Was die Spatzen im Zoo von den Dächern pfeifen. Ellen Driechciarz
Haussperlinge verbringen jedoch auch den Winter am heimatlichen Ort, wo sie selbst in der kalten Jahreszeit genügend Nahrung und trockene Unterkünfte finden. Natürlich nutzen die Spatzenpärchen den Zeitvorsprung im Frühling aus, um sich beizeiten in ihren Brutrevieren häuslich einzurichten. Und dort geben sie dann, für alle weithin hörbar, den Ton an. Der Schwarm vom Ziegenstall hat nun ebenfalls die Nischen und Höhlen unter dem Dach des Hauses in Beschlag genommen und in Spatzenmanier machen alle Vögel viel Aufhebens darum. Die Nistplätze sind hart umkämpft und jede Eroberung wird lautstark bekannt gegeben. Das ganze Theater bekommen im Moment freilich die wenigsten Zoobesucher mit, denn so früh im Jahr und bei unbeständigem Wetter lassen sich selten welche sehen.
Überall sind die Spatzen zunächst mit der Balz und dem Nestbau beschäftigt. Bei der Werbung machen die Männchen den Weibchen schöne Augen und werfen sich mächtig in die Brust. Sogar auf ihr Aussehen bilden sie sich etwas ein, obwohl es da nicht viel zu sehen gibt. Haussperlinge haben schlichte Gefiederfarben, jedoch erscheinen die Männchen mit ihrem aschgrauen Scheitel, den kastanienbraunen Streifen an den Kopfseiten und dem schönen schwarzen Brustlatz bedeutend attraktiver als die unauffälliger gefärbten Weibchen. Und voller Elan zeigen sie das jedermann.
Der von Sperlingsmännchen vorgetragene Gesang betört wohl auch nur Spatzendamen. Für menschliche Ohren hört sich das unmelodische Tschilpen nicht gerade schön an, aber ihr gefällt es. Vor der Hochzeit hüpfen die Männchen aufgeplustert und mit aufgeregt flatternden Flügeln um das auserwählte Weibchen herum. Doch oftmals streiten sich mehrere Herren heftig um eine Dame, sodass es bei der Partnerwahl ganz schön ruppig zugeht. Sind sich jedoch zwei einig, wird ohne Scheu vor aller Augen und ziemlich beharrlich die Paarung vollzogen.
An derlei ungestümen Hochzeitsbräuchen beteiligen sich Anton und Elise nicht mehr. Die beiden haben sich vor etlichen Jahren gefunden und sind seitdem ein Paar. Damals hat sich Anton sofort in das reizende, junge Spatzenmädchen mit der weißen Feder im Brustgefieder verguckt. Und diese kleine, von ihrem Vater geerbte Eigenheit liebt Anton bis heute. Er dagegen hat Elise mit seinem großen Geschick beim Nestbau beeindruckt und für sich gewonnen. Sie gehören zusammen, so wie sich auch andere Haussperlinge ein Leben lang treu bleiben.
Anton und Elise sind längst keine Anfänger mehr. Sie haben jahrein und jahraus zuverlässig für gesunden Nachwuchs gesorgt, sodass sie es heute im gesetzten Alter gemächlicher angehen lassen und sich vor allem auf das Wesentliche konzentrieren. Während sich andere Spatzenpärchen noch um die Nistplätze raufen, haben sich Anton und Elise schnell für einen Brutplatz entschieden und ihn gleich besetzt. Doch letztlich gibt es in der Nähe für alle genügend Nistmaterial und reichlich Futter für die Jungen. Auch spendet die große, anmutig wirkende Birke den Spatzennestern unter dem Dach Schatten und sorgt damit in heißen Sommern für angenehme Kühle. Doch vor allem lieben Anton und Elise die Aussicht. Von ihrem Nest aus können sie jederzeit das lustige Treiben der Ziegen und sogar das der Zoobesucher beobachten.
An ebendieser idealen Stelle hat der fesche Baumeister Anton seiner Elise auch diesmal wieder ein sehr kunstvolles Nest präsentiert. Er baut nicht einfach nur stabil, nein, er überrascht Elise gern mit ausgesprochen weichen Daunen als Polstermaterial und schmückt das Nest zusätzlich mit bunten Federn aus. Nur er weiß, wo man so schöne Federn findet. Obwohl die Nachbarn über so viel Luxus verwundert die Köpfe schütteln, genießt Elise diese Aufmerksamkeiten und richtet sich für das bevorstehende Brutgeschehen in der prunkvollen Unterkunft gemütlich ein.
In der Zwischenzeit hat Elise vier helle, unterschiedlich graubraun gefleckte Eier gelegt, die nun die volle Aufmerksamkeit der Spatzeneltern verlangen. Jetzt heißt es beharrlich brüten, denn nur aus gleichmäßig gewärmten Eiern schlüpfen kräftige Junge. Dazu wechseln sich beide Partner ab, aber Elise übernimmt, wie alle Spatzendamen, die Hauptarbeit.
Dann beginnt es zu regnen und das Wasser rinnt unaufhaltsam an den überhängenden Zweigen der Birke herab. Dem Baum verleiht das einen traurigen Ausdruck, der jedoch zum trübsinnigen Wetter passt. Das Nest aber liegt geschützt und trocken. Beim Brüten unterstützt Anton seine Elise tatkräftig und er bringt ihr jeden Tag eine neue, bunte Feder als Nestschmuck mit. Dafür fliegt er weite Wege in den Zoo hinaus. Aber weder diese Anstrengung noch das schlechte Wetter macht ihm etwas aus. Des Nachts schlüpft er mit ins Nest und zwitschert mit Elise in trauter Zweisamkeit. Gespannt erwarten beide das Ende der fast 14 Tage dauernden Brutzeit.
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Ein Nest voll junger Spatzen
Es ist der Morgen eines außergewöhnlichen Tages. Der Regen hat aufgehört und nach einem wunderschönen Sonnenaufgang lassen die Wolken nun endlich der Sonne den Vortritt am Himmel. Anton ist längst draußen unterwegs und genießt das schöne Wetter.
Aber was ist das? Deutlich spürt Elise in den Eiern ein kräftiges Zappeln und sie kann schwaches Piepsen hören. Ihr Herz macht einen kleinen Satz. Die Jungen wollen sich aus dem Ei befreien! Aufgeregt wartet Elise auf die Rückkehr von Anton, um ihm stolz die gute Nachricht zu verkünden. Während sie wartet, nimmt sie mit leisem Zwitschern Kontakt zu den Schlüpflingen auf und diese antworten ihr prompt. „Anton, es ist so weit!“, ruft sie ihm bei seiner Ankunft entgegen und widmet sich rasch wieder den wackelnden Eiern.
Anton bleibt etwas länger am Nest, um Elise hilfreich zur Seite zu stehen. Angespornt von der Spatzenmutter, öffnen die Spatzenküken mit einem kleinen Eizahn auf ihrem Oberschnabel geschickt die Eischale und sprengen mit kräftigen Bewegungen letztlich die Hülle. Nach und nach schlüpfen im Nest vier gesunde Spätzchen aus den Eiern. Sofort nimmt Elise die Sprösslinge unter ihre Fittiche, denn junge Sperlinge sind erst einmal nackt und frieren schnell ohne Wärmequelle. Bis ihnen ausreichend Federn gewachsen sind, müssen sie von den Spatzeneltern gewärmt werden. Aber schon wollen die Spatzenküken mehr. Sie sperren munter ihre gelb umrahmten Schnäbelchen auf und verlangen nachdrücklich Futter. Von nun an werden die Eltern keine ruhige Minute mehr haben.
Das Geschehen im Nest hat Anton vom Rand aus neugierig verfolgt. Und nun sind die aufgerissenen Schnäbel der Startschuss für ihn, eilends Futter herbeizuschaffen. Elise wirft ihm ebenfalls einen auffordernden Blick zu und Anton macht sich mit einem kurzen Winken der Flügel auf den Weg.
Erwachsene Spatzen ernähren sich vorwiegend vegetarisch von Getreidekörnern und Sämereien. Die Jungvögel jedoch sind auf Gedeih und Verderb auf tierische Kost wie Ameisen, Blattläuse und Raupen angewiesen. Und nun ist Anton auf unermüdlicher Jagd danach, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang.
Mit viel Schwung landet Anton auf dem Nestrand und schon recken sich ihm die weit aufgesperrten Rachen seiner Kinder entgegen. Aber auch andere Vogeljunge reißen bei jeder Erschütterung des Nests instinktiv den Schnabel auf und dieser Anblick veranlasst Vogeleltern, dort tüchtig Futter hineinzustopfen. Alle Sperlingsvögel verhalten sich so. Es ist allerorts ein naturgemäßes Zusammenspiel, um das Überleben zu sichern.
Anton hat aus der reichhaltig bestückten Speisekammer in der Nähe für jedes Spätzchen etwas mitgebracht. Das Futter verteilt er nun geschickt, aber auch gerecht an die bettelnde Schar. Nachdem alle Rachen gestopft sind, schwirrt er wieder davon und ist bald darauf erneut mit gefülltem Schnabel zurück. Der ist diesmal sogar so voll, dass ihm die begehrten Futterbissen rechts und links heraushängen. Anton sieht aus, als ob er neuerdings einen Bart trüge, und Elise muss kichern. Dann schenkt sie ihm einen zärtlichen Blick.
Nachdem Anton den Weg zur Futterquelle noch etliche Male zurückgelegt hat, löst er Elise im Nest ab, die nun an seiner Stelle die Futtersuche übernimmt. Arbeitsteilung während der Jungenaufzucht ist bei Haussperlingen üblich und so halten es auch die beiden. Bis zum Abend wechseln sich die Partner immer wieder ab, doch schließlich ist es geschafft. Satt und zufrieden sind die drallen Spätzchen eingeschlafen und Elise nimmt sie schützend unter ihre Flügel. Die Sperlingskinder zwitschern wohlig im Schlaf, denn unter Mamas Federdecke schläft