Der Wald der verlorenen Schatten. Danbi Eo
in baldiger Zukunft irgendwie verbessern.
Vor drei Monaten hatte Dongwoo mich verlassen. Mit ihm war ich zwei Jahre und sieben Monate zusammen gewesen. Kurze Zeit später verlor ich meinen Job, den ich drei Jahre lang hatte. Jedes Mal war es eine einseitige, grausame Mitteilung, aber unter der Trennung von Dongwoo litt ich besonders schlimm.
Ein Polizist, der sich auf den ersten Blick in die Fahrkartenverkäuferin am Busbahnhof verliebte. So hatte unsere Beziehung angefangen. Dongwoo patrouillierte jeden Tag zur selben Uhrzeit am Busbahnhof und schob mir immer wieder mal etwas zu essen oder eine Kinokarte unter der Acrylscheibe des Schalters hindurch. Oder einen Zettel zusammen mit einem Haarband, das aus verschiedenfarbigen geflochtenen Fäden bestand. Aber ich nahm nie etwas von ihm an. Seine makellose Uniform duftete nach Seife, seine Finger waren grazil, und seine Fingernägel glänzten stets sauber. All das trug dazu bei, dass er mir noch weniger gefiel. Myeongsook, meine Kollegin, schlug vor, dass ich ihm doch mal eine Chance geben solle, aber ich lehnte ihn immer ab, weil er auf mich den Eindruck machte, dass er irgendwie ein allglatter Typ war.
An einem Tag, da sich das Jahr allmählich seinem Ende näherte, änderte sich jedoch die Beziehung zwischen diesen beiden Menschen, die niemals zusammenzukommen schienen.
An jenem Tag schrie mich ein Mann im mittleren Alter an. Er war völlig betrunken, beschimpfte mich, fluchte, spuckte und schlug gegen die Acrylscheibe vor mir. Er machte einen gewaltigen Lärm und wurde schließlich handgreiflich gegen den Sicherheitsdienst, der herbeigeeilt war. In diesem Moment tauchte Dongwoo auf. Seine Bewegungen waren flink, sein Blick wirkte entschlossen. Rasch trennte er den aufgeregten Störenfried vom Sicherheitsdienst, drehte ihm mit Leichtigkeit den Arm auf den Rücken und drückte ihn dann blitzschnell zu Boden. Sein Kollege kam hinzu und legte dem Mann Handschellen an; damit war die Lage unter Kontrolle. Dongwoo hob seine Kappe auf, die auf den Boden gefallen war, setzte sie wieder auf und kam zu mir. Lächelnd holte er eine Tafel Schokolade aus seiner Hosentasche und schob sie unter der Schalterscheibe hindurch. »Oh, sie ist zerbrochen«, sagte er zu sich selbst und kratzte sich dabei an der Wange, die eine Schramme zierte.
»Ich bin großartig, Hyoju, oder?« fragte er mich und grinste schlitzohrig. Sein Atem ging heiß.
»Sie bluten an der Wange«, sagte ich zu ihm, hob eine Hand und richtete sie auf die betreffende Stelle.
»Tatsächlich? Oh ja, stimmt«, sagte er und schaute sich sein Gesicht in der Acrylscheibe an. Im nächsten Moment rief ihn sein Kollege.
»Ich muss zur Wache und die Wunde versorgen. Ich geh dann mal, Hyoju«, sagte Dongwoo, hob die Augenbrauen an und verschwand lächelnd mit seinem Kollegen durch den Busterminal.
Ich schaute ihm nach, bis er nicht mehr zu sehen war, und legte die zerbrochene Schokolade in meine Schublade. Erst danach spürte ich, wie mein Herz hämmerte, ohne dass ich mir dessen gewahr gewesen war. Am nächsten Tag kam Dongwoo wie immer zu mir und schob eine Kinokarte unter der Schalterscheibe durch. Als ich die Karte wortlos nahm und in die Schublade meines Schreibtisches legte, strahlte Dongwoo so glücklich wie noch nie zuvor.
An jenem Abend betrachtete ich zum ersten Mal Dongwoo etwas genauer von hinten. Er stand vor der großen gläsernen Eingangstür des Busbahnhofs und wartete auf mich. Seine grazilen Hände waren stets ein wenig in Bewegung, und sein Atem verteilte sich in kleinen Wölkchen. In der kalten Winterluft und unter den Neonlichtern der Straße stach Dongwoo leuchtend heraus. Ich ging lautlos zu ihm, stellte mich neben ihn und atmete einmal tief die Winterluft ein und aus. Als mein heißer Atem die kalte Luft zur Seite schob und sich in Wölkchen verteilte, schaute er mich an und hob wie zu einem zaghaften Gruß eine Schulter an. Sein Blick ruhte für eine Weile auf mir, seine Pupillen zitterten leicht. Vor Verlegenheit? Oder vor Aufregung? Er holte aus seiner Manteltasche einen Becher mit heißem Kaffee heraus, reichte ihn mir und atmete einmal tief in die kalte Luft aus, so wie ich es gerade getan hatte. Zusammen schauten wir uns einen Film an, tranken anschließend in einer japanischen Kneipe warmen Sake zu Tataki und liefen bis zur U-Bahn-Station. Es war sehr kalt. Als ich, ohne es zu wollen, mit den Zähnen klapperte und die Schultern zusammenzog, nutzte Dongwoo das als Vorwand und ergriff sanft meine Hand. Seit jenem Tag waren wir wie selbstverständlich ein Liebespaar.
Dongwoo war wie der Sonnenschein im Frühling, ein überaus fürsorglicher Mann. Er zog mich weiter in die Mitte des Regenschirms, obwohl auf seine Schulter der Regen prasselte, und er sagte mir, dass er immer für mich da sei und dass ich mit all meinen Sorgen und Nöten zu ihm kommen könnte. Wie aus Gewohnheit redete er oft von unserer gemeinsamen Zukunft, und jedes Mal lächelte ich lediglich bei seinen Worten. Und genau ein Jahr, nachdem wir zum ersten Mal zusammen ausgegangen waren, machte er mir in aller Form einen Heiratsantrag. Als er diese ernsthafte Frage stellte, erkannte ich an seinem Gesichtsausdruck, dass ich diesmal nicht mit einem Lächeln davonkommen würde. Es war ein Moment, von dem ich unzählige Male geträumt hatte, dennoch konnte ich den Mund nicht aufbekommen. Obwohl ich wusste, dass dieser Moment irgendwann eintreten würde, der Moment, in dem ich nicht mehr ausweichen konnte, hatte ich enorme Angst davor, was Dongwoo dazu sagen würde, wenn ich ihm jene Sache erzählte. Schließlich musste ich akzeptieren, dass ich es nicht länger hinauszögern konnte. Dies war der Moment, da ich es ihm erzählen musste.
»In Wirklichkeit habe ich …«, fing ich an, hielt inne und zog unbewusst die Lippen nach innen.
»Ja, was hast du?«
»Ich habe … keine Eltern.«
Eigenartigerweise schwitzte ich, obwohl ich nur kurz den Mund aufgemacht hatte und meine Lippen und meine Zunge wirklich das einzige waren, was ich bewegt hatte. Dongwoo wurde still. Es schien, als hätte er aufgehört zu atmen, und sogleich zitterten seine Pupillen kaum merklich. Er vermochte nicht zu lächeln. Als ob ich ihm leidtäte, streichelte er meinen Kopf und umarmte mich dann wortlos. Es dauerte eine gute Weile, bis er wieder lächelte, ich aber konnte es immer noch nicht.
Seit jenem Tag lächelte Dongwoo mich genau wie sonst an und nahm mich auch liebevoll in die Arme. Allerdings versank er immer öfter apathisch in Gedanken. Intuitiv nahm ich wahr, dass eine Abkühlung in unserer Beziehung eingetreten war. Er fing an, bestimmte Themen nicht mehr anzuschneiden, und vermied das Wort Heirat.
Ich gab mir alle Mühe, eine Erklärung zu finden. Wahrscheinlich musste er über verschiedene Dinge nachdenken, weil eine Hochzeit keine Angelegenheit war, die nur ihn und mich anging. Wahrscheinlich befand er sich gerade in einer Phase, die von ihm große Anstrengungen verlangte, aber am Ende würde er doch alles gut lösen. Ich bemühte mich wirklich, so zu denken, und brachte großes Verständnis für ihn auf. Trotzdem wurde mein Herz immer unruhiger. Die Möglichkeit, dass ich Dongwoo verlieren könnte, jagte mir Angst ein, und sie verwandelte sich allmählich in eine Obsession. Ich sehnte mich sehr häufig nach der Bestätigung seiner Liebe und bettelte regelrecht um sie, indem ich auf ihn stieg, obwohl er mich vorher zurückgewiesen hatte mit der Begründung, er sei erschöpft. Kleinigkeiten, die er gedankenlos ausführte, frustrierten mich, und ich fühlte mich mehr und mehr vernachlässigt. Allmählich wurde ich physisch und mental immer schwächer und leerer. Ich nahm wahr, dass Dongwoo meiner überdrüssig wurde, dennoch handelte ich wie ein ruheloser Hund, der seinen Schwanz zwischen die Hinterläufe klemmt. Ich wusste sehr gut, dass ich das lassen sollte, aber ich konnte einfach nicht damit aufhören.
Über ein Jahr nach seinem Antrag, an einem Tag im März, der nichts mit einem Frühlingstag gemein hatte, sagte Dongwoo mir schließlich vor einer bitteren Tasse Kaffee Lebewohl. Er meinte, dass ich für ihn eine Belastung sei und er es sehr schwer mit mir habe. Ich versuchte, ihn festzuhalten, und versprach ihm, dass ich mich ändern wolle und ihm in Zukunft nicht mehr zur Last fallen würde. Doch letztlich musste ich die Tatsache hinnehmen, dass ich versuchte, den Brunnen abzudecken, nachdem das Kind schon hineingefallen war. Dongwoo, der seinen Kaffee unangerührt stehen ließ und mich verständnislos anstarrte, hatte mich längst verlassen.
Jedes Mal, wenn ich den Temperaturunterschied in einer Liebesbeziehung spürte, sehnte ich mich hartnäckig und verbissen nach Liebe; ich wollte die Temperatur meines Partners mit der meinen in Übereinstimmung bringen. Doch dieses Bestreben führte ausnahmslos zur Trennung: sowohl bei meiner erste Liebe Jaejun, mit dem ich während meiner Zeit an einem Community College