Goldstück-Variationen. Michael Klonovsky

Goldstück-Variationen - Michael Klonovsky


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      Michael Klonovsky

      Goldstück-Variationen

      Reaktionäres vom Tage

      Acta diurna 2018

      Für Greta,

      die tapferste Schulschwänzerin

      seit Pippi Langstrumpf

      Überheblichkeit ist etwas Widerliches, und je moralischer sie sich gibt, desto widerlicher ist sie.

       C. S. Lewis

      Für den mittelmäßigen Menschen war die organische Verschmelzung mit dem System der leichteste Weg, sich von der eigenen Außergewöhnlichkeit zu überzeugen.

       Ryszard Legutko

      Endlich macht die Zeit den Saul

      Zur Verfolgung schwach und faul.

       Carl Schmitt

      Doch lacht nur zu,

      ihr leichtsinniges,

      lustgieriges

      Göttergelichter!

      Euch seh’ ich

      noch alle vergeh’n!

       Richard Wagner, »Siegfried«, 2. Aufzug, Alberich

      INHALT

       Vorbemerkung

       Acta diurna 2017

       Januar

       Februar

       März

       April

       Mai

       Juni

       Juli

       August

       September

       Oktober

       November

       Dezember

       Personenregister

      VORBEMERKUNG

      Das Menschengeschlecht ist zwar heillos darüber zerstritten, was gute und was schlechte Gewohnheiten sind, aber eine geheimnisvolle Einigkeit herrscht über die Nützlichkeit von Gewohnheiten als solchen. Deswegen erscheint nun Band fünf der Acta diurna. Da mit Erstlesern hier kaum zu rechnen ist, verzichte ich auf eine Erklärung des Formats; im Ausnahmefall gibt eine Internet-Suche oder die Lektüre eines der Vorgänger-Bücher rasch Aufschluss.

      Bei aller physiologischen, hygienischen und sittlichen Gebotenheit, die Acta diurna fortzusetzen, wird es doch immer komplizierter, aus dem Material der Online-Version eine Druckfassung zu destillieren. Die Fülle der verlinkten Texte, Meldungen und Statistiken, die vielen zitierten Leserzuschriften, Bilder und Grafiken, der Tagesaktualität geschuldete Korrekturen oder Ergänzungen sowie die überhaupt von Jahr zu Jahr wachsende Textmenge lassen zumindest Zweifel an der Kompatibilität der beiden Darreichungsformen aufkommen. Insofern verkörpert der vorliegende Band ein vorläufiges Ende. Der nächste – sollte es dazu kommen – wird eine veränderte Form finden müssen.

      Beispielhaft für die Unmöglichkeit, die Online-Variante im Druck wiederzugeben, möge der Eintrag vom 24. August sein. Das Original enthielt 17 Links, darunter zwei zu ausführlichen Betrachtungen über Zustände und Mentalitäten in Afrika, einige weitere zu exemplarischen Fällen rohester Gewalt sowie drei Fotos junger aggressiver Afrikaner, die in die spanische Exklave Ceuta eingedrungen waren. Eine wachsame Journalistin gruppierte Auszüge aus meinem Text in gewohnter Manier zu einer Collage, um mich gefährlicher Ansichten zu überführen. Am 6. September kommentierte ich in der Online-Version diesen Vorgang wie folgt:

      »Das Tourette-Syndrom zwingt den an Koprolalie Leidenden, immer wieder schmutzige Worte auszurufen. Viele pathologische Progressisten werden von einem vergleichbaren Syndrom gepeinigt, das sie zum zwanghaften Ausstoßen von Worten wie ›Rassist!‹, ›Nazi!‹, ›Sexist!‹ zwingt. Über Erfolge einer medikamentösen oder therapeutischen Behandlung der zweiten Gruppe liegen leider kaum Erkenntnisse vor. Ein beachtlicher Teil dieser Geplagten ist stattdessen in den Medien untergekommenen, wo sie versuchen, in häufigem Kontakt mit ihresgleichen ein relativ normales Leben zu führen. Aber eher verstärken sich die Affekte dadurch noch, und immer wieder kommt es zu peinlichen Zwischenfällen in der Öffentlichkeit. So versuchte sich eine arme Frau in der Frankfurter Rundschau Erleichterung zu verschaffen, indem sie mich als Adressaten für ihre zwanghaften Zuschreibungen wählte. Nicht jeder vermag die Nöte solcher Menschen zu tolerieren. Manchen« – und hier folgt wieder ein Link, diesmal zu einer ausführlichen Replik eines anderen Autors auf die maulende Myrte – »ist das unangenehm, weil ja auch Kinder zuhören.«

      Es war, wie gesagt, unmöglich, den gesamten in Rede stehenden Beitrag auch im Druck wiederzugeben, weshalb er in der vorliegenden Version gekürzt erscheint. Dieser Hinweis ist hier nur eingestreut, damit niemand auf den Gedanken kommt, ich nähme wegen der Politesse etwas zurück. Online bleibt der Text einsehbar. Ansonsten gilt auch für den fünften Band, was für seine Vorgänger galt: Einige Einträge wurden aus Platzgründen – oder weil Dopplungen vorlagen – gestrichen, andere sind gekürzt, gestrafft, aber niemals gemildert worden. Sämtliche Irrtümer gehen auf meine Kappe, und jeden Abend bete ich darum, dass auch alle meine Prognosen sich ihnen beigesellen werden.

München, im Februar 2019 Michael Klonovsky
ACTA DIURNA 2018

       1. Januar

      Silvesterfeier in einem georgischen Restaurant. Die Tische sind üppig gedeckt – bei den Völkern des Ostens gilt es als anstößig, sie abzuräumen, das Essen zieht sich über Stunden, es werden nur die abgegessenen Teller und Schüsseln durch neue ersetzt –, die Speisen sind wundervoll nahrhaft, es gibt wenig für Vegetarier und nichts für Veganer, doch es scheint auch kein einziger Vertreter dieser Observanzen anwesend zu sein. Die Gäste stammen aus allen Teilen der ehemaligen Sowjetunion: Georgier, Armenier, Ukrainer, Russen aus Ostpreußen, Russen aus Moskau, Russen aus Sibirien, Russen aus London, dazwischen einige wenige deutsche Männer, an ihrem Habitus leicht zu erkennen, die sich ihre Partnerinnen importiert haben. Es wird georgischer Wein serviert, auf den Tischen der Kaukasier steht flaschenweise Kognac, am guten Russentisch, dem ein ausweislich seiner Begleiterin reicher Mann mit dem Körperbau und der Physiognomie eines Metzgermeisters und der fröhlichen Laune eines Kindes präsidiert, wird Wodka getrunken, wobei die Speiseberge nahezu unberührt bleiben, man schiebt nur hin und wieder der Wodka (weiblich!) einen


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