Liebe ist die größte Macht. Anny von Panhuys

Liebe ist die größte Macht - Anny von Panhuys


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sie für ein Gotteswunder gehalten, war nichts weiter als der Rachestreich eines verliebten Mannes, der sich in seinen heiligsten Gefühlen verletzt gesehen, und sie war Fred Ulrich gerade recht dazu gewesen, das Mittel seiner Rache zu sein. Nicht Liebe hatte ihr den funkelnden Verlobungsring an den Finger gesteckt, sondern Rachegelüste waren es gewesen.

      Als Frau von Arnsdorf zurückkehrte, brachte sie es sogar fertig, ihr entgegenzulächeln. Oh, jetzt nur keine weiteren Erklärungen, von denen sie ja doch keine glauben konnte!

      Sie lächelte: „Ich möchte ausruhen, Onkel und Tante. Morgen sieht alles wieder ganz anders aus.“

      Ferdinand von Arnsdorf brachte sie nicht dazu, noch ein Gläschen zu trinken; sie schlüpfte nach raschem „Gute Nacht!“ hinaus.

      Ein bißchen beengt sah Berna Arnsdorf ihren Mann an.

      „Mir scheint Waltraut fast zu ruhig. Ich meine, es wäre besser, sie hätte ein bißchen geweint, denn das, was Inge gesagt, hat sie tief getroffen.“

      Ihr Mann schenkte sich ein.

      „Laß das Thema fallen, Berna! Ich habe mich jetzt gerade genug geärgert. Jedenfalls darf Fred von dem bösen Gewäsch kein Sterbenswörtchen erfahren. Sorge dafür, daß Waltraut ihn nicht etwa zur Rede stellt. Zu mir hat sie vorhin gesagt, eine Ehe ohne Liebe wäre unmoralisch. Ach, du, mir ist es eklig zumute. Furcht habe ich, Waltraut könnte uns aus unmodernem Romantikfimmel heraus noch Steine in den Weg werfen. Ich meine, weil wir doch das Geld sehr nötig brauchen, nicht wahr? Arnsdorf soll unserem Jungen erhalten bleiben, und wir haben doch jetzt die Sicherheit. Die soll man mir nicht wieder nehmen. Das könnte mich toll machen. Ich hab‘ ‘ne schöne Wut auf die Katze, die Inge. Hätte ihr am liebsten fühlbar die Krallen verstutzt, die sie heute ein bißchen zu weit ausgestreckt hat.“

      „Wollen schlafen gehen“, schlug Frau Berna vor. Sie fror plötzlich, und auf ihrer Brust lag es wie ein Alpdruck kommenden Unheils.

      7.

      Als man sich mit verärgerten Gesichtern am nächsten Morgen am Frühstückstisch zusammenfand, fehlte Waltraut.

      Eins der Mädchen meldete: „Das gnädige Fräulein ist schon sehr früh auf dem Rad fort. Ich soll bestellen, sie hätte Kopfweh und müsse ein paar Stunden an die frische Luft.“

      Man aß und trank ziemlich schweigsam. Nur einmal sagte der Gutsherr: „Wenn Waltraut zurückkommt, Inge, ordnest du die Geschichte von gestern abend, ich verlange das von dir.“

      Inge nickte nur. Ihr war heute ganz erbärmlich zumute, und sie war froh, daß man sie vorläufig in Ruhe ließ.

      Ungefähr um die gleiche Zeit hatte Waltraut auf ihrem Rade die Maschinenfabrik nahe der Kreisstadt erreicht. In riesigen Buchstaben drängte sich ihr der Name auf dem Firmenschild über breitem Torweg entgegen. „Friedrich Ulrich“ stand da. So hatten der Großvater und der Vater des jetzigen Besitzers geheißen, und so hieß er selbst. Fred war eine Abkürzung seines Vornamens. So hatte ihn immer seine Mutter genannt, und so nannte er sich seitdem.

      Waltraut wußte, daß Fred Ulrich allmorgendlich um acht Uhr hier sein Tagewerk begann. Sie hatte Glück; denn sie erfuhr, Herr Ulrich sei gerade vor wenigen Minuten gekommen. Sie ließ sich bei ihm melden, betrat gleich darauf sein Privatbüro.

      Er sah ihr sehr erstaunt entgegen und stellte dabei fest, daß sie wunderschön aussah in dem einfachen grauen Jumperkleid mit dem schräggestellten grünen Seidenmützchen auf dem sehr hellen Haar.

      Er war ihr entgegengekommen und reichte ihr die Hand.

      „Was führt dich her, Waltraut? Willst du dich einmal umschauen in meinem Betrieb oder hast du etwas auf dem Herzen? Ich stehe dir gern zu Diensten. Aber, bitte, nimm Platz.“

      Sie blieb stehen. „Ich weiß, du hast viel zu tun, Fred, und da möchte ich dich gar nicht besonders aufhalten. Ich bin nur gekommen, um eine einzige Frage an dich zu richten. Aber ehe ich es tue, bitte ich dich bei allem, was dir wert ist, beim Andenken an deine Eltern, beantworte mir meine Frage wahr und offen.“

      Er schüttelte verwundert den Kopf.

      „Das klingt ja unheimlich feierlich. Aber ich verspreche dir, wenn ich dazu imstande bin, deine Frage wahrheitsgemäß zu beantworten.“

      Sie sah ihn groß an und fragte: „Liebst du mich?“

      So einfach die Frage war, so schwer schien sie dem Mann zu beantworten. Die großen grauen Augen sahen ihn so forschend an, als wollten sie bis auf den Grund seiner Seele dringen.

      Jede andere Frage hätte er eher erwartet als diese.

      Eine Befangenheit bemächtigte sich seiner, die er abschütteln wollte und doch nicht abschütteln konnte. Diese großen Augen nahmen ihm die Freiheit, eine leichte Antwort zu geben.

      Fred Ulrich wich aus: „Ich begreife dich nicht, Waltraut. Genügt dir nicht, daß du meinen Verlobungsring trägst, und genügt dir die Gewißheit nicht, daß wir im September heiraten werden? Nachdem ich dich an diese beiden Tatsachen erinnert, dürftest du dir deine Frage allein beantworten können.“

      Er stand vor einem Rätsel. Was konnte Waltraut an der Beantwortung ihrer Frage liegen? Sie hatte doch so überschnell, so ohne jedes Überlegen eingewilligt, die Seine zu werden, daß auch bei ihr das Wort Liebe ausgeschaltet werden mußte. Sie hatte ihm zwar letzthin erklärt, sie liebe ihn sehr; aber das hatte er nicht höher bewertet, als vordem Inges seelenvollen Augenaufschlag, hinter dem sich doch auch nur Selbstsucht geborgen, nichts weiter. Kein Herz, keine Liebe waren mit dabeigewesen.

      Um Waltrauts Lippen zuckte es wie in verhaltenem Schmerz.

      „Einen Verlobungsring kann man auch einer Ungeliebten an den Finger stecken, und heiraten kann man eine Ungeliebte auch.“ Ihre Stimme war von Vorsicht gedämpft; dennoch schien sie Fred Ulrich laut, weil sie so heftig bebte, weil sie schwer und beladen war von Erregung, die sich losgelöst aus allertiefstem Herzen.

      Und die leise, heftig bewegte Stimme sagte: „Ja, auch mit einer ungeliebten Frau kann man sich verloben und kann sie zum Altar führen, und es mag viele Frauen geben, die damit zufrieden sind, selbst wenn sie genau wissen, alles geschieht ohne Liebe.“ Sie richtete sich unwillkürlich auf. „Ich aber, Fred, ich gehöre nicht zu ihnen. Und deshalb bin ich heute gekommen, um die kurze, einfache Frage an dich zu richten. Daß du sie nicht ebenso kurz und einfach beantworten konntest, ist mir schon Antwort genug. Ich weiß Bescheid und könnte nun gehen. Aber ich glaube, ich bin dir doch noch ein paar Erklärungen schuldig, und du sollst sie haben.“

      Fred Ulrichs Befangenheit wuchs. Er, der Lebenssichere, stand vor dem schmalen jungen Mädel wie ein auf einer Dummheit ertappter Schüler vor seinem Lehrer; aber all seine Sicherheit war klein geworden vor diesen klaren grauen Augen, vor dem seltsam traurigen, doch festentschlossenen Ausdruck des schönen Gesichts.

      Waltraut sah sich um. „Sind nebenan Menschen? Könnte irgend jemand etwas von unserer Unterhaltung hören?“

      „Die Türen sind schalldicht gepolstert. Liebes Kind, vergiß nicht, du befindest dich im Privatbüro des obersten Heerführers der Ulrichwerke.“

      Er sagte es im scherzhaften Ton, zu dem er sich gezwungen, weil die seltsame Situation ihn zu sehr beengte. Er wollte ein Lächeln um den Mund Waltrauts erwecken.

      Und das Lächeln zeigte sich wirklich; aber es tat ihm fast weh, es huschte fast flüchtig über ihr Gesicht und glich fast einer Schmerzempfindung.

      Er bat: „Setze dich doch!“

      Es war plötzlich Mitleid in ihm mit ihr, und er wußte noch nicht einmal, warum. Nur wie ein Ahnen empfand er, was hinter ihrer Frage gesteckt.

      Sie setzte sich. „Wie du willst, Fred. Aber setzte dich auch.“

      Und nun saßen sie sich gegenüber — er auf seinem Schreibtischsessel, sie in einem Klubsessel, der einen breitgewichtigen Rahmen um ihre schlanke Sportfigur bildete.

      Sie sah ihn jetzt nicht an; ihr Blick haftete in einer entfernten Ecke des


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