Gustav. Wolf Kampmann

Gustav - Wolf Kampmann


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ihm nicht.

      Das Wochenende zog sich mit lästigen Verwandten- und Bekanntenbesuchen in die Länge. Alle wollten das jüngste Familienmitglied noch einmal sehen, bevor es in diesen aussichtslosen Krieg ziehen musste. Gustav fand die Prozedur lästig, aber die Mutter duldete keinen Widerspruch. Der Vater blieb zu Hause. Er hatte keine Lust, diesen Haufen von Spießern und Opportunisten, wie er sich ausdrückte, zu sehen.

      Diesmal konnte Gustav den alten Herrn gut verstehen. Auch er war froh, als der peinliche Schaulauf endlich vorbei war. All diese Tränen nervten ihn. Am Sonntagabend holte der Vater eine Flasche Cognac, die er seit Friedenszeiten in der Kredenz aufbewahrt hatte. »Hier mein Junge, wer im Krieg für den Führer den Arsch hinhalten kann, der darf sich auch besaufen.«

      Am Montagmorgen begleitete der Vater seinen Sohn zu der Kaserne, in der er sich bis neun Uhr einfinden musste. Das alte Gemäuer in Dresden-Übigau war gar nicht weit vom Elternhaus entfernt. Einfach nur auf der anderen Seite der Elbe. Den hohen Turm der Drillanstalt konnte man von Cotta aus mit bloßem Auge sehen. Diesmal war die Mutter zu Hause geblieben. Ungewohnt liebevoll bedeutete Walter Bülow seiner Frau, dass er gleich zurück sein werde. Mensch, der Alte zeigt Gefühl, schoss es Gustav durch den Kopf. Schon in den letzten Tagen hatte er sich mehrfach gehen lassen. So kenne ich diesen komischen Kauz gar nicht.

      Auf dem Weg redeten die beiden kaum miteinander. Gustav war schon gedanklich mit den Kameraden an der Ostfront. Er freute sich auf seine schneidige Uniform, mit der er dem Feind trotzen würde. Das stolze Grau der Wehrmacht war doch etwas anderes als das kindliche Paradebraun der HJ-Kluft. Hinter den markanten Brauen des Vaters, die sich über die Augen zogen wie Baldachine, kämpften mehrere Dragonerregimenter ihre eigene Völkerschlacht, deren Ausgang ungewiss schien. Gustav hätte einiges darum gegeben, für einen Augenblick hinter dieses dichte Buschwerk dringen zu können.

      Als Vater und Sohn sich am Tor verabschiedeten, presste der alte Herr die Lippen fest zusammen, klopfte dem angehenden Rekruten auf den Oberarm und ließ ein hanseatisch knappes »Bis bald« hören. Dann drehte er sich ruckartig weg und ging, ohne sich umzublicken, zurück zu seiner Frau nach Cotta.

      Erst jetzt spürte Gustav, wie ein Gefühl von Abschied in ihm aufstieg. Auch wenn er in letzter Zeit immer seltener mit dessen Ansichten übereinstimmte, war der Vater doch immer für ihn dagewesen. Wann würde er seinen geliebten Beschützer wiedersehen? Und was würde aus Dresden werden, wenn er der Heimatstadt den Rücken kehrte?

      Doch er hatte nicht viel Zeit, sich seiner Wehmut hinzugeben. Die Kaserne saugte ihn ein. »Rekrut Bülow meldet sich zum Dienst, Heil Hitler!« Mit aller Kraft knallte er seine Hacken zusammen. Der Eindruck aber verpuffte im Schneematsch, denn die weichen Winterschuhe verursachten keinerlei Geräusch. Dem künftigen Kriegshelden stieg die Schamesröte ins Gesicht. Das fing ja gut an.

      Bei der Einkleidung herrschte ein unermessliches Durcheinander. Überall quirlten bewegliche Trauben von jungen Männern. Sie balancierten Berge von mausgrauen Kleidungsstücken durch die Gegend. Ständig fiel etwas runter, keiner wusste, was wem gehörte und wohin er sich wenden musste. Die Feldwebel versuchten mit ihren Kommandos vergeblich eine Struktur in diese Abläufe zu bringen. Durch die langen Gänge der Kaserne hallte ohrenbetäubender Lärm. Niemand verstand die blechernen Parolen, die aus den Lautsprechern dröhnten. Schlimmer kann es auf dem Schlachtfeld auch nicht werden, wurde Gustav von irgendwem zugeraunt. Hin und wieder entdeckte er in dem Gewimmel Gesichter einzelner Schulkameraden.

      Zu seinem großen Verdruss musste sich Gustav eine Uniform verpassen lassen, die ihm viel zu groß war. Die Hose reichte ihm fast bis unter die Achselhöhlen und nur das Koppel hielt alles notdürftig zusammen. Das hatte er sich anders vorgestellt. Er wollte gegen diese Zumutung protestieren, musste sich aber anschnauzen lassen, er sei hier nicht in einem Modehaus und solle sich mit dem zufriedengeben, was er bekomme. Den Russen interessiert es einen Scheiß, ob er mit Manschettenknöpfen oder in Unterhosen auf ihn schießt. Hauptsache er trifft.

      In der viel zu weiten Wehrmachtskluft fühlte sich Gustav gleich noch viel verlorener. Zum Glück gab es nirgendwo in der Kaserne einen Spiegel, der ihm die äußerliche Schmach vor Augen geführt hätte. Ach was, immerhin kommt es ja auf die inneren Werte an, Siegeswille, Kampfkraft, Entschlossenheit und Treue zu Volk und Führer. Doch so oft Gustav diese Formel auch vor sich hinbetete, das Heimweh, das ihn schon nach wenigen Stunden befallen hatte, wollte nicht weichen.

      Die Grundausbildung war kurz und hart, aber oberflächlich. Alles Wesentliche hatten die Jungs ja schon auf dem Schulhof oder an den Wochenenden in der Sächsischen Schweiz gelernt. Es ging noch einmal darum, sich im Zug aufeinander einzuspielen, sich zu hundert Prozent aufeinander zu verlassen. Gustav mochte seine Ausbilder nicht und bis auf einen seiner ehemaligen Klassenkameraden, Hartmut, konnte er auch seine Zimmergenossen nicht sonderlich leiden. Es war saukalt und die Aussicht, an die noch viel kältere Ostfront zu müssen, bereitete niemandem Vergnügen. Andererseits konnte es keiner abwarten, es dem Russki mal so richtig zu zeigen. Nach zwei Wochen Ausbildung sollte es ins Feld gehen.

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