Nick 1 (Pionier des Weltalls): Start in die Unendlichkeit. Fred Hartmann

Nick 1 (Pionier des Weltalls): Start in die Unendlichkeit - Fred Hartmann


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Arbeiten waren so geheim, dass er nicht einmal mit Ihnen Kontakt aufnehmen durfte.«

      Knisternde, unerträgliche Spannung. Worauf wollte ihr Chef hinaus? Mr. Marsh zögerte einen kurzen Augenblick, dann brachte er die Bombe zum Platzen:

      »Mit diesem Antrieb können Sie das gesamte Universum durchqueren, und genau das ist Ihre Aufgabe.«

      »Was?«

      Grenzenloses Erstaunen.

      Erstarrte Mienen.

      Ungläubige Verwunderung.

      Mr. Marsh war barmherzig. Nach einer kurzen Pause fuhr er mit seinen Erläuterungen fort: »Prof. Raskin wird Ihnen gleich in aller Kürze erklären, worauf seine Erfindung beruht, dann werde ich Ihnen noch wichtige Einzelheiten für das Unternehmen unterbreiten.«

      Marshs Blick richtete sich auf Raskin. »Bitte, Herr Professor!«

      »Ich kann Ihre Verblüffung verstehen, auch Ihren Unglauben«, begann dieser ohne Umschweife. »Ich selbst hielt es bis vor Kurzem kaum für möglich, so etwas Bahnbrechendes zu erfinden. Aber ich sollte der Reihe nach erzählen: Seit der Konstruktion des Hyperantriebs habe ich mich mit der Frage beschäftigt, ob es nicht auch möglich sein könnte, Energie aus dem Hyperraum zu gewinnen und nutzbringend anzuwenden. Und genau das ist mir nach monatelanger – eigentlich jahrelanger – Forschung gelungen. Ich habe einen Hyperenergiekonverter entwickelt, kurz HEK genannt, der unbegrenzt Energie des Hyperraums in Energie unseres vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuums umwandeln kann, und zwar in jeder beliebigen Menge. Die Energievorräte in diesem übergeordneten Raum sind unbegrenzt. Momentan habe ich nur ein Verfahren für die Nutzung bei Antrieben entwickelt, aber wenn wir diese neue Technologie auch für die Energieversorgung auf der Erde und anderer Planeten anwenden könnten, wären unsere Energieprobleme für alle Zeiten gelöst.«

      Auf Nicks Stirn bildeten sich steile Falten. »Kann das nicht gefährlich werden?«, warf er zweifelnd ein. »Angenommen, es kommt zu einem unkontrollierten Energieausbruch. Könnte damit nicht die ganze Welt zerstört werden?«

      Raskin schüttelte den Kopf. »Nein. Das haben wir doch bei der Atomkraft auch schon befürchtet, aber nach dem Absturz des Übungsbombers über London 1972* wurde sie nur noch friedlich genutzt. Es ist uns gelungen, so perfekte Sicherheitssysteme zu entwickeln, dass bei Kernkraftwerken nie etwas passiert ist. Selbst das Problem der Entsorgung des Atommülls konnten wir ein für alle Mal lösen. Wie Sie wissen, werden Raumschiffe damit beladen und in die Sonne gelenkt.«

      »Und der Hyperenergiekonverter arbeitet auch so sicher und störungsfrei?«, wollte jetzt Xutl wissen. Er hatte sich neben der Astronavigation auf Antriebe spezialisiert und zollte Raskins Erklärungen seine ungeteilte Aufmerksamkeit.

      »Genau. Der Kontakt zum Hyperraum wird nur den Bruchteil einer Millionstel Sekunde dauern. Danach schließt sich die Öffnung automatisch wieder. Sollte das nicht passieren, wird eine Art Überlaufventil aktiviert, das die überschüssige Energie wieder in den Überraum zurückfließen lässt. Bei meinen Experimenten auf dem Pluto habe ich das Verfahren bereits erfolgreich getestet.«

      Nick atmete tief durch. »Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob nicht doch ein Restrisiko bleibt – ich lasse das jetzt mal stehen. Einzelheiten können Sie uns ja später erläutern.« Er wandte sich wieder dem Chef der Weltraumbehörde zu. »Wie soll unser Auftrag genau ausgeführt werden?«

      Mr. Marsh räusperte sich hörbar und leerte seinen Becher in kleinen Schlucken, dann lud er seine Gäste ein, aus einer zweiten Karaffe nachzufüllen, und nachdem alle der Aufforderung nachgekommen waren, setzte der Leiter der Weltraumforschungsbehörde seine Ausführungen fort.

      »Wir haben drei Sternenschiffe mit dem neuen Antriebsverfahren ausgerüstet. Außerdem sind die Schiffe mit den aktuellen Entwicklungen terranischer Technologie ausgestattet, doch dazu später. Sie, Nick«, er schaute mit gönnerhaftem Blick auf den Weltraumpionier, »werden die Delcano, das Flaggschiff, kommandieren und die oberste Leitung der Mission übernehmen. Das Kommando über die Wilberforce hat Xutl, und André Coomb übernimmt die Lascasas. Sie, Tom, leiten die biologische Abteilung und Sie, Miss Lee, die zoologische. Sie dürfen auch Tiere mit auf die Erde bringen, aber nur nach eingehender wissenschaftlicher Prüfung, ob sie für eine Haltung außerhalb ihres natürlichen Lebensraums geeignet sind.«

      Tom und Jane nickten. Diese Aufgaben übernahmen sie gern.

      »Professor Raskin wird natürlich auch dabei sein«, ergänzte Mr. Marsh. »Kein anderer kennt sich besser mit dem Antrieb aus als er. Deswegen ist er für Ihre Mission unverzichtbar.«

      »Wir haben ihn aber auch gern als Freund dabei.« Jane Lee lächelte Professor Raskin an. Durch gemeinsam durchstandene Gefahren der vergangenen Jahre war auch eine tiefe und untrennbare Freundschaft zu dem Professor gewachsen.

      Raskins Schnauzer schob sich um ein minimales Stück nach oben, auf seinen Lippen lag ein leises Lächeln. »Und es werden noch zwei Energiespezialisten mit auf die Reise kommen, die Sie auch von früher gut kennen.« Er blieb dienstlich-sachlich und ließ sich nicht anmerken, wie sehr er sich über Janes Sympathiekundgebung gefreut hatte.

      Nick schaute den Professor mit gespannter Erwartung an. Eine leise Ahnung stieg in ihm auf. »Energiespezialisten? Doch nicht etwa …?«

      Raskin kam Nick zuvor: »Dr. May Caryll und Dr. Pete Gray* – Ihre Begleiter auf den Merkur vor etlichen Jahren.«

      Nick konnte sein Erstaunen kaum zurückhalten. »Ja, ich kann mich an die beiden noch sehr lebhaft erinnern. Ihr Projekt, Sonnenenergie auf dem Merkur aufzufangen und drahtlos auf die Erde zu übertragen, ist ja leider gescheitert.«

      »Aber die beiden haben in der Forschung hervorragende Grundlagenarbeit geleistet und neue energetische Anwendungsverfahren entwickelt. Sie haben mir bei meiner wissenschaftlichen Arbeit ausgezeichnet assistiert. Ihren Kompetenzen habe ich es zu verdanken, dass wir die drahtlose Übertragung von Hyperenergie in unsere Systeme ohne größere Probleme verwirklichen konnten. Die beiden müssen einfach auf der Expedition dabei sein. Sollte ich aus irgendeinem Grund ausfallen …«

      »Herr Professor!« Janes tadelnder Blick verriet alles.

      »Dr. Caryll und Dr. Gray sind übrigens seit einiger Zeit verheiratet«, ergänzte Raskin.

      »Na, ein Glück, nicht wahr, Nick?« Mit spitzer Zunge und ironischem Grinsen, ihren Gefährten herausfordernd beäugend, wartete Jane auf eine Antwort, und die ließ nicht lange auf sich warten.

      »Dann lieber dich!« Es klang lakonisch.

      Schallendes Gelächter füllte den Raum und löste die Spannung. Janes Augen blitzten wütend, giftige Blicke trafen den Weltraumpionier. »Du warst schon immer pietätlos!«

      Nick grinste zurück. Er kannte seine Gefährtin und wusste, wie er ihre Bemerkungen zu verstehen hatte.

      »Schluss jetzt!«, befahl Mr. Marsh, »sonst lasse ich Sie zu Hause und übertrage einem anderen das Oberkommando.« Er beugte sich etwas vor. »Haben Sie zu diesem Punkt noch Fragen?«, wollte er schließlich wissen.

      »Ja«, meldete sich Xutl, »ich wundere mich über die Namen der Schiffe. Nach wem sind sie benannt?«

      »Xutl hat recht«, warf Tom ein. »Für dieses Unternehmen hätte ich auch eher Namen wie ›Kolumbus‹ oder ›Magellan‹ erwartet.«

      »Das Projekt ist vergleichbar mit der ersten Weltumseglung, da haben Sie ganz recht«, musste Mr. Marsh einräumen, »und die Person Magellans hätte für das Flaggschiff vor diesem Hintergrund ohne Weiteres gepasst, aber unsere Entscheidung fiel bewusst auf Namen, die nicht für Eroberung und Gewaltherrschaft stehen, auch wenn Magellan selbst – im Unterschied zu Eroberern wie Cortez, Pizarro und Vasco da Gama – nicht als unmenschlicher Gewalttäter in Erscheinung getreten war, aber im Namen des Habsburger Kaisers Karl V. hat er trotzdem die von ihm entdeckten Inseln zum Besitz der spanischen Krone erklärt. Inzwischen haben sich die Zeiten grundlegend geändert. Wir haben mit der irdischen Weltraumfahrt schon immer friedliche Ziele verfolgt. Sie als Team sind auf all Ihren Einsätzen für diese Maxime


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