Die bekanntesten Novellen, Dramen und Erzählungen von Anton Pawlowitsch Tschechow. Anton Pawlowitsch Tschechow

Die bekanntesten Novellen, Dramen und Erzählungen von Anton Pawlowitsch Tschechow - Anton Pawlowitsch Tschechow


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durchaus nicht . . . Und Ihre Körperformen sind auch so . . . Das Gesicht voll und weiß . . . und auch alles übrige . . .«

      Die Heiratsvermittlerin wurde verlegen.

      Auch Stitschkin machte ein verlegenes Gesicht und setzte sich neben sie hin.

      »Sie könnten noch sehr viel Beifall haben«, sagte er. »Wenn Sie einen soliden, gesetzten und sparsamen Mann bekämen, so könnten Sie ihm bei seinem Gehalt und Ihrem Einkommen sogar sehr gefallen und es könnte geradezu eine ideale Ehe werden . . .«

      »Ach, wie können Sie nur so etwas sagen, Nikolaj Nikolaitsch . . .«

      »Wieso? Ich . . .«

      Es trat Schweigen ein. Stitschkin begann sich laut zu schnauben, während die Heiratsvermittlerin errötete und ihn dann mit einem verschämten Blick fragte:

      »Und wieviel bekommen Sie denn, Nikolaj Nikolaitsch?«

      »Ich? Fünfundsiebzig Rubel, außer den Gratifikationen . . . Außerdem haben wir auch von den Stearinkerzen und von den Hasen einige Einnahmen.«

      »Sie beschäftigen sich also auch mit Jagd?«

      »Nein, Hasen heißen bei uns die Passagiere, die keine Fahrkarten haben, blinde Passagiere.«

      Es verging eine Minute, während welcher beide schwiegen. Stitschkin stand auf und begann erregt im Zimmer auf und ab zugehen.

      »Ich brauche keine junge Gattin«, sagte er. »Ich bin selbst nicht mehr jung, und ich brauche so eine, die . . . in der Art wie Sie . . . gesetzt und solid und so von Ihren Körperformen u. s. w. . . .«

      »Sie reden Gott weiß was . . .« kicherte die Heiratsvermittlerin, ihr knallrotes Gesicht in einem Tuch verbergend.

      »Was soll man denn da lange fabeln? Sie sind mir nach dem Sinn und Ihren Eigenschaften nach für mich geeignet. Ich bin ein solider, nüchterner Mann, und wenn ich Ihnen gefalle, so . . . worauf sollen wir denn warten? Gestatten Sie also, daß ich Ihnen hiermit einen Heiratsantrag mache!«

      Die Heiratsvermittlerin war zu Thränen gerührt. Sie lachte und stieß zum Zeichen ihrer Zustimmung mit Stitschkin an.

      »Nun«, sagte der glückliche Zugführer, »jetzt gestatten Sie mir also, daß ich Ihnen erkläre, welche Ideale und Lebensziele ich von Ihnen erwarte . . . Ich bin ein strenger, solider, gesetzter Mann, habe über alles gebildete Anschauungen und wünsche, daß auch meine Frau solid sei und wohl verstehe, daß ich Ihr Wohlthäter und der erste Mensch für sie bin . . .«

      Er setzte sich, seufzte tief auf und begann seiner Braut seine Ansichten über die Ehe und über die Pflichten des Weibes auseinanderzusetzen.

      Das schwedische Zündholz

       Inhaltsverzeichnis

      Am Morgen des 6. Oktober 1885 erschien in der Kanzlei des Amtshauptmanns des zweiten Distrikts des S–schen Kreises ein anständig gekleideter junger Mann und meldete, daß sein Prinzipal, der dim. Garde-Kornett Mark Iwanowitsch Kljausow ermordet sei. Der junge Mann war blaß und sehr aufgeregt. Seine Hände zitterten, und aus seinen Augen starrte der Schrecken.

      »Mit wem habe ich die Ehre zu sprechen?« fragte ihn der Amtshauptmann.

      »Psekow, der Gutsinspektor Kljausows. Agronom und Mechaniker.«

      Der Amtshauptmann und die zur Hilfsleistung requirierten Leute fanden, als sie mit Psekow am Orte der That anlangten, folgendes vor. Um das Nebengebäude, in welchem Kljausow lebte, drängte sich eine Menge Volk. Die Nachricht von dem Ereignis hatte schnell wie ein Blitz die ganze Umgegend durchflogen, und da der Tag ein Feiertag war, strömte das Volk aus allen umliegenden Dörfern zu dem Hause herbei. Lärm und lautes Gerede erfüllten die Luft. Hier und da sah man ein verweintes Gesicht. Die Thür zu Kljausows Schlafzimmer war verschlossen. Der Schlüssel steckte von innen.

      »Offenbar waren die Übelthäter zu ihm durchs Fenster eingedrungen«, bemerkte während der Besichtigung der Thür der zitternde Psekow.

      Man begab sich in den Garten, nach welchem hinaus das Fenster des Schlafzimmers lag. Das Fenster sah finster und unheilverkündend aus. Es war geschlossen und mit einer grünen verblichenen Gardine verhängt. Die eine Ecke der Gardine war ein wenig zurückgeschlagen, sodaß man in das Schlafzimmer hineinsehen konnte.

      »Hat jemand von Euch schon zum Fenster hineingesehen?« fragte der Amtshauptmann.

      »Nein, Ew. Wohlgeboren«, antwortete der Gärtner Jefrem, ein kleiner weißhaariger Alter mit einem Unteroffiziersgesicht. »Wie kann man denn hineinsehen, wenn einem die Kniee vor Schreck schlottern!«

      »Ach, Mark Iwanitsch, Mark Iwanitsch!« seufzte der Amtshauptmann, auf das Fenster blickend. »Habe ich Dir nicht gesagt, daß Du schlecht enden wirst! Wolltest auf mich nicht hören . . . Liederlichkeit hat noch nie zum Guten geführt!«

      »Ohne Jefrem hätten wir es überhaupt nicht gemerkt,« sagte Psekow. »Er war der erste, der darauf verfiel, daß hier etwas nicht richtig sei. Kommt heute Morgen zu mir und sagt: ›Wie kommt es denn, daß unser gnädiger Herr so lange nicht aufwacht? Die ganze Woche schon ist er aus dem Schlafzimmer nicht hinausgekommen!‹ Wie er mir das sagte, traf's mich gleich wie ein Donnerkeil . . . Gleich ging mir ein Gedanke durch den Kopf . . . Er hat sich seit dem vorigen Sonnabend nicht gezeigt, und heute haben wir Sonntag! Sieben Tage, das ist kein Spaß!«

      »Ja, der Arme . . .« seufzte nochmals der Amtshauptmann. »So ein kluger, gebildeter, gutmütiger Kerl. Unter Brüdern, kann man wohl sagen, der erste Mann. Aber liederlich, Gott habe ihn selig! – Stepan«, wandte sich der Amtshauptmann an einen der requirierten Leute, »fahr sofort zu mir hin und schicke Andrjuschka zum Kreishauptmann, daß er es ihm melde! Sage: Mark Iwanitsch ist ermordet! Und siehe auch nach dem Wachtmeister, wo er denn steckt. Er soll gleich herfahren! Und selbst fahre dann möglichst schnell zum Untersuchungsrichter Nikolai Jermolaitsch und sage ihm, daß er herkommen soll! Warte, ich will ihm einen Brief schreiben.«

      Der Amtshauptmann stellte um das Haus Wächter auf, schrieb an den Untersuchungsrichter einen Brief und ging zu dem Gutsinspektor Thee trinken. Zehn Minuten später saß er auf einem Taburett, biß vorsichtig kleine Stückchen Zucker ab und schluckte den siedendheißen Thee . . .

      »Ja . . .« sprach er zu Psekow. »Ja . . . Ein Edelmann, ein reicher Mensch . . . ein Liebling der Götter, kann man wohl mit Puschkin sagen, – und was ist aus ihm geworden? Nichts! Trank, führte ein lasterhaftes Leben und . . . und ist nun ermordet.«

      Nach zwei Stunden kam der Untersuchungsrichter angefahren. Nikolai Jermolaitsch Tschubikow, der Untersuchungsrichter, war ein hoher, stämmiger alter Herr von etwa sechzig Jahren, der seine Thätigkeit schon seit einem Vierteljahrhundert ausübte und im ganzen Kreise als ein ehrlicher, kluger, energischer und seinem Dienst ergebener Beamter bekannt war. Mit ihm war auch sein ständiger Begleiter gekommen, sein Gehilfe und Schriftführer Djukowski, ein schlanker junger Mann von sechsundzwanzig Jahren.

      »Ist es möglich, meine Herren?« begann Tschubikow, in Psekows Zimmer tretend und den Anwesenden flüchtig die Hände drückend. »Ist es möglich? Mark Iwanowitsch? Ermordet? Nein, das kann nicht sein! Un–mög–lich!«

      »Ja, was wollen Sie . . .« seufzte der Amtshauptmann.

      »Herrgott! Ich habe ihn doch am vorigen Freitag auf dem Jahrmarkt in Tarabanjkow gesehen! Ich trank mit ihm dort, mit Verlaub zu sagen, einen Schnaps!«

      »Ja, was soll man machen . . .« seufzte nochmals der Amtshauptmann.

      Mau seufzte und klagte, trank ein Glas Thee und begab sich nach dem Hause des Ermordeten.

      »Aus dem Wege!« schrie der Polizeiwachtmeister das Volk an.

      Im Hause angelangt, nahm der Untersuchungsrichter vor allem eine Besichtigung der Thür zu dem Schlafzimmer vor. Es ergab sich, daß die Thür aus Fichtenholz, gelb gestrichen und unbeschädigt war. Irgend welche besondere Merkmale,


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