Monkey Mind. Ralph De La Rosa

Monkey Mind - Ralph De La Rosa


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ich also, in diesem öffentlich geförderten Rehazentrum – einem Ort, an dem ich neben Männern schlief, die direkt aus dem Gefängnis kamen – und erfuhr zum ersten Mal in meinem Leben eine authentische, nachhaltige Transformation. Trotz meiner Erfahrungen mit geheimnisvollen Gurus und Ashrams begann mein ehrliches spirituelles Leben an meinem absoluten Tiefpunkt. Ich wachte auf, als ich am Boden lag, nicht, als ich auf dem Berggipfel stand. Die Geschichte darüber könnte ein weiteres Buch füllen, denn alles, was ich aus diesen sechs Monaten aus Walden House mitnehmen konnte, inspirierte mich dazu, die Person zu werden, die ich heute bin. Nach der Therapie zog ich nach New York, mit zwei Koffern, ein paar hundert Dollar, der Großzügigkeit einiger weniger Freunde, null Collegeabschlüssen und dem klaren Wunsch, der Welt das zurückzugeben, das mich gerettet hatte: Psychotherapie, Meditation und Yoga.8

      Wenn wir uns anschauen, in welche Dilemmas uns unser denkendes Gehirn häufig steuert, erscheint es absolut gerechtfertigt, es als Feind zu betrachten. Aber das würde zu kurz greifen. Schließlich gehören unser Gehirn und unser Kopf mit zum höchst Entwickelten in diesem uns bekannten Universum. Sie sind komplexer und geheimnisvoller als Nebelflecke und Supernovas; und zu Leistungen fähig, die wir vor der Zeit bestimmter wissenschaftlicher Entdeckungen als Wunder bezeichnet hätten.

      Stell dir dein Gehirn einmal als MARLON BRANDO in der ersten Szene von Der Pate vor, mit kratzender, flehender Stimme: »Was habe ich getan, dass du mich so respektlos behandelst?« Auch wenn unser Monkey Mind, der wilde und ungezähmte Teil unserer mentalen Erfahrung, manchmal wie der Star der Show erscheint, so ist er doch nur einer der Charaktere – ein Charakter, der deutlich mehr Mitgefühl und Rücksicht verdient, als er normalerweise bekommt.

      Willkommen zum Leitprinzip dieses Buches: radikale Nicht-Pathologie – das Verständnis, dass bei keinem von uns etwas falsch ist. Das bedeutet, dass, wenn wir unserem Leben mitfühlende Aufmerksamkeit schenken, selbst an den dunkelsten Orten unseres Inneren versteckte Schichten voll befriedigender Weisheit, Spontaneität, Sinnhaftigkeit und transformativem Potential freigelegt werden. Radikale Nicht-Pathologie erkennt, dass diese versteckten Schichten von Anfang an vorhanden sind. Sie sind nie verloren, auch wenn wir unsere Verbindung zu ihnen verlieren können. Im ersten Teil dieses Buches werden wir verstehen lernen, dass unser Monkey Mind einen sehr guten Grund für seine Existenz hat. Er ist nicht nur zufällig da, ist nicht das Produkt der Grausamkeit des Lebens, ist kein Beweis dafür, dass wir Versager wären, und er existiert nicht im Vakuum. Im Gegenteil, unsere repetitiven Gedankenmuster sind nur eine Auswahl von vielen repetitiven Mustern in unserem Leben, die ineinander übergehen, einen klaren Ursprung haben und versuchen, unsere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Unser Monkey Mind ist viel mehr als bloße kognitive Erfahrung; er ist verknüpft mit unserer Evolution als Spezies und unserem Überleben – angefangen beim ganz Persönlichen bis hin zu einer globalen Ebene.

      Ich werde den ersten Teil mit über lange Zeiträume getesteten, evidenzbasierten Übungen beginnen, die über das Konzept von Achtsamkeit hinausgehen, das normalerweise gelehrt wird, und aussagekräftige Methoden vorstellen, die die fundamentale Diskrepanz zwischen unserer Biologie und dem Leben, das wir leben, aufmerksam machen.

      Im zweiten Teil dieses Buches werden wir diese Methoden vertiefen und werden auch darauf eingehen, warum es so viele frustrierte Meditierende gibt. Wir widmen uns der Frage, wie wir den Lärm in unserem Kopf überwinden können, ohne dabei feindselig gegen uns selbst zu werden. Wir beziehen uns dabei auch auf die Traumatheorie, da sie uns alle betrifft. Die Art und Weise, auf die wir unangenehme Erfahrungen verinnerlichen, hat Auswirkungen darauf, wie sich der Monkey Mind zeigt, und durch Einblicke in diese Abläufe vertiefen wir unser Verständnis von Meditation.

      Teil drei bietet eine Erforschung der Schicht direkt unter unseren Gedanken, der recht unverschlüsselten Nachrichten also, die uns direkt ins Gesicht blicken, die wir aber selten wirklich sehen. Ich zeige Wege auf, wie du mit diesen Gedanken umgehen kannst, und zwar Wege, die, so hat die Wissenschaft herausgefunden, unser Wohlbefinden auf der körperlichen, emotionalen, kognitiven, sozialen und gesellschaftlichen Ebene steigern. In Teil drei beleuchten wir, was uns wahrscheinlich am meisten verwirrt: unsere starken Emotionen und das dynamische Netz, in das sie eingespannt sind. Hier werde ich eine einzigartige Zusammenstellung an westlichen psychotherapeutischen Ansätzen und östlichen Zugängen zur Meditation einführen, um dich möglichst unmittelbar erfahren zu lassen, worüber wir sprechen. Durch die Brillen der Evolutionspsychologie, Neurowissenschaften, Traumatheorie, radikal nicht-pathologischer westlicher Psychologie, des tibetischen Buddhismus und der Vernunft blickend werden wir uns hin zu einem neuen Verständnis unseres Selbst bewegen.

      Es ist mein Ziel, dass die hinter jeder unserer Neurosen versteckte Intelligenz für dich sichtbar wird. Du magst vielleicht anfangs noch zweifeln, während du weitere Beweise dafür auf den Seiten dieses Buches und in deinem Inneren sammelst, aber ich will dir sagen, was mich meine beinah zwanzigjährige Reise gelehrt hat: Unser tiefstes Selbst hat den Affengeist als eine Art Botschafter geschickt – ein wunderbares Geschöpf, das uns nervt in der Hoffnung, dass wir endlich seine wahre Nachricht hören können.

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       1. DIE VERANTWORTUNG FÜR DEIN GLÜCK ÜBERNEHMEN

       »Deine gegenwärtigen Umstände

      sind nicht ausschlaggebend dafür,

      wohin du gehen kannst;

      sie sind nur ausschlaggebend dafür,

       wo du beginnst.«

       Nido Qubein

       Der emotionale Aufwand bei Ablenkungen

      EIN HOCH AUF DAS AMERIKANISCHE BILDUNGSSYSTEM. Und damit meine ich vor allem unsere leider überarbeiteten und unterbezahlten Lehrer und Lehrerinnen. Es scheint, als ob sie die einzige Antriebs kraft der Lokomotive9 der amerikanischen Gesellschaft geworden seien, die sich wie niemand sonst den Berg hinaufkämpft. Ich habe den größten Respekt vor Lehrern und Lehrerinnen. Dennoch muss ich anmerken, dass die meisten von uns für mindestens zehn Jahre die Schule besuchen und dass gerade einmal die Hälfte davon sie mit einem Wissen über die fundamentalen Aspekte des Lebens verlässt. Wir haben unseren Kopf trainiert, damit wir uns Multiplikationstabellen und historische Daten merken, aber hat man uns je beigebracht, unsere Aufmerksamkeit zu trainieren, also gerade das, was Lernen und Erinnern möglich macht?

      Wir verbringen endlose Stunden in Biologielabors, aber wurde uns jemals die Wichtigkeit von Bewusstheit in Körper und Geist beigebracht? Wir haben etwas über das Wunder unseres Atmungssystems gelernt, aber wurde uns jemals erklärt, wie man den Atem einsetzen kann, um das Nervensystem positiv zu beeinflussen? Wir waren stundenlang in Klassenräumen eingepfercht, aber haben wir jemals gelernt, wie man wandernde Gedanken einfängt?

      Ein wandernder Geist ist ein unglücklicher Geist ist der Titel einer Studie von MATTHEW KILLINGSWORTH und DANIEL GILBERT.10 Die beiden Harvard-Psychologen haben herausgefunden, dass, sobald unser Geist und der gegenwärtige Moment nicht korrespondieren, uns das emotional aus dem Gleichgewicht bringen kann.

      Erledigen wir etwas und denken währenddessen über etwas ganz anderes nach, dann sinkt unsere Motivation; übrigens auch dann, wenn die Gedanken angenehm sind. Wobei es natürlich einen Unterschied macht, worüber wir da gerade nachdenken. Was wir fühlen, so stellten GILBERT und KILLINGSWORTH bei den Teilnehmenden ihrer Untersuchung fest, hat viel mehr mit dem zu tun, wodurch wir abgelenkt werden, als mit der Situation, in der wir uns tatsächlich gerade befinden. Kurz gesagt: Bist du gedanklich nicht bei der Sache, geht es dir schlechter – lenkst du dich dazu noch mit negativem Zeug ab, fühlst du dich sogar noch schlechter. So ist es, egal ob du dabei mit der Vergangenheit oder der Zukunft beschäftigt bist


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