizier mit dem gleichen gewinnenden Lächeln. Werner Eckstadt nahm die Zigarette aus der gebotenen Packung. Als er den ersten Zug inhalierte, wurde ihm leicht schwindlig.

      „Lügen haben kurze Beine“, fuhr Leutnant Prince fort, „ich hoffe, daß Sie uns jetzt die Wahrheit sagen werden … Alles andere hätte sowieso keinen Sinn. Wir wissen genug. Sie können Ihre Lage nur verschlechtern …“

      Werner Eckstadt schmeckte die Zigarette nicht mehr. Auf diesen Überfall mitten aus dem gewinnenden Lächeln heraus war er nicht gefaßt. „Wir wissen sowieso schon genug“, dieser Satz stieg drohend vor ihm auf. Jeden Augenblick mußte es kommen, dachte er. Jeden Augenblick wird er dir auf den Kopf Zusagen, daß du versucht hast, als Partisan gegen die Amerikaner zu kämpfen.

      „Sie waren bei der SS-Division Leibstandarte?“ fragte Prince.

      „Ja.“

      „Bei welcher Waffengattung? Bei welcher Abteilung?“

      Werner Eckstadt wußte: dies ist die entscheidende Frage. Aber er konnte die Wahrheit nicht sagen. Er konnte nicht sagen, daß er in amerikanischer Uniform abgesprungen war, das hätte augenblicklichen Selbstmord bedeutet – nach seiner Meinung. Da war es besser, die Einheit von Obersturmführer Klausen zu nennen, der ihn aufgelesen hatte.

      „Ich war bei der Vorhut“, antwortete Eckstadt zögernd. Hoffentlich glaubt er es, dachte er. Leutnant Prince glaubte es aufs Wort. Er war geradezu überrascht.

      „Sie scheinen vernünftig zu sein“, lächelte Prince. Er öffnete eine Schreibtischschublade und zog eine Landkarte heraus, die er Eckstadt entgegenhielt. Sein manikürter Finger fuhr in die Gegend von Malmedy.

      „Sind Sie am 17. Dezember 1944 hier über diese Straßenkreuzung gekommen?“

      Werner Eckstadt kniff die Augen zusammen. In dem späteren Hin und Her des Ardennenkampfes hatte er die Gegend ganz gut kennengelernt. Er orientierte sich nur kurz.

      „Ja“, antwortete er mit großer Erleichterung, daß er nichts anderes gefragt wurde. Die Amis wollten offenbar nur die damaligen Kämpfe rekonstruieren …

      „An der Kreuzung haben Sie Gefechtsberührung gehabt?“

      „Ja. Das stimmt. Mit einer amerikanischen Nachschubkolonne.“ Eckstadt sprach nahezu eifrig.

      Der amerikanische Leutnant lehnte sich weit zurück, verschränkte die Arme.

      „Die Amerikaner haben sich bei diesem Gefecht ergeben, nicht wahr?“ fragte er lauernd.

      „Ja.“

      Der Offizier wurde plötzlich ernst, und die Frage kam sehr schnell:

      „Und warum habt ihr unsere Leute trotzdem erschossen?“

      Werner Eckstadt sah den Offizier verständnislos an.

      „Wir haben keine Gefangenen erschossen. Wir haben nur so lange geschossen, so lange Gegenwehr geleistet wurde …“ Eckstadt war entgeistert und empört zugleich.

      „Ach so …“, sagte Leutnant Prince durch die Nase. „Das ist die beste Ausrede, die ich bisher gehört habe. Sie behaupten also, die ganzen Morde an der Straßenkreuzung seien noch im Kampf passiert. Damit wären Sie natürlich aus dem Schneider …“ Der Leutnant sah gelangweilt auf seine Fingerspitzen. „Leider oder Gott sei Dank haben wir für das Gegenteil Zeugen …“

      Werner Eckstadt verstand bald nicht mehr, wovon gesprochen wurde. Er rauchte hastig die letzten Züge der Zigarette.

      „Wir haben keine Gefangenen umgebracht“, betonte er noch einmal.

      Der Leutnant sah ihn unter müden Lidern gleichgültig an.

      „Ich weiß nicht, für wie dämlich Sie uns halten … Sie selbst haben zugegeben, daß Sie bei der Vorhut waren. Und was Ihre saubere Vorhut angerichtet hat, das weiß die ganze Welt inzwischen. Das wird von keinem Menschen mehr bestritten, nicht einmal von Ihren eigenen Kameraden. Es dreht sich nur darum, wer was getan hat – weil, wenn wir Ihren Leuten glauben, kein Mensch der Vorhut einen Amerikaner umgebracht hat, aber alle zugeben, daß Amerikaner umgebracht worden sind …“ Der Offizier hatte einen angeekelten Zug um die Mundwinkel.

      „Ich war nicht direkt bei der Vorhut“, sagte Eckstadt leise, „ich war bei der Vorausabteilung der Vorhut …“

      „Kommen Sie! Kommen Sie! … Auf einmal! Auf einmal merken Sie, daß Sie aufs Glatteis geraten.“

      Werner Eckstadt hatte noch selten in seinem Leben ein menschliches Gesicht sich so schnell verändern sehen. Der Leutnant lief nicht rot, sondern gelb an. Er sprang auf und schrie:

      „Ein Lügner sind Sie! Ein Dreckschwein! Ein verdammter deutscher SS-Bastard! … Stehen Sie auf, wenn ich mit Ihnen spreche!“ brüllte er im reinsten Kommisdeutsch.

      Bei dem Geschrei hatte Werner Eckstadt gar nicht gehört, wie das Wachkommando ins Zimmer kam, Cornedbeef allen voran.

      „Legen Sie die Hände an, wenn ich mit Ihnen spreche!“ schrie der Leutnant. „Wenn ihr auf unseren Ton nicht hört, versteht ihr vielleicht euren eigenen …“

      Weil Werner Eckstadt den verwundeten, verbundenen Arm nicht gerade an die Hosennaht legen konnte, traf ihn der Knüppel Cornedbeefs mit voller Wucht. Eckstadt schrie auf. Er dachte, der Arm sei ihm abgeschlagen worden.

      „Sie werden uns kennenlernen“, brüllte der Leutnant. „Demokraten sind wir nur mit Demokraten. EureMethoden sollt ihr, wenn es sein muß, am eigenen Leib erfahren …“

      Werner sollte erleben, daß der Leutnant nicht übertrieben hatte. Noch in der gleichen Nacht wurde er zum nächsten Verhör herausgerissen. Der Leutnant schien keine Müdigkeit zu kennen. Das Verhör begann genauso freundlich wie das erste. Genau an der gleichen Stelle lief es wieder fest. Genau dort, wo Werner Eckstadt wiederum beteuerte, nicht an Erschießungen von Amerikanern beteiligt gewesen zu sein. Nur was dann kam, wurde schlimmer. Leutnant Prince schrie zwar nicht. Aber er rief Cornedbeef herein.

      „Bringen Sie den Mann zurück zur Zelle!“ befahl er. Dann drehte er sich um.

      Cornedbeef brachte Eckstadt nicht direkt in die Zelle. Er brachte ihn erst in einen anderen Raum, der Doppeltüren hatte.

      „Wenn du es dem Leutnant nicht sagen willst, daß du unsere Jungens massakriert hast, dann willst du’s mir vielleicht sagen?“

      Eckstadt schwieg.

      „Nein?“ fragte Cornedbeef bedauernd.

      Eckstadt sah ihn an. Der Sergeant sah Eckstadt an. Und ganz ruhig haute er ihm mit dem Knüppel wieder auf den Oberarm.

      Eckstadt stöhnte auf.

      „Was willst du? Ich schlage nicht sehr stark …“ Und wie zur Bekräftigung versetzte Cornedbeef ihm noch einen mittleren Schlag auf den verwundeten Arm. Aber der Schlag genügte, um Werner Eckstadt das Gefühl zu geben, den Arm wieder und wieder gebrochen zu bekommen.

      „Dein Arm ist beschissen!“ meinte Cornedbeef und schlug wieder drauf. „Du solltest ihn dir amputieren lassen“, riet er Werner freundlich und schlug noch einmal zu. „Ich könnte das auch. Brauchst gar keinen Arzt!“ Und noch einmal holte er aus. Mit aller Kraft.

      Werner Eckstadt rutschte an der Wand herunter, gegen die ihn Cornedbeef gestellt hatte.


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