Die Frau im Schatten. Bodil Mårtensson
Er merkte, wie er sauer wurde, doch der Terminator machte mit seinen schwieligen Fäusten eine wegwerfende Handbewegung.
»Nein, nein«, versicherte er, »ich meine nicht, dass Sie es erfunden haben könnten. Stellen Sie sich vor, es wäre gefaked? Wie auch immer, aber rein theoretisch wäre das doch möglich.«
Sahlman hatte nicht gewusst, dass der Terminator sich so stilvoll ausdrücken konnte. Rein theoretisch also.
»Meine ich jedenfalls«, fuhr der Terminator fort und trank den letzten Rest seines dritten Bieres. »Wissen Sie, was die heutzutage alles draufhaben, Filmtechniker und Stunts und so? Gehen Sie nie ins Kino? Das ist vollkommen unglaublich. Ich zieh mir total gern solche ›Making-Of‹-Reportagen über neue Horrorfilme rein. Die haben Trickeffekte, die einen an den Teufel selbst glauben lassen!«
An dem, was der Motorradboss sagte, war zweifellos etwas dran. Sahlman selbst war vermutlich einfach viel zu sehr involviert gewesen, um das Ganze rational betrachten zu können.
Wollte man wirklich jemanden irreführen, hatte man mit der neuesten Technik ungeahnte Möglichkeiten, das formvollendet zu tun. Audiovisuelle Ausrüstungen waren durch modernste Technologie nahezu perfekt geworden und wurden in den unterschiedlichsten Bereichen angewandt, von denen Unterricht und Theater nur einige Möglichkeiten waren.
Das Handy in Sahlmans Manteltasche klingelte.
Er verwünschte den Klang, der seine umherirrenden Gedanken störte. Erstmals an diesem Abend wollten sie sich zu einem relativ schlüssigen Gebilde formen.
Es war Mandén vom Präsidium. »Sahlman? Wo zum Teufel steckst du?«, fragte er leicht säuerlich. »Du hast noch keinen Bericht abgegeben.«
Sahlman räusperte sich, und es gelang ihm erstaunlich gut, eine nüchterne Person vorzutäuschen.
»Da gab es nicht so viel zu berichten«, antwortete er ausweichend. »Ich muss sowieso morgen noch eine Kontrolle durchführen. Ich denke, da macht es keinen großen Sinn, vorher einen Bericht zu verfassen.«
»Okay, soll ich dich also ausstechen?«
»Ja, könntest du so nett sein? Ich war fertig vor... einer Stunde.«
»Da hattest du aber Glück«, hob Mandén hervor. »Hill und Gårdeman sind immer noch im Dienst. Sie haben sich zu einem mysteriösen Todesfall draußen nach Råå begeben.«
Wenn du nur ahntest, in welchen mysteriösen Fall ich mich begeben habe, dachte Sahlman, sagte aber klugerweise nichts davon.
»Wieso mysteriös?«, fragte er stattdessen.
»Eine junge Frau ist offenbar an Zyanid gestorben.«
»Zyanid?«, fragte Sahlman. »In Råå? Das kann nicht dein Ernst sein.«
»Doch, die Obduktion wird es zwar noch beweisen müssen, aber im Moment deutet alles darauf hin.«
»Das ist ja unglaublich – Mord oder Selbstmord?«
Sahlman bemerkte nicht, wie der Terminator unvermittelt und missmutig die Augenbrauen zusammenkniff. Dachte überhaupt kaum daran, dass er direkt neben ihm an der Bar saß. Und ahnte nicht die Tragweite seiner Erkenntnis, die den guten alten Terminator – diesen abweisenden, geheimnisvollen Kriegsfürsten – gerade in die Wirklichkeit zurückrief.
»Das bleibt abzuwarten«, antwortete Mandén und klang ein wenig gestresst. »Okay, dann sehen wir uns morgen.«
Er unterbrach die Verbindung und widmete sich einem neu hereinkommenden Alarm. Wieder würde man die Blaulichter wie unselige Plagegeister über den südlichen Zubringer schweben sehen, wo sie das Kunstwerk, das man im Volksmund Oscars Missgeburt nannte, umrundeten und sich weiter in Richtung Außenbezirke bewegten. In Gebiete, in denen akute Einsätze so selbstverständlich an der Tagesordnung waren wie die Angst ums eigene Leben, hervorgerufen durch die Anonymität der Architektur.
»Tut mir Leid, ich muss weiter«, sagte der Terminator überraschend und glitt geschmeidig vom Barhocker.
Sie hatten sich doch gerade erst warm geredet, wunderte sich Sahlman, oder nicht? Er war doch ein richtig... richtig angenehmer Typ. Man konnte sogar mit ihm plaudern, mit diesem rotbärtigen Motorradfreak. Warum hatte er es denn bloß so eilig?
»Noch ein Bier?«, versuchte Sahlman ihn zu locken.
»Nein, wirklich nicht!«, wehrte der Terminator ab.
»Ach kommen Sie schon... ich lad Sie ein...«
»Danke, nein, ich muss los«, sagte der andere. »Bis dann.«
Er war bereits auf dem Weg nach draußen, zog den Reißverschluss seiner Fransenlederjacke zu und nahm die Treppe zur Gasse hoch mit ein paar unerwartet nüchternen, raschen Schritten. Er war genauso schnell verschwunden, wie er aufgetaucht war.
»Ja, ja«, murmelte Sahlman enttäuscht. Wieder allein, drängten sich ihm sofort ungute Erinnerungen auf. Er rang mit seinem Gewissen, ob er sich noch einen weiteren Drink genehmigen oder lieber nach Hause gehen und sich ins Bett legen sollte. Schließlich siegte die ruhespendende Matratze über weinselige Versuchungen.
Sahlman kletterte widerwillig vom warmen Barhocker und wanderte durch die spektakulär mit Raureif überzogenen Straßen nach Hause zu seiner geliebten Wanda.
Sie mussten zusehen, dass sie heute Nacht genug Schlaf bekämen, er und der Goldfisch.
Denn morgen würde es wieder Zeit für Gespensterjagd werden!
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