Esther und Salomon. Elisabeth Steinkellner
sich selbst.
Ich sehe ihnen eine Weile zu
und frage mich,
was für sie wohl mehr zählt:
der Moment,
den das Foto festzuhalten versucht,
oder jener,
in dem ihr Post den hundertsten
Like bekommt?
Flippa hat eine Spielkameradin
gefunden,
zusammen buddeln sie im Sand,
graben Kanäle,
schichten Mauern auf
und klopfen sie eifrig fest.
Zwischendurch laufen sie
immer wieder zum Meer
und schöpfen Wasser
mit ihren bunten Kübelchen.
Dann stehen sie,
von oben bis unten
mit Sandmatsch beschmiert,
vor ihrem Bauwerk
und gestikulieren wild –
vermutlich planen sie,
wo welche Prinzessin
ihr Zimmer haben soll
und ob der Drache
in der Höhle nebenan
böse oder freundlich ist.
»Wo sind denn deine Eltern?«
Das Mädchen
sieht mich fröhlich an
und zeigt mit dem Finger
einmal rund um sich
herum.
»Aisha und ich
sind jetzt Freundinnen!«
Flippa hopst so vergnügt neben mir her,
dass ich sofort vergesse,
wie sehr ich mich gelangweilt habe
an diesem Nachmittag.
»Aisha? Ein schöner Name.
Woher kommt sie denn?«
»Aus dem Hotel weiter drüben«,
erklärt Flippa,
»aber stell dir das vor:
Die kriegen dort zum Frühstück
keine Ananas!«
Sie sieht mich empört an
und ich will sie in den Arm nehmen
und ihr sagen,
wie gern ich sie mag.
Stattdessen
streiche ich ihr über die Haare.
»Ich meinte, aus welchem Land
Aisha kommt.«
Flippa zuckt mit den Schultern.
»Vielleicht aus Grönland.
Oder Sandland.
Aber auf alle Fälle
bringe ich ihr morgen
Ananas mit!«
Sie hopst voraus
und die Glücksspur,
die sie hinter sich herzieht,
reicht bis zu mir,
reicht für uns beide
und reißt erst ab,
als wir ins Hotel kommen
und die genervten Gesichter
unserer Eltern sehen.
Ich möchte Mama und Papa
ins Publikum setzen
und sie zwingen,
sich ihr eigenes Trauerspiel
anzusehen:
die lautstarken Streitereien,
das vorwurfsvolle Schweigen,
die wütenden Anklagen,
die verächtlichen Blicke.
Möchte beobachten,
wie sich auf ihren Gesichtern
Entsetzen breitmacht,
und sie dann fragen:
Spürt ihr jetzt,
wie weh uns das tut?
Begreift ihr nun,
dass all die bösen Worte,
die ihr aufeinander abfeuert,
auch die Umstehenden verletzen,
Flippa und mich?
Und dass es große Wunden sind,
die immer wieder aufklaffen
und für die kein kleines Pflaster reicht,
das man schnell mal draufklebt,
wie nebenbei?
Quizfrage:
Wer oder was
trägt die größte Schuld?
der Alltag
die Langeweile
die Überforderung
die Unachtsamkeit
der Stress in der Arbeit
die Schwiegereltern
Papas Bauchansatz
Mamas Orangenhaut
Papas Arbeitskollegin
Mamas Schulfreund von früher
Oder doch:
die zwei Kinder
die versorgt werden müssen
im Weg sind
ständig etwas brauchen
Zeit
Verständnis
Liebe
Sie stapft so eilig
Richtung Strand,
dass ich mich beeilen muss
um hinterherzukommen.
In ihren Händen hält sie,
fest umschlossen,
einen Becher
mit Ananasstücken.
Mein Handy piept.
Valerie schreibt mir,
dass sie mich vermisst.
Der Gedanke,
dass ich schmollen könnte,
weil sie tagelang
nicht geantwortet hat,
kommt mir für eine Sekunde
in den Sinn,
aber wirklich nur
für eine Sekunde.
Dann schicke ich ihr
eine ganze Zeile Herzen
und