Der Geruch des Todes. Cat Warren

Der Geruch des Todes - Cat Warren


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hatte nicht erwartet, dass der Tod eine Sonnenseite hat, und noch weniger, dass ein Hund mir diese näherbringen würde. Solo hat mir in den acht Jahren, die wir bereits gemeinsam arbeiten und trainieren, eine ganz neue Welt gezeigt: eine mitunter finstere Welt, doch erhellt das Licht, das durch ihre Schatten dringt, noch ganz andere Seiten meines Lebens.

      Solo und ich tun unsere Arbeit aus unterschiedlichen Gründen. Solos Motivation ist nicht nur das Zerrspiel am Ende, obwohl er sich darüber unheimlich freut, sondern auch die Arbeit an sich: Auf der Jagd nach geruchlichen Irrlichtern fegt er übers Feld wie Speedy Gonzalez. Mich hingegen motiviert es, Solo bei der Arbeit zu beobachten − einen schwarz-roten Schäferhund mit einem breiten Grinsen und einem gewaltigen Ruder von Rute. Seine Nase fängt eine verborgene Welt ein, deren geheimnisvolles Wissen er für uns Menschen übersetzt. Einer der Diensthundeführer bewunderte Solos deutliche Körpersprache mit den Worten: „Diesen Hund kann man lesen wie ein Buch.“ Glücklicherweise ein einfaches Buch, wie gemacht für eine arbeitshundetechnische Anfängerin wie mich. Eher Wilhelm Buschs Max und Moritz als Robert Musils Mann ohne Eigenschaften. Es ist gut, dass Solos Herangehensweise der von Wilhelm Busch entspricht, denn manchmal lässt mich die Welt der Vermissten und Toten nicht einschlafen. Ich drehe und wende sie in Gedanken, zerpflücke einzelne Puzzleteile in dem Versuch, undurchschaubare Handlungsstränge zu verstehen. Ein berühmter Leichenspürhundetrainer brachte es auf den Punkt: „Die Suche ist eine klassische Kriminalgeschichte.“

      Manch einer runzelt die Stirn, wenn er von meinem Hobby erfährt. Enge Freunde und sogar ein paar Kollegen an der Universität sind fasziniert von der Vorstellung, doch andere erschaudern. Manchen Kollegen gegenüber erwähne ich bewusst nicht, was ich in meiner Freizeit mache. Die meisten wissen nichts davon. Warum auch? Einer unserer Administratoren reagierte verdutzt, als ich meinte, dass ich die gleich stattfindende Konferenz verpassen würde; Solo müsse dringend eine Mordkommission bei der Suche unterstützen. Ob ich nicht Lust hätte, schlug er am nächsten Morgen mit lobenswertem Optimismus vor, meine Aktivitätenliste um Leichenspürhundearbeit zu erweitern − so als freiwilligen Dienst und soziales Engagement? Ich bin mir nicht sicher, ob dieses sonderbare Hobby meine akademische Glaubwürdigkeit unterstreicht, aber ich weiß zu schätzen, dass er die Möglichkeit in Betracht zieht. Mir ist durchaus bewusst, dass die Suche nach Toten ein esoterischer Bereich fern der Arbeitshundewelt und ganz schön gewöhnungsbedürftig ist. Rümpft jemand die Nase, wechsle ich das Thema und spreche über Politik.

      Akademiker haben natürlich kein Monopol darauf, sich überlegen zu fühlen. In ruhigen Momenten auf einer Suche fragt mich gelegentlich ein Vertreter des Sherriffs oder ein Polizeibeamter, womit ich mein Brot verdiene. Wenn ich erzähle, dass ich an der Universität unterrichte − dass ich Professorin bin, erwähne ich nie − zuckt mein Gegenüber manchmal zusammen und sucht verstohlenen Blickes Zeichen von Kraftlosigkeit und Schwäche an mir, bis uns die Suche unsere Unterschiede vergessen lässt. Dabei sind wir auf derselben Wellenlänge − für kurze Zeit zumindest.

      Solo hat keine Ahnung davon, dass ich ein Doppelleben führe und er mit ein Grund dafür ist. Warum sollte er auch? Er ist ein Hund. Ebenso wenig weiß er, dass Tod und Verfall des menschlichen Körpers Abscheu und Unsicherheit hervorrufen. Für ihn ist der Tod ein Zerrspielzeug. Für mich ist Solo der ideale Mittelsmann zwischen mir und dem Tod. Nicht nur auf der Suche, sondern auch beim Training wird er zum Mittelpunkt meines Universums − bis auf unser Suchgebiet gerät alles in Vergessenheit. Meine Aufgabe ist, ihn wenn nötig zu führen, aber nicht bei der Arbeit zu stören, dafür zu sorgen, dass er ausreichend Wasser trinkt und weder belebten Straßen noch Hinterhof-Rottweilern zu nahe kommt, und ihn ununterbrochen genau zu beobachten, während er Luftströme prüft und darauf reagiert.

      Die Suche nach Leichen ist eine eigentümliche Art Waldspaziergang. Wenn ich einer Schnappschildkröte begegne oder ein Indigofink durchs Blätterdach blitzt, oder wenn die winterlichen Wälder den Blick auf eine verlassene Tabakscheune zwischen goldenen Buchen freigeben, bleibt meine Freude bestehen, selbst wenn der Grund meines Ausflugs ein düsterer ist. Und es gibt nicht nur Schönes dort draußen: Verborgene Stacheldrahtzäune, Stechwinden und Kletternder Giftsumach, umgestürzte Baumstämme und Dickicht, Kahlschläge und mitten im Wald abgeladener Müll erfordern meine Aufmerksamkeit. Solo läuft nicht gern durch Stechwinden, doch abgesehen davon liebt er es, seine Nase in dunkle Löcher zu stecken, in Berge verrosteter Metallteile auf Schrottplätzen und in die Spalten der Grundmauern eines verlassenen Gehöfts. Ich fürchte mich mehr vor Schlangen, scharfen Metallplatten und Glassplittern als vor den Gefahren, die vom Menschen ausgehen − selbst wenn es sich um einen Mordfall handelt. Ich weiß auch mehr über den Drogenhandel in North Carolina als früher und meide bestimmte Autobahnraststätten entlang der I-40 selbst dann, wenn ich tanken muss.

      Überhaupt scheint die Welt mit einem großen Hund an der Seite weniger furchteinflößend − wenn man dem Tod ins Auge blickt, gilt das wahrscheinlich ganz besonders. Seit Tausenden von Jahren und in zahlreichen Religionen, vom Hinduismus in Indien bis zu den Maya-Religionen in Mesoamerika verlassen sich die Toten auf Hunde, um an ihr Ziel zu gelangen. Auch die Zarathustrier wollten einen Caniden am Begräbnis − aber nicht irgendeinen, sondern bevorzugt einen „vieräugigen“ Hund mit einem dunklen Fleck über jedem Auge. Ich stelle mir einen urtümlichen Schäferhund, einen Vorfahren Solos vor, der einen fröhlichen Slalom durch die Trauernden läuft.

      Tragödien, manchmal auch das Scheitern und eine gewisse unvermeidbare Grausamkeit sind Teil dieser Arbeit. Ich vergesse all diese Facetten nicht: Sie sind wichtig, ohne jedoch hervorzustechen, und zwar nicht nur, weil ich Solo an meiner Seite habe. Schlaue Ermittlungsbeamten und Sherriffs, erfahrene Fahndungsleiter, ortsansässige Helfer, die jeden Feldweg und Bach des Bezirks kennen, und Familien und Freundeskreise, die sich sorgen − die meisten bringen sich ein − beschäftigen mein selektives Gedächtnis und drängen alles andere in den Hintergrund.

      Die Arbeit mit meinem überschwänglichen Schäferhund und seiner guten Nase leitete eine Odyssee ein, die bald beginnen sollte, Welten miteinander zu verschmelzen, die ich jahrzehntelang unabhängig voneinander geliebt hatte: die Natur, die Forschung und das Schreiben über Biologie und angewandte Naturwissenschaft, und das Arbeiten und Spielen mit Tieren − in erster Linie mit Hunden. Die Nase des Hundes hat mich zu Umweltbiologen, Gerichts-anthropologen, Kognitionspsychologen, Leichenbeschauern und Militärforschern geführt. Ich hatte die Gelegenheit, talentierte Arbeitshundetrainer und -führer zu treffen, zu befragen und von ihnen zu lernen − Menschen, die ich bald so sehr ins Herz schloss wie die Hunde selbst. Ich habe gemeinsam mit Hundeführern und Trainern gearbeitet, die mit Drogen-, Bomben und Diensthunden trainieren. In der Welt der Strafverfolgung sind Hunde nicht nur gute Freunde, sondern unabkömmliche Partner, die den Menschen an ihrer Seite Nase, Ohren und manchmal auch ihre Zähne leihen. Sie riechen und hören Dinge, die den Hundeführern verborgen bleiben, und sind bereit, Orte zu betreten, vor denen die meisten Menschen zurückschrecken.

      Die Erkenntnis, die mich faszinierte, bestand nicht etwa darin, dass Gebrauchshunde schier Unmögliches möglich machen. Ohne den Menschen könnten sie das nicht. Vielmehr faszinierte mich die Einsicht, wie untrennbar ihr Erfolg mit dem Können des Menschen am anderen Ende der Leine und der Qualität seines Trainings zusammenhängt. Der Erfolg eines Gebrauchshundes ist alles andere als selbstverständlich: Das Training und der Umgang mit Hunden, die sich ihren Lebensunterhalt mit der Nase verdienen, erfordert Fantasie, Wissen und ständige Arbeit. Leben und Karriere jener Hundemenschen sind so eng mit ihren Tieren verwoben, dass es schwierig sein kann, zu erkennen, wo der Mensch endet und der Hund beginnt; sie ergänzen einander. Und zwar nicht, weil ihre Arbeit ruhig oder einfach wäre; das Gegenteil ist der Fall. Häufig arbeiten sie an gefährlichen Orten oder inmitten verheerender Katastrophengebiete − sei es aufgrund von Kriminalität, Krieg, Klimaveränderung, Erdbeben oder Flugzeugunglücken. Die einzigartige Perfektion der Mensch-Hund-Partnerschaft in unserer seltsam komplexen und mechanisierten Welt bewahrt Gebrauchshunde davor, überflüssig zu werden. Sie sind ein Überbleibsel aus einfacheren Zeiten. Manch einer sieht sie als sentimentalen und unnötigen Luxus. Nicht alle Hund-Mensch-Teams arbeiten effektiv − doch jene, die gut sind, sind sehr, sehr gut: Sie können Gerüche unterscheiden, Gebiete absuchen und Aufgaben erfüllen, denen keine Maschine gewachsen ist. Wir stellen neue Anforderungen an die alte Arbeit der Hunde.

      Arbeit und Training mit


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