Goldstück-Variationen. Michael Klonovsky

Goldstück-Variationen - Michael Klonovsky


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Einhegung zu Ausschreitungen führen. Aber mal Ernst beiseite: Der Feuerwehrchef ist ein gestandener, bislang offenbar nicht der Debilität verdächtigter Mann um die Sechzig, und er sondert solchen infantilen Schwachsinn ab. Sind diese Leute verrückt oder gekauft? Dass hier etwas absichtlich und vorsätzlich geduldet wird, kann ja kein Zurechnungsfähiger mehr übersehen.

       5. Januar

      Eine Journalistin der dpa, also einer Nachrichtenagentur, hat den Leiter der Leipziger Buchmesse, Oliver Zille, im Interview mit einer Kaskade von Frage traktiert, ob und warum er »rechte Verlage« zulassen werde. Im Grunde ist da nichts zu fragen, die banale Antwort würde lauten: Selbstverständlich, wir sind eine Messe, und da kann jeder ausstellen, linke Verlage finden sich ja auch zuhauf ein. Aber so einfach ist es bekanntlich nicht, weshalb die Interviewerin – die, ich wiederhole es, eine sich als Verbreiterin möglichst objektiv gehaltener Nachrichten ausgebende Agentur vertritt – von Anbeginn des Gesprächs in den Verhörmodus schaltet:

      »Auf der Frankfurter Buchmesse hat es im Herbst Tumulte an Ständen rechter Verlage gegeben. Wie sieht es im Frühjahr in Leipzig aus – werden wir rechte Verlage auf der Buchmesse sehen?«

      Es hat also Tumulte gegeben? Tatsache ist, dass linke Randalierer die Veranstaltungen besagter Verlage gestört, deren Stände verwüstet und Bücher beschädigt bzw. »entsorgt« haben (unter anderem meine). Wer Bücher zerstört, ist ein Barbar und hat auf einer Buchmesse nichts zu suchen. Und damit das nicht mehr passiert, sollen also die Verlage ausgeschlossen werden, deren Bücher zerstört wurden. Suggeriert eine »Nachrichtenagentur«.

      Der Rest ist Echolalie; die Journalistin stellt hintereinander die folgenden Versionen der immergleichen Frage:

      »Mit welcher Begründung lassen Sie die Auftritte rechter Verlage in Leipzig zu?«

      »Die Leipziger Messe ist eine GmbH. Wieso muss eine Firma die Meinungsfreiheit garantieren?«

      »Es gibt Initiativen wie #verlagegegenrechts, die das Argument umdrehen und sagen, Meinungsfreiheit wird nicht allein dadurch gewährt, dass man rechten Scharfmachern ein Podium bietet. Was sagen Sie dazu?«

      »Auf der Frankfurter Buchmesse musste sogar die Polizei eingreifen. Wie wollen Sie verhindern, dass es solche Szenen auch in Leipzig gibt?«

      »Wie viele rechte Verlage werden denn überhaupt auf der Messe vertreten sein?«

      »Sie sagen, die Aufmerksamkeit für rechte Töne nimmt generell zu. Aber indem Sie den Sprechern eine Bühne bieten, wird sie ja auch nicht gerade kleiner.«

      Fast alle Fragen laufen, bei Lichte besehen, auf einen »Kampf gegen links« hinaus. Aber das ist unserem dpa-Genie vermutlich schon selber aufgefallen.

      O Gott, was liest man: Alexander Dobrindt im Interview von Marionetta Slomka »vorgeführt«, weil der stammelnde CSUler ihr und dem Publikum nicht erklären konnte, was er eigentlich meint, wenn er eine »konservative Revolution der Bürger« anzetteln will. Dabei liegen die Antworten doch auf der Hand. Er hätte sagen sollen: Naheliegenderweise wollen wir zuerst einmal die Alimentierung Ihres Belehrungs- und Erziehungssenders beenden; anstatt dem Steuerzahler Milliarden abzupressen, damit Sie agitieren, schlemmen und mit Personal aasen können, sollten Sie sich der Konkurrenz am Markt stellen, und wenn die linken Lautsprecher des Staatsfunks heruntergedimmt werden, wird automatisch das gesellschaftliche Klima besser. Dann wollen wir Steuererleichterungen für Familien mit Kindern, sofern die Eltern etwas zum Gemeinwohl beitragen, eine Befristung aller Sozialleistungen außer für wirklich Bedürftige, die Wiederherstellung des Rechtsstaates an den Grenzen und vor Gericht, die Rückkehr des Sühnegedankens in die Rechtspflege, mehr große, moderne, sichere – und Donald Trump würde sagen: schönere – Gefängnisse für die Schulung derer, die momentan mit lächerlichen zur Bewährung ausgesetzten Strafen für schwere Verbrechen davonkommen, weil die Knäste mit dem Gold aus den Schiffen überfüllt sind. Wir wollen die Rückkehr zu einem Bildungssystem, bei dem die Schüler nach Verlassen der Schule lesen, schreiben und rechnen können und mindestens eine Fremdsprache beherrschen, die Beendigung der Abiturienten- und Geisteswissenschaftsstudentenschwemme und die Streichung aller Mittel für den Gender-Okkultismus, die Streichung sämtlicher Mittel, die in den verfassungswidrigen »Kampf gegen rechts« fließen, die Kürzung der Kultur- und Bühnensubventionen, weil dort ja eh nur noch Kultur demoliert wird, und natürlich eine Einwanderungspolitik, die Neubürger bevorzugt, die ihre Rechnungen selber bezahlen wollen (und können) bei strikter Abweisung und Ausschaffung aller anderen, zumal der zahllosen Straftäter, die sich hier breitgemacht haben. Wir wollen einen Mentalitätswandel, wir wollen, dass Frühaufsteher, Buckelkrummmacher, Arbeitsplätzeschaffer, Erfinder und Patentanmelder mehr und die Schwätzer, Sozialabsahner, Ideologieverbreiter und Asylindustriespitzbuben weniger Geld verdienen. Wir wollen überhaupt den Menschenschlag abschaffen, der für seine schiere Existenz eine Belohnung zu verdienen meint, und den Menschenschlag fördern, der selber für sich sorgt. Das hätte fürs erste genügt. Mehr hätte Frau Slomka in ihrer Sendezeit eh nicht untergebracht.

       6. Januar

      Warum sind bei den Jahreswechselfreiluftevents diesmal so viele Feuerwehrleute und Sanitäter angegriffen worden? En passant weist Vera Lengsfeld in ihrer Bilanz der diesjährigen Silvestergewalt, die von unseren sozialistischen Medienschaffenden in bewährter Konsequenz und im noch bewährteren Chor kleingeredet wurde, auf eine mögliche Ursache hin: Es waren diesmal weniger Frauen auf den Straßen unterwegs, worüber viele erwartungsfrohe Neumitbürger mit Recht sauer gewesen sein dürften – sieht denn so Willkommenskultur aus? –, so dass sie ihre überschüssigen Energien anderswo abarbeiten mussten. Und müssen.

      Irgendwann in den späten Achtzigern produzierte die DDR-Industrie, und zwar der VEB Halbleiterwerk Frankfurt/Oder in Kooperation mit Carl Zeiss Jena, einen Ein-Megabit-Chip. Toshiba stellte die Dinger damals schon massenhaft her, und Chips mit weit höherer Speicherkapazität befanden sich in Arbeit, doch die Propaganda tönte tagelang vom DDR-Elektronikwunder. Damals kursierte der Witz: »Wir bauen die größten Mikrochips der Welt!« Daran fühlte ich mich erinnert, als ich las, dass Bundesinnenminister Thomas de Maizière mahnt, Deutschland müsse sich mehr auf die Entwicklung von Chiptechnologie, vor allem von Sicherheitstechnologien kaprizieren, denn deutsche IT-Sicherheitsprodukte seien weltweit hoch anerkannt. Ungefähr so wie der Ein-Megabit-Chip aus der DDR?

      Deutschland verfüge doch kaum über IT-Sicherheitstechnologien, notiert der bloggende Informatiker Hadmut Danisch. »Außerdem gehören Mikroprozessoren und deren Speicherverwaltung nicht zu den ›IT-Sicherheitsprodukten‹, obwohl sie damit viel zu tun haben. Man kann aber nicht einfach mal unter ›Sicherheitsprodukte‹ einen Prozessor neu bauen. Und ob wir hier in Deutschland genug Know-How haben, um solche Fehler zu vermeiden, möchte ich bezweifeln – ich glaube nicht mal, dass wir hier rein leistungsmäßig konkurrenzfähige Prozessoren hinbekommen. Lasst es mich so sagen: Sie können ja nicht mal einen Flughafen bauen, und das ist prinzipiell einfacher. Und die Sicherheitsforschung ist in Deutschland ein Witz. Wir haben kaum befähigte Professoren, und die Professuren werden noch mit Quotenfrauen vermurkst, die bei Kryptographie und ähnlichem sofort kapitulieren.« Den künftig drohenden Cyberattacken von Terroristen, Kriminellen und unfreundlichen Staaten haben de Maizière und seine Truppe jedenfalls nicht allzu viel entgegenzusetzen.

      Zugleich hat die Bundespolizei, weil sie kaum noch Rekruten findet, die Anforderungen an die potenziellen Bewerber auf einen Ausbildungsplatz grotesk minimiert: Wer für den mittleren Polizeivollzugsdienst kandidiert, darf beim Einstellungstest-Diktat auf zweihundert Wörter 24 Rechtschreibfehler machen; die Unter- oder besser Obergrenze beim Body-Mass-Index (BMI) wurde auf 35 angehoben (ich dürfte als Polizeibewerber 116 Kilogramm wiegen, aber Mike Tyson hatte immerhin einen BMI um die 31), und die bislang geforderte Mindestkörpergröße wurde ebenfalls abgeschafft. Du darfst als Polizeianwärter dumm, fett und ein Gnom sein und wirst verbeamtet, aber trotzdem finden sie keine. Wer hat schließlich


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