Esther und Salomon. Elisabeth Steinkellner

Esther und Salomon - Elisabeth Steinkellner


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einzige,

      die meine schlechte Laune bemerkt,

      ist Flippa.

      »Du bist traurig«,

      sagt sie.

      »Stimmt gar nicht«,

      lüge ich.

      Sie kriecht zu mir ins Bett,

      drängt sich ganz dicht an mich heran

      und schlingt einen Arm um meinen Bauch.

      »Stimmt sehr wohl.«

      »Ich vermisse Valerie,

      aber sie mich nicht.«

      Ich lächle,

      als wäre das keine große Sache,

      dabei ist mir nach Weinen zumute.

      Aber Flippa kann ich ohnehin

      nicht täuschen.

      »Soll ich dir was vorsingen?«,

      fragt sie sanft.

      Ich zucke mit den Schultern,

      dann nicke ich

      und schließe die Augen.

      Flippa packt ihr gesamtes Repertoire

      an Gute-Nacht-Liedern aus,

      hängt ihre liebsten Disney-Songs dran

      und trällert schließlich noch

      ein paar selbsterfundene Hits.

      Ich atme ruhig und gleichmäßig,

      tue so,

      als hätte sie es tatsächlich geschafft,

      mich in den Schlaf zu singen.

      Sie rollt sich vorsichtig aus meinem Bett,

      tappt auf Zehenspitzen zum Schalter

      und löscht das Licht.

      Dann stößt sie einen kleinen Seufzer aus,

      als wäre sie die Mutter,

      die es endlich geschafft hat,

      ihr Baby zum Schlafen zu bringen.

      Ich erinnere mich an Tage,

      da konnte Papa nicht genug kriegen

      von Mama

      und sie nicht genug

      von ihm.

      Sie schwänzelten umeinander herum,

      warfen sich vieldeutige Blicke zu

      und konnten die Finger nicht

      voneinander lassen:

      Mama schob ihre Hand

      hinten rein in Papas Jeans,

      Papa seine unter Mamas Shirt.

      In diesen Momenten

      zwang mich immer irgendwas,

      drei Sekunden lang

      wie gebannt zuzusehen,

      um dann ganz angewidert wegzuschauen.

      Faszinierend und peinlich zugleich

      fand ich ihren seltsamen Turteltanz.

      Und nun?

      Nun frage ich mich,

      ob es Monate

      oder doch schon Jahre her ist,

      seit zuletzt ein solcher Turteltag war.

      Und ob ich länger als drei Sekunden

      hingesehen hätte,

      hätte ich gewusst:

      Es ist das letzte Mal.

      Wenn sie es mir wenigstens erklären könnten:

      Gab es einen großen Knall,

      einen erbitterten Streit?

      Hatte Papa was

      mit einer anderen Frau

      oder Mama was

      mit einem anderen Mann?

      Oder war es ganz anders?

      Wehte vielleicht eines Tages

      ein kühler Wind zur Hintertür herein?

      Kein Orkan, nur eine Brise,

      aber sie verfing sich

      in den Ecken des Hauses

      und fand nicht mehr hinaus.

      So kam es, dass die Kühle blieb.

      Ein stiller Gast,

      anfangs kaum bemerkt,

      aber weil niemand ihn aus dem Haus jagte,

      richtete er sich

      nach und nach

      immer mehr ein.

      Flippa und ich wollen ans Meer,

      aber Mama bleibt lieber am Pool

      und Papa sitzt an der Hotelbar.

      Ich habe beobachtet,

      wie die Barkeeperin versucht,

      mit ihm zu flirten,

      aber er schaut nur stur in die Zeitung

      oder auf sein Telefon.

      Wenn er bloß darauf einsteigen

      und seine Haare kämmen

      und Rasierwasser verwenden würde,

      um dieser fremden Frau zu gefallen.

      Vielleicht würde Mama dann

      eifersüchtig werden

      und sich auch ins Zeug legen,

      würde in ein enges Kleid schlüpfen

      und ihr ansteckendes Lachen lachen.

      Das würde wiederum Papa

      die Augen öffnen

      und schließlich würden sie beide

      wieder wissen,

      warum sie einander geheiratet haben

      und es gäbe ein Happy End

      im Sonnenuntergang.

      So läuft das doch in den Filmen.

Image

      Wir gehen alleine zum Strand.

      Es wuselt

      wie auf einem Ameisenhaufen

      und ich schärfe Flippa ein,

      dass sie nicht weglaufen darf,

      weil ich sie unter all den Menschen

      nie mehr finden würde.

      Sie nickt andächtig und ich weiß:

      Sie hält sich dran,

      wir zwei sind ein gutes Team.

      Jeder Streit zwischen Mama und Papa

      hat die beiden

      weiter auseinander

      und Flippa und mich

      näher zusammen

      gebracht.

      Neben uns

      sitzen ein paar Mädchen,

      vielleicht so alt wie ich,

      ständig zücken sie ihre Handys

      und


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