Die geprellten Verschwörer. W. E. Norris
mir und wir gehen dann zusammen hin, das geht ganz gut.“
Es war eine Leistung, dass Herr Schneider sich enthielt, einen Freudensprung zu machen. Bisher hatte sein vertrauter Verkehr mit Lord Guise ihm keine gesellschaftlichen Vorteile eingetragen; nun kam dies Anerbieten, dessen Bedeutung und Grossmut er etwas durch das Vergrösserungsglas sah. Die Herzogin Paddington war eine grosse Dame und der Herzog sogar unter Herzogen eine Grösse, vielleicht standen sie ein wenig zu hoch, um wählerisch zu sein. Jedenfalls waren in der Menge, die sich herbeidrängte, so oft sie ihren prachtvollen Ballsaal aufthaten, ebensoviel unbedeutende als berühmte Namen zu bemerken, und man brauchte nicht im geringsten zu fürchten, dass ein ungeladener Gast, für den Lord Guise die Verantwortung auf sich nehmen mochte, ihren Widerspruch erregen werde. Ohne sich darüber klar zu sein, machte Herr Schneider noch sorgfältiger Toilette als sonst und folgte glückselig seinem Gönner nach dem grossen Haus, das jedem Londoner von aussen und einem grossen Teil der Einwohner auch von innen wohlbekannt ist. Die Aufnahme, die ihm zu teil wurde, war sehr erhebend, denn die Herzogin reichte ihm die Hand, und der Herzog wusste zu seiner angenehmen Ueberraschung ganz genau, wer er war.
„Habe Sie oft in New Market gesehen, Herr Schneider,“ sagte der gutmütige Magnat. „Sie beteiligen sich, so viel ich weiss, an den Rennen oder nicht?“
„Ach, nur in ganz bescheidenem Massstab,“ erwiderte Schneider, der nicht recht wusste, ob er Durchlaucht sagen solle, es aber doch für sicherer hielt, diese feierliche Anrede wegzulassen.
„Hm! Bescheiden? Das weiss ich denn doch nicht! Man sagt mir, Sie seien der Schrecken der Bookmakerzunft. Ich selber habe meiner Lebtage Pferde gehen lassen und doch nie gewettet, aber ich mache darin wohl eine Ausnahme.“
Der Herzog war ausnehmend reich und konnte sich daher den Luxus erlauben, ohne zu wetten, am Rennen teil zu nehmen; Schneider fand es aber nicht passend, ihn daran zu erinnern, und er bemerkte nur, ein Rennen würde ihm unvollkommen erscheinen, wenn er nicht etwas dabei riskierte.
„Ja, ja, das ist’s!“ erwiderte der Herzog. „Ihr jungen Leute treibt den Sport nicht um des Sports willen, und unter zehn von euch trifft man kaum einen, der ein gutes Pferd von einem schlechten unterscheiden kann.“
Solch entsetzliche Dinge lässt man sich nicht gern sagen, und wäre es auch von einem Herzog, und sie berühren um so schmerzlicher, wenn sie in so wohlwollender und sachlicher Weise gesagt werden. Herr Schneider zog sich ein wenig verdutzt zurück und sah sich die Gesellschaft an, unter der er zu seinem Leidwesen sehr viele Bekannte entdeckte. Es war ja eine Genugthuung, dass sie ihn in Paddington House sahen, aber es war ihm durchaus keine, sie hier zu finden, und es wäre ihm weit lieber gewesen, wenn sie morgen erst aus den Zeitungen erfahren hätten, in welch hohe Kreise er Zutritt hatte.
Mittlerweile liess Lord Guise die Interessen seines Schützlings keineswegs aus dem Auge, er bahnte sich einen Weg zu Lady Belvoir, die eben mit seinem Freunde Eustace Moreton tanzte, und knüpfte ohne Rücksicht auf die Gegenwart ihres Tänzers ein Gespräch mit ihr an.
„An was für einem Unheil arbeiten Sie denn jetzt gerade?“ fragte er sie. „Vermutlich besuchen Sie nie einen Ball ohne feindselige Absichten auf die Gemütsruhe irgend eines armen Teufels.“
„Ich gehe nach dem Balle, um zu tanzen,“ erwiderte Lady Belvoir, „glaubte aber, Sie besuchen überhaupt keinen. Was für einem Umstand verdanken wir denn die ungewohnte Freude Ihrer Gegenwart?“
„Wenn ich sagen wollte, ich sei hierher gekommen, um Sie zu sehen, so würden Sie das wahrscheinlich für eine Lüge halten, oder nicht?“ fragte Lord Guise.
„O nein, das würde ich durchaus nicht, es würde mir gar nicht schwer, daran zu glauben; denn ich frage mich oft, weshalb Sie mich nicht leiden mögen, während ich Ihnen doch nie das geringste Unrecht angethan habe.“
„Es ist auch nicht Abneigung bei mir, sondern Angst. Sie sind ja so unwiderstehlich.“
Lady Belvoir seufzte und machte sich das Vergnügen, ihre grossen, ein wenig schwermütigen Augen eine Weile auf seinem Gesicht ruhen zu lassen, worauf sie in ein helles Lachen ausbrach.
„Haben Sie nur keine Angst,“ rief sie. „Wie unwiderstehlich ich auch sein mag, Sie sollen nicht in die Lage kommen, sich meiner erwehren zu müssen. Ich will nicht unartig sein; aber da wir alte Freunde sind, nehmen Sie es mir gewiss nicht übel, wenn ich Ihnen sage, dass ich einen angebornen Widerwillen gegen hässliche Männer habe. Als Freunde sind sie mir natürlich lieb und wert, als Verehrer aber unerträglich.“
„Und diese Regel lässt keine Ausnahme zu?“ fragte Lord Guise ohne jegliche Verstimmung. „Das thäte mir leid, denn ich hatte im Sinn, Ihnen heute abend einen hässlichen Mann vorzustellen, und dass er ein Verehrer werden wird, ist, wenn Sie sich herbeilassen, ihn kennen zu lernen, unvermeidlich!“
„Das kann ich ja thun,“ erwiderte Lady Belvoir. „Wer ist es und wo ist er und weshalb wollen Sie ihn mir vorstellen? Herr Moreton, ich merke wohl, dass Sie darauf brennen, hier loszukommen, und ich will Sie nicht länger festhalten. Lord Guise wird mich irgendwo zu einem Sitzplatz führen.“
Als Moreton dem Wink verständnisvoll gehorcht und sich empfohlen hatte, fand sich auch ein unbesetztes Sofa, wo sie ihre Erkundigungen nach dem hässlichen Unbekannten fortsetzte.
„Wenn ich mir recht überlege,“ sagte Lord Guise, „so weiss ich eigentlich nicht, ob er so hässlich ist — sehr hässlich wenigstens nicht. Er ist jung, und das ist an und für sich schön, hat ein rundes Gesicht, einen leeren Kopf, weiss sich zu kleiden und heisst Schneider — ist die Personalbeschreibung ausführlich genug?“
„Ach! Der kleine Mann, der so grosse Summen wettet! Er hat die Geldsäcke bergweise dastehen, nicht?“
„Nun ja, etliches Kleingeld hat er wohl, ist aber kein Jude, falls Sie darauf abzielen und falls dies in Frage kommt. Meine Gutmütigkeit hat mich auf den Einfall gebracht, Ihnen den Mann vorzustellen. Ich weiss, dass auf Ihrer Besuchsliste zu stehen, eine wahre Wonne für ihn wäre, und bei Licht besehen, ist er gerade so wohl erzogen, wie die Mehrzahl Ihrer Vertrauten.“
„Gehen Sie und holen Sie ihn,“ befahl Lady Belvoir, „schlechtere Manieren als Sie kann er jedenfalls nicht haben.“
„Und ganz gewiss benimmt er sich besser als Sie, meine liebe Sibyl, was aber noch nicht hoch geschworen ist.“
„Ich hätte gedacht, Sie wüssten allmählich, dass ich Ihre Ungezogenheiten nichts weniger als unterhaltend finde,“ bemerkte Lady Belvoir mit Ruhe.
„Das habe ich allerdings beobachtet, und es hat mich immer in Erstaunen versetzt. An Ihrer Stelle würde ich mich darüber freuen, denn sie bringen doch einige Abwechslung ins Leben. Doch vermutlich weiss keine Frau, was es heisst, Schmeichelei satt bekommen. Jetzt will ich gehen und meinen kleinen Schneider zur Stelle schaffen; er wird Ihren Durst nach Huldigung befriedigen, falls Sie ihn nicht zu sehr einschüchtern.“
Lady Belvoir hatte das durchaus nicht im Sinn, vielmehr hielt sie es für selbstverständlich, den unschuldigen Schneider der Zahl ihrer Eroberungen beizugesellen. Sie nahm sich das bei jeder neuen männlichen Bekanntschaft vor und führte es auch unfehlbar aus; in diesem Falle sprach aber überdies noch ein Hintergedanke andrer Art mit.
„Vielleicht lässt sich etwas mit ihm machen,“ dachte sie, „Wenn er wirklich so reich ist, wie es heisst, so könnte es wohl gehen.“
Des Pudels Kern war, dass Lady Belvoirs Vermögensverhältnisse durchaus nicht befriedigend waren. Schon seit geraumer Zeit gab sie mehr aus, als sie einnahm, und sie hatte Stunden, wo die Zukunft sie ernstlich beunruhigte. Natürlich verfiel sie in solchen Augenblicken darauf, sich selbst zum Verkauf auszubieten, und sie schickte sich an, Herrn Schneider Gelegenheit zu geben, den sehr hohen Preis zu bieten, den sie zu fordern berechtigt war.
Sie war eine Frau von ungewöhnlich rascher Fassungsgabe, und ehe sie ein halbes Dutzend Redensarten mit dem kleinen Mann gewechselt hatte, der ihr mit jener Art von Schüchternheit gegenübertrat, die sich in übertriebener Sicherheit äussert, wusste sie ganz genau, wes Geistes Kind er war und wie er behandelt werden musste. Sie schob