Hasi. Christoph Straßer

Hasi - Christoph Straßer


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      »Sieht das aus wie etwas, das man in der Apotheke bekommen kann? Gehst du in die Apotheke und fragst nach einem vibrierenden Knüppel, den du dir in den Arsch schieben kannst?«

      Der Typ vor mir blickte sich hilfesuchend um, aber wir waren noch immer allein.

      »Hier spielt die Musik«, sagte ich und schnippte mit den Fingern.

      »Ich … hatte nur gehört, dass du hier was verkaufst. Mehr nicht … ich kann ja auch wieder …«

      »Wer? Wer hat dir gesagt, dass ich hier was verkaufe? Und was überhaupt? Drogen? Unterstellst du mir, dass ich hier Drogen verkaufe?«

      »Ich geh einfach wieder, okay?«

      Ich schüttelte den Kopf und ging langsam wieder um die Theke herum.

      »Aber einmal angenommen ich hätte etwas«, sagte ich schließlich und hob den Finger. »Was dürfte es denn sein?«

      »Was?«

      »Was du haben willst, will ich wissen.«

      »Tja, also … ich weiß nicht mehr so recht …«

      Ich legte den Vibrator aus der Hand und lächelte.

      »Komm schon, entspann dich. Ich hab dich doch nur verarscht. Alles cool.« Der Kerl entspannte sich wie auf Kommando und lächelte ein Lächeln, zu dem er sich ganz offensichtlich zwang.

      »Mann, du hast mich ganz schön erschreckt.«

      »Tja, das höre ich oft«, lachte ich und machte mit den Armen eine einladende Geste. »Also, was darf’s sein?«

      »Hast du Koks da?«

      »Wie viel?«

      »Zwei, drei Gramm?«

      »Leider nur ein Gramm. Ist aktuell schwierig zu kriegen.«

      »Das stimmt wohl. Okay, ich nehm das Gramm, wenn die Qualität okay ist.«

      »Die ist spitze, vertrau mir.«

      Ich zog meinen Schlüsselbund aus der Tasche und öffnete eine der Schubladen unter der Theke. Aus einer Geldkassette griff ich ein kleines Tütchen, in dem sich das Pulver befand, und legte es vor mich. »Das sind dann 90 Euro, der Herr.«

      »Das ist teuer.«

      »Wie gesagt: Spitzenqualität und schwer zu bekommen in diesen Tagen.«

      Er zog seine Brieftasche aus dem Sakko und reichte mir einen Hunderter. Anschließend gab ich ihm einen Zehner zurück.

      »Danke dir«, sagte der Mann, zwinkerte mir zu und schob sich das Tütchen in die Hosentasche.

      Oha, auf einmal war er wieder so mutig, dass er mir zuzwinkerte?

      »Alles klar«, sagte ich. »Und jetzt mach ’nen Satz, bevor ich dir die Zähne aus dem Maul prügle.«

      Das Lächeln des Typen fror augenblicklich ein.

      »Wie bitte?«

      »Hast du was an den Ohren? Verpiss dich!«

      Der Kerl hob beschwichtigend die Hände und zog sich zurück. Auf einem der Monitore konnte ich erkennen, wie er das Gebäude schließlich verließ.

      »Alles ätzend«, gähnte ich und setzte mich wieder.

      Wie schön und gemütlich der Handel doch wäre, wenn nicht die lästigen Kunden wären. Vor allem, wenn man nicht sicher sein konnte, ob es sich bei den Kunden um Zivilbullen handelte, die mir irgendjemand auf den Hals gehetzt hatte, weil er sauer, neidisch oder einfach nur ein Arschloch war. Mein kleiner Nebenjob machte mich nicht unbedingt reich, was auch daran lag, dass ich sehr vorsichtig war, aber er sicherte mir ein nettes Zubrot, das dringend notwendig war, denn von meinem Gehalt hier konnte ich gerade einmal die Miete und den Unterhalt für mein Auto zahlen. Im Grunde genommen war dieser Job eine absolute Katastrophe, die sich niemand freiwillig antun würde, wenn er nicht musste. Es wäre übertrieben zu behaupten, dass ich keine andere Wahl gehabt hätte, als diesen Job hier anzunehmen, aber tatsächlich bot er mir alles, was mir gefiel: Niemand gab mir Anweisungen, ich musste mich nicht morgens schon aus dem Bett quälen und ich konnte in aller Seelenruhe meinem Nebenjob nachgehen. Auch wenn dieser in letzter Zeit nicht mehr viel abwarf.

      Wahrscheinlich bestellten die Leute ihre Party- und Modedrogen inzwischen auch online oder nahmen ganz einfach nichts mehr, was wirklich bedauerlich wäre, zumindest für mich, da diese Tatsache mich zu einem trotteligen Sexshop-Verkäufer mit einem Sexshop-Verkäufer-Gehalt degradieren würde. Nein, an so etwas durfte ich gar nicht erst denken. Es würden auch wieder bessere Zeiten kommen. Ich verkaufte schließlich die Klassiker: Koks, Speed und gelegentlich ein bisschen Gras. Keine abgedrehten Sachen und erst Recht kein Junkiepenner-Zeugs wie Crystal Meth oder Heroin.

      Abgesehen davon, dass ich an diesen Kram überhaupt nicht herankam, überließ ich das Feld lieber der ekligen Sorte von Dealer, die selbst ihre besten Kunden waren und sich auch in Blowjobs bezahlen ließen. Und selbstredend durfte sich der Laden wohl kaum zum Hotspot für die Obdachlosen dieser Stadt entwickeln.

      Ich klickte mich gelangweilt durch die verschiedenen Filme, die wir in den Videokabinen anboten, bis mir auffiel, dass sich der Typ, der vorhin in einer dieser Dinger verschwunden war, noch immer keinen Film ausgesucht hatte. Laut Anzeige war der Bildschirm in seiner Kabine weiterhin schwarz. Ich blickte auf die Uhr: 15 Minuten vor Mitternacht.

      Wenn der Spinner sich nicht langsam mal entschied, dann würde ich hier wahrscheinlich übernachten. Ich klickte mit dem Zeiger auf das kleine Kamerasymbol, um zu sehen, was der Idiot da so lange trieb.

      Natürlich war es wegen der Datenschutzgeschichten streng verboten, in das Innere der Kabine zu sehen.

      Aber erstens wusste ja niemand, dass wir dazu in der Lage waren, und zweitens ging mir dieser Quatsch komplett am Arsch vorbei.

      Außerdem bot sich so gelegentlich die Möglichkeit, Pärchen beim Vögeln zu beobachten, wenn sie sich dazu wirklich in eine der ekligen Wichskabinen trauten. Ich betrachtete diese Show als Teil meines Gehalts.

      Das kam natürlich im Frühling öfter vor als jetzt im Herbst, wo hauptsächlich alte Kerle verzweifelt versuchten, ihr kleines Pimmelchen wenigstens so lange oben zu halten, bis sie sich einen auf ihren Schwulenporno heruntergeholt hatten.

      Das war dann selbstverständlich die weniger interessante Show, die ich dann auch gern übersprang. Mal sehen, was es jetzt bei dem kleinen Gammler zu entdecken gab, der sich überhaupt nicht zu rühren schien.

      »Das darf doch nicht wahr sein!«, rief ich und sprang von meinem Hocker auf.

      Ich riss eine der Schubladen auf und griff nach einem Paar Gummihandschuhe, das neben der Schachtel mit den Einweghandschuhen lag. Während ich um die Theke herum in den Gang mit den Kabinen lief, streifte ich die Handschuhe über und kramte in der Hosentasche nach meinem Schlüsselbund. Vor der Kabine angekommen, schloss ich die Tür auf und schob sie laut krachend zur Seite.

      Der kleine Penner saß noch immer schief in dem Schalensitz, der Mund war leicht geöffnet und seine Augen versuchten erfolglos, mich zu fixieren.

      Um den Oberarm lag locker ein Gürtel, und auf dem Fußboden zwischen seinen verrotteten Sneakers lag noch immer die Spritze, mit der er sich gerade irgendeinen Dreck in die Vene gejagt hatte.

      »Junkiescheiße!«, schrie ich, griff dem Kerl ins Haar und zog ihn mit einem Ruck aus dem Sitz.

      Beinahe ohne jeden spürbaren Widerstand ließ sich der Mann von mir über den PVC-Fußboden ziehen. Erst, als wir den Ausgang beinahe erreicht hatten, kehrte so etwas wie Leben in ihn zurück und er fummelte mit seinen kraftlosen, verdreckten Fingern nach meinem Handgelenk. Ich stoppte kurz und schlug ihm mit der Faust hart ins Gesicht. Sofort zog er seine Arme wieder zurück, und ich setzte meinen Weg mit ihm fort. Am Ausgang angekommen, griff ich mir noch seinen Hosenbund und zerrte den Mann auf den Bürgersteig, wo er hart landete und mit dem Gesicht nach unten wie tot liegenblieb. Ich sah mich um, aber außer uns war niemand zu sehen, was neben der Uhrzeit auch daran lag, dass


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