Die Winterkönigin - Ein historischer Roman. Maria Helleberg

Die Winterkönigin - Ein historischer Roman - Maria Helleberg


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einen besonderen Geruch, sie roch nach Fisch. Nach Hering und Salz. Dieser Geruch war bis in die Burg vorgedrungen und hatte sich überall festgesetzt, sogar in den Bettlaken.

      Nun regnete es auch noch in Strömen, und das Wasser tropfte nur so von Reitern und Pferden herab. Sie fing an, sich nach Vordingborg zurückzusehnen, vor allem als Eberstein sie auszog und wieder nach Spuren einer gefährlichen Krankheit untersuchte. Es war feucht und kalt in dem Raum.

      Am nächsten Morgen erkannte sie, daß es weder ein rauschendes Fest noch ein Turnier geben würde. So etwas fand wohl nur bei richtigen Hochzeiten statt, sie sollte ja nur verlobt werden, wie man ihr inzwischen erklärt hatte. Ihre Eltern ließen sich nirgends blicken, überhaupt schien keiner so richtig Verwendung für sie zu haben, also schlenderte sie ziellos umher. Die Burg war so viel kleiner als Vordingborg, gleichzeitig waren aber viel mehr Menschen hier, die alle geschäftig umhereilten.

      Es müßten doch eigentlich Gäste gekommen sein, dachte sie, jemand müßte doch mit ihrem Vater besprochen haben, daß sie verlobt werden sollte. Warum hätten sie denn sonst Ingeborgs Kleid umnähen sollen? Jemand müßte doch gekommen sein, um sie zu sehen. Aber für sie interessierte sich im Moment offensichtlich kein Mensch.

      Kristoffer war nirgendwo zu finden, also ging sie in die Kapelle, in der es wie immer ganz still war. Es gab keine Stühle und Bänke dort, aber sie konnte sich in eine Fensternische setzen. Von dort würde sie auch sofort sehen können, wenn Vater kam. Er war auf der Burg, das hatte sie an dem Löwenbanner erkannt, das auf dem höchsten Turm im Wind wehte.

      Aber kaum hatte sie sich eine Nische ausgesucht, als auch schon ein großer, weiß gekleideter Mann mit Tonsur auf sie zugestürzt kam.

      »Kannst du da wohl rauskommen!« schrie er. »Jetzt ist hier schon wieder eines von diesen Wendenkindern. Die muß hier weg, sonst haben wir wieder überall Läuse!«

      Ein zweiter Mönch kam angerannt. Er hatte seine Kutte mit beiden Händen hochgehoben, und Margarete konnte einen Blick auf seine behaarten Beine erhaschen. Auch er brüllte wütend: »Raus mit dir, du Bettelkind!«

      Sie rührte sich nicht von der Stelle. Das war ihr Haus, ebenso wie es das Haus ihres Vaters war. Er hatte ihr einmal erklärt, daß die Kirche ein Ort für alle sei. Alle wären dort willkommen, vom König bis zum Bettler. Die Burg war das Haus des Königs, aber die Kirche war das Haus Gottes und offen für alle. Das verstanden sie bestimmt nicht, diese dummen Mönche. Der eine ergriff ihren geflochtenen Zopf und zerrte sie daran hinter sich her. Sie wehrte sich, machte sich schwer und ließ sich über den Boden schleifen. Der Schmerz auf der Kopfhaut betäubte alles andere, sie schloß die Augen und versuchte nicht zu schreien. Sie trat wild um sich und griff mit ihren kleinen Händen nach der Kutte des Mönchs.

      »Was ist denn hier los?« fragte eine Frauenstimme. Die Tür stand sperrangelweit offen, und der kalte regnerische Wind schlug Margarete entgegen. Endlich wagte sie es, ihrem Schmerz nachzugeben und zu schreien. Die Tränen flossen ihr die Wangen hinunter. Der Mönch ließ sie los, und sie fiel auf die Knie. Was für eine Erleichterung! Mit gepeinigtem Blick sah sie zu Eberstein hoch, die den ganzen Türrahmen ausfüllte. Verglichen mit ihr waren die Mönche kleine Buben, die jetzt vor Scham erröteten.

      »Wir dachten, sie sei von unten aus der Stadt«, stammelten sie. Margarete stand auf und legte beide Hände auf ihren Kopf. Es fühlte sich an, als wären Kopf und Gesicht zum Zerreißen gespannt. Eberstein zog sie zu sich und legte ihre großen weißen Hände auf ihre Schultern.

      »Dies ist das Königskind, König Håkons Verlobte«, sagte sie. »Seht genau hin, und prägt euch ihre Gesichtszüge ein. Wenn ihr einst Äbte sein werdet, ist sie die Königin von Norwegen. Seid froh und dankbar, daß ich nicht vorhabe, dem König von eurem Fehltritt zu berichten.«

      Das schöne weiße Kleid wurde ihr angezogen, und danach wurde sie vom Ankleidetisch auf den Boden gesetzt. Dort stand sie ganz still, während ihr Haar gekämmt und mit einem Blumenkranz geschmückt wurde. Es war kein gewöhnlicher Blumenkranz, stellte sie fest. Er war mit Stahldraht geflochten, so daß er sich nicht auflösen und herabfallen konnte. Aber es war auch nicht der Kranz aus der Domkirche, den Ingeborg damals getragen hatte. Vielleicht würde sie den zur Hochzeit tragen dürfen.

      Auch die Festlichkeiten enttäuschten sie sehr. Eberstein begleitete sie in den großen Festsaal, und alle erhoben sich, als sie hereinkam. Aber es gab weder Musik noch einen Bräutigam. Da sie ihre Arme nicht beugen konnte, blieb ihr nichts anderes übrig, als still neben ihrem Vater zu sitzen, der ihr das Essen in kleine Stücke schnitt und sie wie ein Baby fütterte.

      Das hier entsprach so überhaupt nicht ihren gespannten Erwartungen.

      Das einzig Spannende war, wie sich Eberstein vor ihrem Vater verneigte. Sie verneigte sich so tief, daß man ihre großen weißen Brüste sehen konnte, die von dem zur Seite fallenden Halstuch entblößt wurden. Ihre Brüste sahen aus wie riesige weiße Tauben. Als sie sich wieder aufrichtete, schaute sie ihm in die Augen. Margarete folgte ihrem Blick und beobachtete das Gesicht ihres Vaters. Seine Wangen waren gerötet, und sein Mund stand offen. Aber er sagte nichts. Statt dessen griff er unbeholfen nach seinem Becher und stieß ihn dabei um. Er war leer und wurde sofort von einem Diener mit Wein gefüllt. Schnell nahm er einige Schlucke und wandte seinen Blick von Eberstein ab. Margarete vergaß das Geschehene sofort wieder.

      Sie bekam ein Glas Wein mit Wasser verdünnt und mit Honig gesüßt. Plötzlich trat ein Mann an ihre Seite und las laut einen langen Brief vor. Danach tat ihr Vater das gleiche, und zum Schluß wurde ihr ein Ring überreicht. Da dieser aber viel zu groß für sie war, verwahrte ihn Vater in einem kleinen Kästchen. Schließlich zeichnete er den Brief mit seinem Siegel, und der Fremde tat es ihm nach.

      Mutter saß still an der Tafel und aß nur wenig. Vater wachte die ganze Zeit über ihre Bewegungen. Sie achteten nicht auf Margarete, die Kristoffer am anderen Ende des Tisches zuwinkte. Er lächelte und winkte zurück, obwohl er immer ängstlich darauf bedacht war, nicht zu jung und kindlich zu wirken, wenn fremde Menschen dabei waren.

      Die Stimme ihres Vaters weckte sie auf. Er war wütend. Sie erinnerte sich langsam, wo sie waren und daß sie nun verlobt war. Und trotzdem hatte sich nichts geändert.

      »Ich lasse dich nicht gehen«, sagte er. Er mußte ganz in der Nähe sein, und sie machte sich ganz klein und versteckte sich unter den Decken. Sie standen mitten im Zimmer, Vater und Mutter. Ihre Mutter trug ein langes weißes Nachtkleid, ihr Vater war nackt.

      »Ich lasse dich nicht wieder davongehen«, sagte er, während er versuchte, sie in den Arm zu nehmen. Aber sie wand sich aus seiner Umklammerung, schlug stumm und verbissen nach ihm. Er drehte ihr beide Arme auf den Rücken, und sie sank mit einem merkwürdigen, halberstickten Laut auf die Knie. Er kniete sich neben sie, und seine langen weißen Arme umschlangen sie.

      »Ich lasse dich nicht gehen«, wiederholte er. »Es gibt nichts, was ich nicht kann. Es gibt keinen, den ich nicht erreichen kann.«

      »Ja, Eberstein hast du auch erreicht«, sagte Margaretes Mutter und warf ihren Kopf nach hinten. Ihr langes schwarzes Haar floß über den Steinfußboden, und sie ließ sich nach hinten auf den Rücken sinken. Mit ausgebreiteten Armen lag sie da, ihren Kopf warf sie von einer Seite auf die andere und lachte dabei. Er legte seine Hand auf ihren Mund und sagte ihr, sie solle leise sein. Er streckte sich neben ihr aus, legte eine Hand um ihren Nacken und zog sie zu sich heran. Leise flüsterte er auf sie ein, während heftige Zuckungen und Stöße durch ihren Körper gingen. Zum Schluß zuckten nur noch ihre kleinen nackten Füße.

      Dann hob er sie hoch und trug sie zum Bett. Sie mußte schwerer sein, als sie wirkte, denn er ließ sie ins Bett fallen.

      »Aber ich will keine toten Kinder mehr haben«, sagte er dann, drehte sich um und ging zur Tür hinaus. Einen Augenblick später war es wieder ganz still.

      2.

      Wie eine geschlossene Front kamen sie auf sie zu. Sie erkannte nur Eberstein, die allerdings hinter den beiden schritt, als hätte sie keinerlei Bedeutung. Das verhieß nichts Gutes. Es trat dann jedoch Eberstein zu ihr, verneigte sich und fragte, ob sie Zeit habe, die beiden


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