Was die Spatzen im Zoo von den Dächern pfeifen. Ellen Driechciarz

Was die Spatzen im Zoo von den Dächern pfeifen - Ellen Driechciarz


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zwitschern die vier vor Aufregung durcheinander und flattern heftig mit den Flügeln, was gleichzeitig eine Aufforderung an die Eltern zum Füttern sein soll. Doch diese beachten ihre Sprösslinge überhaupt nicht. Sie hüpfen draußen auf der Erde herum, picken eifrig irgendetwas auf und setzen sich danach auf einen Holzzaun. Unterdessen werden die Sperlingskinder immer aufgeregter. Als sie nicht mehr weiterwissen, rufen sie, um die Eltern auf sich aufmerksam zu machen, und endlich schauen die beiden herauf. Da fordert Elise die Kleinen auf, aus dem Nest zu ihnen herunterzufliegen. Nun schauen Heiner und die Mädchen ganz verdattert drein. Was ist denn das für ein Tag? Heute sollen sie ihr Nest verlassen und den Eltern hinaus in den Zoo folgen? Sie rücken erst einmal ängstlich zusammen, denn bei dieser neuen Perspektive wird ihnen ganz schwindelig. Zu ihren Füßen liegt schließlich eine unbekannte Welt.

      Es dauert eine Weile, bis sich die vier Spätzchen an den weiten Ausblick in den Zoo gewöhnt haben, aber irgendwann wagen sie sich, einer nach dem anderen, hinaus. Und plötzlich fliegen sie, denn das Fliegen ist ihnen angeboren. Jedoch müssen sie noch etwas üben, weil es nicht so einfach ist, die Kurve zu kriegen. Deshalb flattern sie zuerst nur eine kurze Strecke und merken alsbald, dass sich auch die Landung als schwierig erweist. Recht ungeschickt kommen die Mädchen nacheinander auf der Mauer am Ziegenstall an. Heiner dagegen macht eine Bauchlandung im Heuhaufen daneben. Aber schnell schüttelt er sein Gefieder wieder glatt und hüpft eilig auf die Mauer zu seinen Schwestern hinauf. Dann lachen alle befreit. Zum Glück haben sie wieder festen Boden unter den Füßen.

      Sofort lassen sich Elise und Anton bei ihnen nieder und die Sperlingskinder bekommen an diesem Tag endlich ihr erstes Futter überreicht. Freudig sperren alle vier die immer noch gelb umrahmten Schnäbel weit auf, schwirren heftig mit den Flügeln und geben laute Bettelgeräusche von sich. Schnell sind die Rachen gestopft und die Spatzeneltern auch schon wieder unterwegs, um für Nachschub zu sorgen.

      Fürs Erste gestärkt, betrachten die Spätzchen staunend die fremde Umgebung. Dabei bemerken sie zwei Tiere, die sich am Heuhaufen neben der Mauer zum Fressen eingefunden haben. Weil sie ihnen nicht geheuer vorkommen, rücken sie unwillkürlich enger zusammen.

      Als das Spatzenpaar wieder zum Füttern erscheint, fragt Heiner mit vollem Schnabel: „Was sind denn das für Tiere, sind die gefährlich?“

      „Aber nein, die sind nicht gefährlich. Das sind Zwergziegen, die von Kindern gestreichelt und auch mit Futter aus einem Automaten gefüttert werden dürfen“, erklärt Elise, nachdem ihr Schnabel wieder leer ist.

      Anton erzählt außerdem: „Wenn viele Besucher kommen, fallen für uns auch einige Bröckchen ab.“ Und schon brechen die Eltern wieder zur Nahrungssuche auf.

      Na, das ist ja interessant! Das sind also die Zootiere, die direkt vor ihrer Haustür leben. Vielsagend schauen sich die Spätzchen an, denn kaum haben sie einen gefüllten Bauch, hat auch ihre Entdeckerlust wieder die Oberhand gewonnen. Schnell sind sie sich einig, dass sie diese Ziegentiere sofort etwas genauer betrachten wollen. Sie machen sich bereit, um näher an die Tiere heranzuflattern, als dieses Vorhaben energisch von der Spatzenmutter vereitelt wird.

      „Was haben wir euch im Nest erklärt? Ab mit euch an einen sicheren Ort! Die Welt entdecken könnt ihr später noch, wenn ihr gut genug fliegen könnt.“ Elise scheucht die Jungen vor sich her in eine kleine, abseits gelegene Hecke, so wie sie es gelernt haben.

      Natürlich erinnern sich Heiner und die Mädchen an die Vorsichtsmaßnahmen, die ihnen im Nest lang und breit erklärt worden sind. Die interessanten Dinge ringsum haben sie jedoch so fasziniert, dass sie daran überhaupt nicht mehr gedacht haben. Sofort versprechen sie der Mutter, alle weiteren Schritte und Flüge erst einmal nur unter Aufsicht und gemeinsam zu unternehmen. So warten sie geduldig, bis die Eltern nochmals mit Futter zu ihnen zurückkehren.

      In der Zwischenzeit stellen die Kinder aber mit Freude fest, dass es in der Hecke auch sehr schön ist. Nach außen hin ist sie gut abgeschirmt und in den verschiedenen Etagen können Vögel prima hin und her hüpfen. Das probieren alle gleich aus und sie haben großen Spaß dabei. Aber Moni hat schnell genug davon. Sie setzt sich lieber auf einen der oberen Äste der Hecke, von dem sie eine gute Aussicht hat, und schaut sich die Umgebung an. Das Treiben da draußen fesselt sie, weshalb sie Heiner, Lisa und Tine begeistert zu sich ruft. Dann beobachten sie gemeinsam von ihrem Ansitz aus die Gegend.

      So artig versammelt treffen Anton und Elise die Kleinen bei der nächsten Fütterung an. Sie freuen sich sehr über den Gehorsam ihres Vierergespanns. Beschwingt überreichen sie die Futterportionen und bleiben diesmal bei den Jungen. In aller Ruhe fangen sie an sich zu putzen und die Kleinen machen emsig mit. So bringt jeder gewissenhaft sein Gefieder in Ordnung, bevor sie in der Hecke ein geräuschvolles Zwitschern anstimmen. Dabei sind Heiner und Lisa etwas lauter als Moni und Tine, aber jedes Spätzchen ist mit demselben Eifer bei der Sache.

      In nächster Zeit wird das typische Sperlingsgeplauder der kleinen Familie aus diesem Unterschlupf zu hören sein. Von Elise und Anton als Familienstützpunkt auserkoren, bietet er allen Komfort, wie Haussperlinge ihn lieben. Er ist eine gemütliche Schlafstelle, bietet Schutz vor Feinden und ist Ausgangspunkt für gemeinsame Ausflüge zu den Futterstellen und den wichtigen Sandbadeplätzen.

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      Junge Haussperlinge erobern die Welt

      Die erste Nacht ohne ihr kuscheliges Nest haben die Spatzenkinder gut überstanden. Doch erst spät am Morgen sind sie mit den Eltern im ungewohnten Nachtquartier aufgewacht. Nun rekeln und strecken sich alle genüsslich, schütteln eifrig ihr Federkleid auf und blinzeln dann zufrieden in den freundlichen Tag. Elise und Anton halten sich jedoch nicht lange auf, denn sie müssen wieder zur Nahrungsbeschaffung los. Die Aufgabe als Versorger ihrer Spatzenbrut ist noch längst nicht erledigt. Die vier unselbstständigen Spatzen werden von ihnen noch so lange geduldig verköstigt, bis sie gelernt haben, sich selbst zu versorgen.

      Als Anton und Elise davonschwirren, schauen ihnen die Kinder vertrauensvoll hinterher. Sie haben jetzt nichts weiter zu tun, als zu warten. Eine Weile beschäftigen sie sich damit, in der Hecke umherzuhüpfen. Dann setzen sie sich in eine günstige Warteposition, schließen die Augen und genießen die warmen Sonnenstrahlen. Bestimmt sind die Eltern bald zurück.

      In regelmäßigen Abständen kommen Anton und Elise mit Futter zu den Jungen zurück. Geschäftig fliegen sie hin und her, bis sie nach wenigen Tagen ihre Strategie ändern. Nun bleiben sie mit den Futterhappen in einiger Entfernung sitzen. Damit wollen sie die hungrigen Spätzchen zu sich locken, aber die haben schnell den Bogen raus. Unerschrocken folgen sie den Eltern überallhin und stärken dabei ihre Flugmuskulatur. Schon bald huschen sie gekonnt durch Hecken, schwirren elegant von Busch zu Busch, flattern hurtig über Besucherwege und sausen geschickt um Ecken herum, genau wie die Großen.

      Auf ihren Flügen beobachten Heiner und die Mädchen alles um sich herum sehr aufmerksam und schon bald wissen sie, wo sich die Futtersuche lohnt und was es dort alles gibt. Und so ganz nebenbei lernen sie, endlich allein zu fressen. Sie futtern nun ebenfalls Sämereien und Körner wie alle älteren Spatzen.

      „Insekten sind was für Knirpse“, verkündet Heiner hierauf frech und auch die Mädchen fühlen sich jetzt sehr erwachsen.

      Insektennahrung steht der Vogelwelt nicht das ganze Jahr zur Verfügung, deshalb fliegen viele Vogelarten im Herbst in südliche Länder. Haussperlinge finden jedoch immer Futter. Aus diesem Grund bleiben sie ihrer Heimat selbst im Winter treu. Obendrein beschert ihnen die Nähe zum Menschen zusätzlich eine Reihe ergiebiger Nahrungsquellen. Jedoch geraten neuerdings die Hausnachbarn des Menschen immer mehr in Not. Das liegt daran, dass sich für beide die Lebensbedingungen geändert haben. Während die einen ein modernes Wohnambiente bevorzugen, darben die anderen in diesem Umfeld. Da fehlt es Haussperlingen nämlich an Futter und Nistmöglichkeiten für die Jungenaufzucht und auch sonst sind natürliche Nahrungsmittel rar. Deswegen sind Erfindergeist und Mut zur Anpassung gefragt.

      Ein


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