Die geprellten Verschwörer. W. E. Norris

Die geprellten Verschwörer - W. E. Norris


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Natur wurde von Herrn Schneider bestätigt, der, mit dem Kopf nickend, salbungsvoll bemerkte: „Ganz Ihrer Meinung, Moreton.“

      Herr Schneider war einer von den liebenswürdigen, leider allzu seltnen Menschen, die nie widersprechen.

      „Suchen wir, gerecht zu sein selbst gegen die Frauen, obwohl sie es beinahe nie gegen uns sind,“ sagte Lord Guise. „Es ist nur billig, wenn wir anerkennen, dass sie in mancher Hinsicht lange nicht so thöricht sind, wie wir, und ihr Wunsch, geheiratet zu werden, ist ihnen in Anbetracht ihrer Lage nicht zu verargen. Natürlich wollen sie unter die Haube kommen und natürlich geben sie sich alle Mühe, uns zu angeln, aber weshalb beissen wir immer Hals über Kopf an? Das möchte ich nur wissen?“

      „Manche lassen es wohl bleiben,“ bemerkte Thorold.

      „Hm! Manche haben das Glück, wieder ins Wasser geworfen zu werden, weil sie sich gar zu leicht fangen liessen.“

      Thorold hatte eine Entgegnung auf der Zunge, besann sich aber eines Besseren, drehte seinen Schnurrbart und schwieg.

      „Was wir brauchen,“ fuhr Lord Guise fort, „ist ein Junggesellenbund zu gegenseitigem Schutz und Beistand. Wie ich vorhin schon sagte, ist es abgeschmackt, die Frauen zu tadeln, weil sie ihren angebornen Trieben gehorchen. Das thun auch die besten; aber der Himmel weiss, dass es schlechte genug gibt, und wie soll ein harmloses Geschöpf von einem Mann ihnen ausweichen? Sobald sie nur ein bisschen hübsch sind, müssten sie entsetzlich ungeschickt sein, wenn sie es nicht fertig brächten, uns um den Verstand zu bringen, und dann ist es um uns geschehen. Es vergeht kein Jahr, dass ich nicht von einem halben Dutzend Verlobungen höre, die geradezu herzbrechend sind.“

      „Sie sind übrigens bis jetzt noch immer ungefährdet davongekommen,“ bemerkte Thorold.

      „Nur weil ich mit einer ausnahmsweise ruhigen Gemütsart begnadet bin; hätte ich meinen ersten Regungen gehorcht, so wäre ich längst ein elender Sklave. Sie sind ein reicher Mann und werden ein Lied zu singen wissen von den Fussangeln, die uns auf Schritt und Tritt gelegt werden.“

      „Ohne ein reicher Mann zu sein,“ schaltete Moreton ein, „kann ich davon auch mitreden. Niemand hängt mehr am Weibe als ich und niemand weiss besser, dass sie alle, die eine wie die andre, Lug und Trug üben.“

      Herr Schneider gab zu verstehen, dass seine persönlichen Erfahrungen ihn auch zu diesem traurigen Ergebnis geführt hätten.

      „Aber auf welche Weise gedenken Sie denn, diesem betrüblichen Zustand abzuhelfen?“ fragte Thorold.

      „Wie ich Ihnen sage, durch Gründung eines Schutz- und Trutzbündnisses,“ gab Lord Guise zur Antwort. „Von dem Augenblick an, wo der Mann sich verliebt, ist er nicht mehr zurechnungsfähig. Zu seinem eignen Besten hätten die Freunde die Pflicht, jede Verantwortung für ihn zu übernehmen; das können sie aber natürlich nur dann thun, wenn er ihnen, solange er noch seine fünf Sinne beisammen hatte, Vollmacht dazu erteilt hat. Man hört häufig von armen Teufeln, die einen ererbten Hang zum Trunk haben, es aber vorher fühlen, wenn der Anfall kommt, und freiwillig in Anstalten gehen, wo keine geistigen Getränke verabreicht werden. Derselbe Grundsatz sollte auch auf das Heiraten Anwendung finden. Wenn einer auf dem Punkt steht, eine Dummheit zu machen, sollte er zu seinen Freunden gehen und ihnen sagen: ‚Hört, wenn ihr mich nicht festhaltet, so werbe ich heute oder morgen um Fräulein A. oder Lady B. Meiner Ansicht nach ist sie ein Engel, aber ich bin mir bewusst, dass meine Urteilsfähigkeit gegenwärtig gleich Null ist — sorgt also für mich, so gut ihr könnt!‘ Das ist mein voller Ernst,“ setzte er hinzu, als er bemerkte, dass seine Zuhörer behaglich lächelten.

      „Und was würden Sie mit dem Unglücklichen beginnen, der sich in so rührender Weise unter Ihren Schutz flüchten wollte?“ fragte Thorold. „Einsperren? In Ketten legen?“

      „Nein, solche Mühsal könnte er mir doch wohl nicht zumuten, überdies zweifle ich, ob das gesetzlich wäre. Meine Idee ist, dass jedes Mitglied der Gesellschaft sich verpflichten sollte, eine gewisse Zeitlang — sagen wir sechs Monate — vollständig dem Rat der Freunde zu gehorchen. Selbstverständlich könnte es auch der Fall sein, dass sie seine Heirat auf der Stelle gut hiessen, wären sie aber überzeugt, dass er im Begriff stehe, einen moralischen Selbstmord zu begehen, so müssten sie ihm jeglichen Verkehr mit der Dame für ein halbes Jahr untersagen. Nach dieser Frist würde es ihm anheimgestellt sein, ob er mit dem Kopf gegen die Wand rennen will oder nicht, es ist aber alle Aussicht vorhanden, dass der Zeitraum genügt hätte, ihn zu nüchterner Ueberlegung zu bringen. Weshalb sollten wir nun die Sache nicht frischweg ins Werk setzen? Wir scheinen so ziemlich Gesinnungsgenossen zu sein, und offenbar ist augenblicklich keiner von uns verliebt.“

      „Wenigstens nicht mehr als sonst,“ versetzte Moreton, von sich ausgehend.

      „Nicht die Spur,“ versicherte Herr Schneider selbstgefällig.

      Nach einer kleinen Pause sagte Thorold: „Nun, ich glaube, ich kann ganz gut mit einstimmen in den Chor. Jedermann weiss, dass ich bis vor kurzem mit Lady Belvoir, meiner Cousine, verlobt war und dass ich es nicht mehr bin. Da wir einmütig übereingekommen sind, unsre Beziehungen abzubrechen, so lässt sich annehmen, dass weder bei mir noch ihr von einer unglücklichen Liebe die Rede ist.“

      „Ich freue mich, dass Sie die Sache zur Sprache bringen, Thorold,“ bemerkte Lord Guise, indem er sich behaglich in seinen Lehnstuhl zurücklegte und eine blaue Rauchwolke zur Zimmerdecke hinaufsandte. „Ich hätte Ihren Fall ohne besondre Erlaubnis nicht gern angeführt, und doch gehört er so sehr hierher.“

      „Es schmerzt mich gar nicht, wenn Sie ihn anführen. Aber wieso gehört er hierher?“

      „Na, ich dächte doch! Meines Wissens ist noch nie jemand so glücklich einer Gefahr entronnen, wie Sie. Der Himmel behüte mich, Sibyl Belvoir irgend jemand zur Frau zu wünschen, aber von allen Männern der Welt wäre keiner weniger geeignet, ihr Mann zu werden, als Sie.“

      „Möglich,“ versetzte Thorold mit einem Anflug von Gereiztheit. „Deshalb begreife ich aber noch immer nicht, weshalb mein Fall von so allgemeinem Interesse sein soll. Wir haben es selbst herausgebracht, dass wir nicht füreinander taugen, und danken diese Entdeckung weder Ihnen noch andern Freunden.“

      Lord Guise lächelte ein wenig.

      „Sie sind der Gefahr entronnen, aber mit knapper Not, und wenn Sie unsrem Schutzverein angehört hätten, so würden sie ihr gar nicht ausgesetzt worden sein; denn würde irgend einer von Ihnen, meine Herren — es versteht sich, dass diese Unterredung eine ganz vertrauliche ist und dass von dem hier Gesprochenen nichts weitergetragen wird — würde einer von Ihnen Thorold gestattet haben, Lady Belvoir zu heiraten?“

      „Entschieden nicht!“ rief Moreton.

      Herr Schneider sprach sich weniger schroff und etwas weitläufiger aus; wenn man aber seine Aeusserungen zusammenfasste, so war der ganzen Rede kurzer Sinn, dass, wenn er in der Sache ein Wort mitzureden gehabt hätte, er es nicht mit seinem Gewissen hätte vereinigen können, eine solche Verbindung gut zu heissen.

      „Sie sehen also, dass Sie in guten Händen gewesen wären,“ sagte Lord Guise, sich an Thorold wendend. „Was mich betrifft, so kenne ich Sibyl Belvoir ungefähr so lange, als sie auf der Welt ist.“

      „Ich auch,“ fiel ihm Thorold ins Wort.

      „Ganz richtig, nur kannten Sie die Dame, ohne sie zu kennen, und ganz London, sogar unser Freund Schneider, der meines Wissens nie ein Wort mit ihr gewechselt hat, scheint sie besser gekannt zu haben als Sie. Ihre Lebensgeschichte spricht übrigens für sich selbst. Kaum war sie der Schulstube entschlüpft, als sie gegen den Willen ihrer ganzen Familie darauf bestand, Belvoir zu heiraten; er ist jetzt tot, und wir wollen nichts weiter über ihn sagen, als dass er sich die Kehle abgetrunken hat. Man kann also entschieden nicht behaupten, dass sie mit dem Heiraten Glück gehabt habe. Seit sie Witwe ist, hat sie mit jedem Mann, ob er nun ernstlich in Frage kommen konnte oder nicht, kokettiert — ich will mich so mild als möglich ausdrücken — und ihn an der Nase herumgeführt, solange es ihr Spass machte; sie hat —“

      „Ich dächte, wir brauchen uns nicht in


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