Systemabsturz. Constantin Gillies

Systemabsturz - Constantin Gillies


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angewiesen zu sein.

      Er setzt behutsam das silberne Metallgestell auf.

      Ja, seine Schätzung war korrekt, das Equipment stammt aus den Sechzigerjahren, die Aufschrift auf der Plakette ist eindeutig.

      CONTRACT NO. NAS5-2154, JUNE 29, 1962

      Mit wem die Nasa diesen Vertrag abgeschlossen hat und in welchem Projekt die Hardware eingesetzt wurde, gilt es zu einem späteren Zeitpunkt in Erfahrung zu bringen.

      Direkt unter der Plakette hat die Inventarverwaltung einen auffällig roten Aufkleber angebracht, wohl um Langfinger abzuschrecken.

       Property of: Goddard Space Flight Center – Nasa – Data Processing Branch

      Eigentum der Nasa?

      Chuck war, wie er, zeitlebens ein Law Abiding Citizen gewesen. Es ist undenkbar, dass er sich diese Gerätschaften auf ungesetzlichem Wege beschafft hat. Nur, warum hat er sie sich überhaupt beschafft? So wie sie hier stehen, übereinandergestapelt, mit Schimmelpocken überzogen und ohne Kabel, haben sie keine Funktion – und vermutlich nicht einmal historischen Wert. Selbst die Nasa würde die Geräte aufgrund des Schimmels als Gesundheitsrisiko einstufen und die Entsorgung empfehlen. Was wollte Chuck beweisen, in dem er all dies aufbewahrte?

      Neumann macht einen Schritt nach vorne.

      Ein paar Zoll kann er sich noch vorwagen, dafür reicht das Licht von draußen aus. Trotzdem sollte er vorsichtig sein! Gladys hatte sich erst unlängst beim Aufräumen ihres Kellers den Fuß verknackst, war mehrere Wochen immobilisiert und fiel im Diner aus. So ist es wohl in ihrem Alter: Kleinigkeiten, die man früher mit einem Lachen und einem Drink weggesteckt hatte, blähen sich zu einer Existenzbedrohung auf.

      Neumann hält sich an einem der Metallschränke fest und stellt sich auf Zehenspitzen, um hinter das Spalier aus Geräten schauen zu können.

      Ein Teleskop? Sein alter Freund steckt voller Überraschungen …

      Natürlich waren sie beim Lab von Menschen umgeben, die mit dem Kopf in den Sternen steckten, erstaunlicherweise jedoch beschränkte sich bei den meisten diese Leidenschaft auf ihren Beruf. In der Freizeit bevorzugte die Mehrheit der Raumfahrt-Profis irdische Zerstreuungen wie Tennis oder Golf.

      Chuck hat sich also mit Astronomie beschäftigt und tat dies – nach der Professionalität des Teleskops zu urteilen – recht intensiv.

      Neumann hält prüfend die ausgestreckte Hand neben das breite Rohr.

      Mindestens acht oder zehn Inch Blendenöffnung, zudem ist das Teleskop auf einer motorisierten Basis zum automatischen Nachführen montiert – kein Spielzeug für Kinder, eher ein Modell für den ambitionierten Satellite Watcher. Chuck muss dieses Hobby in den letzten Jahren aufgenommen haben, als er – von gelegentlichen Enkel-Einsätzen abgesehen – wieder über mehr freie Zeit verfügte. Vielleicht gibt dieses kleine Notizbuch eine Antwort, das auf der Ablage des Stativs liegt?

      Neumann hebt die Kladde an und schlägt sie vorsichtig auf.

      Was für ein wunderschönes Gefühl, wieder Chucks Schrift zu sehen! Diese weit ausladenden Bögen bei jedem »f« und »l« gaben seiner Handschrift immer etwas Aristokratisches.

       The Black Knight Diary

      Zweifellos ein interessanter Titel, von der Legende des Black Knight hatte beim Jet Propulsion Lab so ziemlich jeder gehört.

      *** #17 ***

      Selbst ein ungeschulter Beobachter könnte erkennen, dass es die Reisenden, die eben mit dem weißen Gulfstream-Privatjet angekommen sind, eilig haben. Nur Sekunden nachdem die Maschine zum Stehen gekommen ist, sprinten einige Männer in dunklen Overalls und Warnwesten herbei und sichern das vordere Fahrwerk mit Bremsklötzen.

      Der Tower hat der Maschine, die bis auf eine US-amerikanische Registrierungsnummer keinerlei Markierung trägt, eine abgelegene Parkposition am Rand des Flugfeldes zugewiesen, weit von den Terminals der Linienmaschinen entfernt. Nachdem die Männer in den dunklen Overalls routiniert einige Handgriffe am Rumpf ausgeführt haben, laufen sie zurück ins Halbdunkel, wie Fliegen, die vor der Hand eines Menschen fliehen.

      Die genau orchestrierte Abfertigungsprozedur geht in ihre nächste Phase. Ein schwarzer Kleintransporter schießt aus der Dunkelheit heran und kommt mit quietschenden Reifen neben dem Jet zum Stehen. Von innen wird die seitliche Schiebetür aufgerissen.

      Stillstand. Der Van steht mit gurgelndem Motor da, während aus seinem Auspuff dicke Wolken wabern, die den Jet nach und nach einnebeln.

      Wieder Bewegung: Die Kabinentür des Jets öffnet sich, und die aus zwei Teilen bestehende Treppe klappt aus. Das verchromte Geländer am Rand der Stufen verströmt den Luxus des letzten Jahrtausends.

      Als hätte er schon in der Kabine Anlauf genommen, hechtet ein Mann aus der Tür und nimmt die Treppe mit zwei gezielten Sprüngen. Seine Jacke hängt lässig über seiner Schulter, er trägt einen schwarzen Pullover und Jeans. Seine gesamte Erscheinung wirkt, trotz der informellen Kleidung, äußerst gepflegt: Sein Nacken ist sauber ausrasiert, das Deckhaar streng zur Seite gekämmt. Sein schwarzer Vollbart endet am Hals in einer akkurat getrimmten Kante, unterhalb derer kein einziger Stoppel zu sehen ist. Er dreht sich zum Jet um und schreit etwas gegen den Lärm der Turbinen an.

      Der nächste Passagier erscheint in der Tür: eine junge Frau in einem Kamelhaarmantel. Sie hat den Kopf nach hinten gedreht, als würde sie noch mit Personen in der Kabine sprechen. Ein kurzes Nicken. Sie dreht sich um, streicht sich eine rotbraune Haarsträhne aus dem Gesicht und beginnt, vorsichtig die steile Treppe hinabzusteigen.

      Bei jeder Stufe rutscht der graue Stoff ihres Hosenanzugs hoch und gibt den Blick auf ihre schlanken Fesseln frei. Sie trägt schwarze Nylonstrümpfe und ebenfalls schwarze, halbhohe Pumps, die an der Spitze mit einer silbernen Schnalle verziert sind.

      Der Mann mit dem Vollbart steht mit verschränkten Armen neben dem Van und beobachtet sie. Plötzlich springt er vorwärts, um der Frau ihre Tasche abzunehmen, dann lotst er sie behutsam in den Kleintransporter.

      Erneuter Stillstand. Vor dem Landescheinwerfer der Gulfstream fliegt Schneegriesel vorbei.

      Ein weiterer Mann erscheint am oberen Treppenabsatz. Anders als die anderen Passagiere scheint er es nicht eilig zu haben. Er schaut sich interessiert um und schließt seelenruhig den Reißverschluss seines dunkelblauen Parkas, der ihm – nach der Spannung des Stoffes zu urteilen – einige Nummern zu klein ist. Sein Haar glänzt nass.

      Er hält sich die Hand ans Ohr, als versuche er etwas zu verstehen, das ihm die Personen im Kleintransporter zurufen. Stirnrunzeln, unverständiges Kopfschütteln. Betont langsam stapft er mit seinen schmutzigen gelben Stiefeln die Treppe hinunter. Bei jeder Stufe blitzen seine weißen, behaarten Unterschenkel auf. Die Tatsache, dass er trotz eisiger Kälte eine kurze Hose trägt, lässt ihn noch stärker wie einen Komparsen wirken, der sich auf das falsche Filmset verirrt hat.

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