Monkey Mind. Ralph De La Rosa
sind, diese Teile des Monkey Minds gezielt einzusetzen, zunächst als befremdlich oder sogar unangenehm empfinden. Ich will dich darin bestärken, mutig zu sein und dich für diese neuen Wege, die vitalen Energien von Körper und Geist zu erschließen, zu öffnen, um zu sehen, ob sie dir nützlich sein können. Falls das, was ich dir vorschlage, am Ende nicht förderlich für dich ist oder falls nichts hängen bleibt, dann kümmere dich nicht weiter darum und mache einfach mit dem weiter, was für dich am besten funktioniert.
Wir leben im Zeitalter von »Ich lese fünf Bücher zur selben Zeit und beende keins davon«. Diesen Satz höre ich oft. Ganz ehrlich, ich bin da nicht anders. Ich hoffe, dass Monkey Mind nicht zu einem dieser Bücher gehört. Dieses Buch soll dich auf eine Reise mitnehmen. Sie beginnt an der Oberfläche dessen, was wir alle als wahr bezeichnen, und führt uns dann durchs Kaninchenloch hinunter, hin zu den Wahrheiten und Realitäten, die im tiefsten Inneren schlummern. Ich wünsche dir, dass du jedes bisschen Klarheit und Wohlbefinden mitnimmst, das du dort findest.
Oder wie meine erste Lehrerin AMMA sagte: »Die Anzahl an spirituellen Wegen ist so hoch wie die Anzahl an spirituell Suchenden.« Ganz egal, ob Meditieren für dich spirituell ist oder nicht, der Kern der Aussage trifft immer zu: Jeder und jede von uns hat ein ganz und gar einzigartiges Leben, deshalb kann oder sollte die Praxis zweier Meditierender niemals dieselbe sein. Es ist deine Energie, die du aufbringst, und nur du wirst mit dem leben, was dabei herauskommt. Der Weg der Meditation, egal, wie du ihn für dich definierst, ist ein Weg der Selbstermächtigung, ein Feiern unserer unerschütterlichen Einzigartigkeit.
EINLEITUNG
»Schreibe einen wahren Satz.
Schreibe den wahrsten Satz,
den du kennst.«
Ernest Hemingway
DER WAHRSTE SATZ, DEN ICH KENNE: Es steckt immer mehr dahinter. Genauer gesagt, auch wenn wir häufig so tun, als seien unsere Eindrücke ganz objektiv, als würden wir mit unseren Sinnen die Welt immer so wahrnehmen, wie sie wirklich ist, ist das eigentlich nie der Fall ist. Und genau da liegt das Problem.
Menschliche Erfahrungen sind komplex und vielschichtig. Da ist viel »zwischen den Zeilen« verborgen, das, wenn es erst freigelegt ist, uns ganz schön überraschen kann. Unsere Eindrücke von Menschen und Dingen kratzen bloß an der Oberfläche, erzählen uns nur einen kleinen Teil vom großen Ganzen. Falls man dieses Buch auf ein Thema herunterbrechen will, dann dieses: Die Dinge sind häufig viel komplexer, als sie auf den ersten Blick zu sein scheinen. Deshalb stehen wir quasi in einem ständigen Dialog mit unseren Lebenserfahrungen. Es ist ein Dialog voller Kommas, Gedankenstriche, Semikolons und unzähligen Klammern – aber niemals mit einem Punkt.
Wenn wir das als Wahrheit akzeptieren – dass immer mehr dahinter steckt, als wir erahnen –, müssen wir auch andere Ideen akzeptieren. Wir müssen akzeptieren, dass jeder und jede mehr mitfühlende Beachtung verdient, als er oder sie normalerweise bekommt, uns selbst eingeschlossen. Wir müssen akzeptieren, dass mehr hinter all dem liegt, mit dem wir täglich zu kämpfen haben: dass etwas scheinbar Zufälliges eine Bedeutung hat, dass etwas scheinbar Schwieriges oder Grausames tatsächlich wertvoll und voll menschlicher Güte sein kann. Ist es vielleicht so, dass in den Schattenzonen des Lebens etwas Großartiges liegt, das nur darauf wartet, entdeckt zu werden? Vielleicht ist es ja sogar so, dass unser Frust, unsere Ängste, die wir bereits im Keim ersticken wollen, eigentlich das Tor zu dem reichen und zufriedenstellenden Leben sind, von dem wir wissen, dass es für uns bestimmt ist. Vielleicht wurden wir alle mit Gehirnen geboren, die den Dialog mit dem Leben zu schnell abschalten wollen. Vielleicht interpretieren unsere Gehirne das Erlebte so starrsinnig, dass wir nicht hören können, was uns ins Ohr geflüstert wird. Vielleicht können wir lernen zuzuhören.
Denken, Glauben und Verhalten sind letztlich immer Ausdruck unserer Wahrnehmung. Unsere Wahrnehmung ist eingeschränkt und immer eine Überprüfung wert.
Dieses vielschichtige Leben
IM SOMMER 2000 ENTLEDIGTE ICH MICH fast all meines Besitzes und folgte AMMA, einer weltberühmten indischen geistlichen Führerin, in den USA von Stadt zu Stadt. Ich reiste mit Greyhound-Bussen und Mietwagen, um gemeinsam mit Scharen von anderen spirituell Suchenden, die sich in Kongresszentren versammelten, ihre Segenssprüche und Lehren zu erfahren. Damals glaubte ich, mich treibe das Gefühl tiefster Hingabe an, Hingabe zu diesem Wesen, das mir wie die Verkörperung von Liebe erschien. Das stimmte in gewisser Hinsicht: Es war ein ganz wundervoller Sommer. Aber etwas tiefer hingeschaut, war ich auf einer raffinierten Mission, um mir selbst zu entkommen. Es war eine ausgefallene Alternative dazu, mich mit meinem von endlosen, schmerzlichen Geschichten geplagten Geist auseinanderzusetzen. Es war mein »Eat, Pray, Love«-Moment, lange bevor dieses Buch herauskam, und mit einem Ende, das sich keinesfalls für die Leinwand eignete. Denn als AMMA den letzten Segen auf dieser Tour sprach und ich mich von ihr lösen musste, fand ich mich am anderen Ende des Landes wieder und wusste nicht, wohin mit mir. Ich hatte kein Zuhause in diesem Sinne und keinen Plan für die Zeit danach. Ich traf einen alten Bekannten, der der Tour ebenfalls gefolgt war, und er bot mir ein Zimmer in Colorado an. Wenige Tage später befand ich mich in den Rocky Mountains, mit Pferden auf dem Hof und kilometerweit entfernt von den nächsten Nachbarn. Das Land war so ab vom Schuss, dass ich endlich das Gefühl hatte, die kaputte Version meiner selbst durch eine neue, spirituelle Version ersetzen zu können. Offensichtlich war hier die richtige Umgebung, in der mein neues, frommes Leben Wurzeln schlagen konnte.
Ich hatte nur das dabei, was in meinen secondhand erstandenen Samsonite-Koffer passte. Da war kein Platz für Musik oder ein Radio. Das war eine große Sache. Ich bin als Punkrocker aufgewachsen und spielte schon vor dem zarten Alter von zwölf Jahren in Hardcore- und Metal-Bands. Rebellische Musik hatte mir schon immer als Zuflucht gedient, aber dieser Zufluchtsort war nun wegen Umbaus geschlossen. Stellt euch meine Irritation vor, als mir Like a virgin von MADONNA nicht aus dem Kopf gehen wollte. Jeden Morgen stand ich bei Sonnenaufgang auf, machte Hatha Yoga, sang die vielen Mantren und Gebete aus meinem Repertoire und setzte mich dann ruhig hin, mit der Absicht, mich in eine tiefe Stille sinken zu lassen, als plötzlich … »Touched for the very first time! Like a vi-ir-ir-ir-gin … when your heart beats … next to mine …« in mir erklang.
Zwei Monate lang ging das so, jeden Tag, und ich wusste nicht, was ich dagegen tun konnte. Mir kam gar nicht in den Sinn, dass diese Erfahrung mit der menschlichen Evolution und der Dynamik meiner persönlichen Entwicklung verknüpft sein könnte, zwei der Kernthemen, um die es in diesem Buch gehen wird. Damals war ich mir sicher, dass es bei meinem Ohrwurm um genau das ging, was ich gleich im ersten Moment gedacht hatte: Mein Hirn wollte mich foltern, spießte mich auf ein Bett voll heißer Nägel alias Top-40-Musik-meiner-Kindheit. Mein bockiger Geist war mir Beweis dafür, wie ungerecht das Leben ist.
Bestimmt ist dir schon einmal etwas Ähnliches passiert. Aktuell schätzt man, dass der Mensch im Durchschnitt 12.000 bis 70.000 Gedanken pro Tag hat (Gedanken sind natürlich etwas sehr Flüchtiges, Subjektives, und es wird teilweise stark angezweifelt, inwieweit man hier wirklich aussagekräftig messen kann).1 Noch chaotischer sieht das Ganze aus, wenn wir uns jetzt noch vorstellen, wie viele Gedankenfragmente unter der Oberfläche unseres bewussten Geistes rumoren, die so zusammenhanglos sind, dass sie nicht als ganze Gedanken an die Oberfläche kommen – sie nannte der tibetische Meditationsmeister CHÖGYAM TRUNGPA RINPOCHE »unterbewusstes Gerede«. Von anderen tibetischen Lehrern des Buddhismus habe ich gehört, dass wir pro Fingerschnipsen 60 solcher Gedankenfragmente haben.2 Jedes unbewusste Rumoren entspricht einer der 100 Milliarden angeheizten Neuronen, von denen viele mit einem Tempo von etwa 320 km/h feuern. Diese starke Gehirnaktivität ist sogar für etwa 20 Prozent unseres täglichen Kalorienverbrauchs verantwortlich, auch wenn unser Hirn selbst nur etwa 1,4 Kilogramm wiegt, weniger als zwei Prozent unseres durchschnittlichen Körpergewichts. Dabei sind wir schrecklich festgefahren: 70 bis 90 Prozent unserer Gedanken wiederholen