Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel. Nadine Erdmann

Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel - Nadine Erdmann


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      »In welchem Kurs bist du denn?«

      »Klettern.«

      »Und sind die Leute da okay?«

      Evan überlegte kurz und nickte dann. »Ja, ich schätze, die meisten sind ganz in Ordnung. Mr Marlow ist der Leiter. Er ist einer unserer Sportlehrer und hat sich in den Schulversammlungen gemeinsam mit der Carroll dafür eingesetzt, dass ihr zu uns an die Schule kommen durftet.«

      »Okay, dann wird es Klettern.«

      »Echt? Cool.«

      Cam hatte keine Ahnung, warum, doch Evan schien sich wirklich über seine Wahl zu freuen.

      »Dann sollten wir zum Sekretariat gehen und dich gleich eintragen lassen, bevor der Kurs voll ist. Für manche gibt es eine Teilnehmerbegrenzung und es läuft nach dem Prinzip, wer zuerst kommt, mahlt zuerst.« Er stemmte sich auf die Füße und streckte Cam seine Hand hin, um ihm hochzuhelfen.

      Der schaute überrascht zu ihm auf.

      »Was?«, fragte Evan, als er Cams Blick sah. »Larissa ist weder tot umgefallen noch in Flammen aufgegangen, als sie Jules’ Hand genommen hat. Ich glaube, dann kann ich riskieren, dir auch die Hand zu geben.« Er grinste spitzbübisch. »Leben am Limit sozusagen. Also komm, enttäusch mich nicht.«

      Als Gabriel, Sky und Connor um kurz vor zwei erneut den Wartungsschacht im Golders Hill Park ansteuerten, sahen sie schon von Weitem die ältere Frau, die mit einer Zeitung und einem Thermobecher auf einer Bank in der Nähe der Luke saß und die Sonne genoss, die durch die Baumwipfel fiel. Neben ihr stand eine riesige Tragetasche aus abwaschbarem Plastik.

      Sky schätzte Gladis Monroe etwas älter als ihre Granny. Anfang bis Mitte siebzig vielleicht. Sie war schlank und wirkte sportlich und ihr grauweißes Haar fiel ihr in großen Naturwellen ums Gesicht. Sie blickte von ihrer Zeitung auf, als sie den dunklen Wagen über den Parkweg kommen sah, und erhob sich, als Gabriel neben ihr parkte.

      »Doktor Monroe?«, fragte Sky, um sich abzusichern, als sie aus dem Wagen stieg.

      Die Frau nickte.

      »Ich bin Sergeant Sky Hunt, das ist Sergeant Connor Fry und das ist mein Bruder, Sergeant Gabriel Hunt. Wir freuen uns sehr über Ihre Hilfe.«

      »Kein Problem.« Doktor Monroe lächelte unternehmungslustig in die Runde. »Wenn Jon mich darum bittet, inoffiziell ein paar Leichen zu untersuchen, muss es etwas Brisantes sein. Und schon empfinde ich die ganze Sache als eine äußerst interessante Abwechslung zu meinem Ehrenamt in der Notfallambulanz.«

      Gabriel lachte. »Und dafür sind Sie mir jetzt schon sympathisch.«

      Monroe lachte ebenfalls. »Wofür? Für mein Ehrenamt oder dafür, dass ich mysteriöse Leichen spannend finde?«

      »Beides.« Gabriel hatte den Kofferraum geöffnet und wuchtete sich zwei der Ausrüstungstaschen über die Schultern. »Mein Vater arbeitet auch ehrenamtlich in einer Notfallambulanz. Im East End.«

      »Guter Mann.« Doktor Monroe folgte ihm, als Gabriel zu den Sträuchern ging, hinter denen der Wartungsschacht lag.

      Sky und Connor sammelten den Rest ihrer Ausrüstung aus dem Kofferraum zusammen und wollten sich gerade ebenfalls zur Luke begeben, als eine Rentnerin mit zwei Yorkshire Terriern auf sie zu kam – in einem auffallend flotten Tempo für eine Gassirunde.

      »Hallo! Guten Tag. Darf ich fragen, was Sie hier tun?«

      Sie zerrte ihre beiden Vierbeiner mit sich, obwohl die viel lieber jedes bunte Pflänzchen am Wegrand beschnuppert hätten. Einzeln und ausgiebig. Doch dafür hatte ihr Frauchen gerade keine Zeit.

      »Sie wissen, dass die Parkwege nur vom Landschaftspersonal befahren werden dürfen? Es stehen extra Schilder dazu an jedem Parkeingang. Die Natur soll hier unberührt bleiben.«

      Sky warf einen Blick auf die penibel abgezirkelten Blumenbeete, in denen so was von offensichtlich nichts wachsen durfte, was nicht der vorgesehenen Farbe oder Pflanzhöhe entsprach. Sie hob eine Augenbraue. »Unberührte Natur, ja klar.«

      Sie schlang sich einen der Rucksäcke über die Schulter und schenkte Connor ein ironisches Lächeln. »Deine Kundin.« Während Connor schnaubte, nickte Sky der älteren Mitbürgerin freundlich zu. »Kein Grund zur Sorge. Mein Kollege erklärt Ihnen alles. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag in der Natur.«

      Sie wandte sich um und lief hinüber zu den Sträuchern, hinter denen Gabriel und Doktor Monroe abgeschirmt vor neugierigen Blicken bereits in die formschönen Papieroveralls schlüpften.

      Die Frau mit den beiden Hunden blickte Sky hinterher. »Sie ist eine Totenbändigerin.«

      »Yep.« Connor hatte seine Silberweste angelegt und zog seine Dienstmarke vom Gürtel. »Wir sind von der Metro Police. Spuk Squad. Wir gehen den Beobachtungen einiger Anwohner des Golders Hill nach, die sich besorgt über vermehrtes Geisteraufkommen rund um die Südseite des Parks gezeigt haben.«

      Sofort wurde die Rentnerin entspannter. »Oh, sehr schön! Gut zu wissen, dass man unsere Sorgen bei der Polizei ernst nimmt.«

      »Natürlich tun wir das.«

      »Und was machen Sie da drüben im Gebüsch?«

      »Dort gibt es eine Luke zu einem Wartungstunnel des Londoner Untergrunds. Wir überprüfen die Anlage heute Nachmittag auf Löcher, Risse oder andere Schäden, die eventuelle Ursachen für das erhöhte Geisteraufkommen rund um Ihren Park sein könnten.«

      Die Augen der älteren Frau weiteten sich vor Schreck. »Sie haben diese Luke geöffnet?!«

      »Keine Sorge, Ma’am. Sie ist mit einem Ring aus einer Eisenkette gesichert«, beruhigte Connor sie. »Außerdem werden sich bei Tageslicht keine Geister hier herauf wagen und vor der Dämmerung versiegeln wir den Zugang selbstverständlich wieder. Genauso versiegeln wir natürlich auch alle undichten Stellen, sollten wir dort unten welche finden. Sie müssen sich also wirklich keine Sorgen machen.« Er schenkte seiner Mitbürgerin ein versicherndes Lächeln.

      Die schien tatsächlich wieder beruhigter. »Das klingt gut. Gibt es irgendetwas, das wir Anwohner tun können, um zu helfen?«

      »Das ist sehr nett von Ihnen. Sie könnten Ihren Nachbarn Bescheid geben, dass sie den Bereich um die Warteluke heute Nachmittag meiden sollen. An sich ist es hier zwar ungefährlich, aber da Geister ja von Lebensenergie angelockt werden, wäre eine Menschenansammlung hier eher ungünstig. Besonders später, wenn die Dämmerung naht.«

      »Ja, natürlich. Haben Sie denn irgendwelche Tipps für uns, was wir gegen die größere Anzahl an Geistern in unserer Nachbarschaft tun können?«

      »Wie lange wohnen Sie schon hier am Golders Hill?«

      »Mein ganzes Leben.«

      Wieder bedachte Connor sie mit seinem Mitbürgerkontakt-Lächeln, dem er je nach Situation verschiedene Dosierungen von beruhigend, versichernd oder deeskalierend beifügen konnte. »Dann bin ich mir sicher, Sie haben hier alles bestens unter Kontrolle. Wenn Ihr Haus gut gesichert ist und Sie bisher keine Probleme mit Geisterübergriffen auf Ihrem Grundstück hatten, machen Sie bereits alles richtig. Ihr Haus stört es nicht, ob es Sie gegen einen oder zehn Geister schützen muss, solange alle Sicherungen in gutem Zustand sind.«

      »Oh, das sind sie. Da achten mein Mann und ich sehr genau drauf.«

      »Perfekt.« Connor deutete in Richtung der Büsche, hinter denen die anderen sich einsatzbereit machten. »Um alles Weitere kümmern wir uns. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden? Wir müssen die Stunden bei Tageslicht so effizient wie möglich nutzen, damit wir bei Einbruch der Dämmerung alles kontrolliert haben und den Zugang zum Untergrund wieder rechtzeitig vor der Geisterzeit


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