Der Geruch des Todes. Cat Warren

Der Geruch des Todes - Cat Warren


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vertrieb sich unseren ersten gemeinsamen Abend mit Jaulen und Knurren und kaute sich methodisch durch eine Stoffbox, die teuer gewesen, Solo jedoch nicht einmal annähernd gewachsen war. Solo meinte, die Nacht sei noch jung, und ich heulte in Davids Armen. Ich wollte unseren neckischen, sanften Zev zurück! Seine schlimmste Sünde hatte darin bestanden, ein Stück Seife aus der Dusche zu stehlen und vorsichtig auf den Badezimmerfußboden zu legen, mit einem einzigen Zahnabdruck. „Ich mag ihn nicht!“, heulte ich, wobei David mich über Solos Jaulen hinweg kaum verstand. Ich sah eine düstere Zukunft vorher; einen Deutschen Schäfer, der wie ein Orkan durch unser Haus und unsere Ehe tobte und ein Schlachtfeld an Scherben hinterließ.

      David, seine Stimme sanft und entschlossen, sagte genau das Falsche: „Wir bringen ihn einfach zurück“, und mein verzweifeltes Heulen wurde doppelt so laut. Später behauptete David, dass er mit dem Vorschlag nur meine Depression hatte vertreiben wollen.

      Am nächsten Morgen erwachte ich in grimmiger Stimmung. Ich bewaffnete mich mit einer Bauchtasche voller fettiger Leberkekse und einem Plastik-Clicker, dessen Metallzunge ich mit dem Daumen nach unten drücken konnte, um mit dem resultierenden „Tock“-Geräusch das exakte Verhalten zu markieren, von dem ich wollte, dass Solo es zeigte. Das kleine Miststück! Ich würde es mit Clicks, Geduld und Keksen formen und modellieren wie einen Plastilinhund! Zumindest, bis er es aufgab, Megan aufreiten zu wollen. Die Vorstellung des Hundes, der sich zu meinen Füßen zusammenrollte und vor sich hindöste, während ich schrieb, hatte ich bereits aufgegeben.

      David und ich verliebten uns Hals über Kopf in Solo. Ich verliebte mich stärker, da ich alles ein paar Stufen intensiver empfinde als er. Zu Mittag desselben Tages hatte der Welpe mich völlig in seinen Bann gezogen. Solo war ein manischer Clown, ein Harpo Marx, der mich unentwegt zum Lachen brachte. Er war lustig und charmant − zumindest David und mir gegenüber. Er fand uns großartig und teilte uns dies in zahlreichen Worten mit: Er quietschte, knurrte, bellte, jaulte und fiepte mit einer Stimme, die einem angehenden Opernsänger alle Ehre gemacht hätte. Eine derartige Varietät hatte ich bisher nur in einer Sondersendung über Afrikanische Wildhunde auf National Geographic gehört. Solo starrte uns an, sagte „Gruuuuu!“, als wäre er ein Wolf, und verbog seinen Körper wie ein Akrobat, um unsere Reaktion zu sehen. Er fand Spielsachen, stürzte sich darauf, brachte sie uns, ließ sie fallen und ging rückwärts. Er begann, ihre Namen zu lernen. Er spielte und spielte und spielte. Mit uns. Nicht mit Megan. Er versuchte, uns zu beißen, und kollabierte in meinem oder Davids Schoß, wo er im Schlaf mit den Beinen zuckte. Sobald er aufwachte, fixierte er uns mit intensiven Blicken. Los geht’s! Wenn er nicht schlief, ließ er uns nicht aus den Augen und wartete auf das nächste große Abenteuer.

      Am zweiten Abend weinte ich nicht. Teils, weil ich erschöpft war, teils, weil ich zu erkennen begann, dass wir etwas Seltsames und Außergewöhnliches erlebten. Solo lenkte mich von meiner Verzweiflung ab. David, der Intelligenz höher schätzte als alles andere, versuchte vergeblich, seine Selbstzufriedenheit zu unterdrücken: Wir hatten den intelligentesten Hund, der ihm je begegnet war.

      Intelligent heißt nicht friedfertig. Megan schien in einem Schockzustand gefangen. Sie starrte uns an, ohne uns zu sehen, das Weiß ihrer großen braunen Augen deutlich sichtbar. Um ihr einen kleinen Vorteil zu verschaffen, weichte ich ihre fransigen Ohren in Bitterapfel-Spray ein, der Solos davon abhalten sollte, von ihren Ohren zu baumeln. In der zweiten Nacht setzte sie ihren ganzen bitterapfel-klebrigen Körper wie eine Raupe ein, um ihr Schaumstoffbett so weit wie möglich von Solos Box im Schlafzimmer wegzuschieben, Zentimeter für Zentimeter: „Ich. Kann. Diesen. Welpen. Nicht. Leiden.“

      Solo war das egal. Megan war nur ein Hund, und Hunde waren nicht seine Menschen. Solo hatte keine Wurfgeschwister, die er hätte vermissen können. Wir mussten keinen Wecker in die Box legen, um schlagende Geschwisterherzen zu imitieren. Er schlief die Nacht durch. Er fühlte sich alleine wohl.

      In den nächsten Tagen versuchten David und ich, Solo die internationale Bedeutung von „Au!“ zu vermitteln. Ohne Wurfgeschwister, mit denen er hätte interagieren können, hatte er diese Lektion versäumt. Joan hatte ihm natürlich beigebracht, was passierte, wenn er seine spitzen Zähne in ihre Haut bohrte − doch mit neuen Händen, die er beißen konnte, vergaß er das Gelernte ganz einfach. Wir schrieen jedes Mal auf, wenn uns die Welpenzähne berührten. Solo verstand den Zusammenhang nicht, legte aber interessiert den Kopf schief, wenn wir aufheulten. Seine freundliche, geduldige erwachsene Schäferfamilie hatte ihm niemals Schmerzen zugefügt, wenn er im Spiel grob wurde, und er hatte keine Vorstellung davon, was es bedeutete, jemandem wehzutun.

      Am vierten Tag legte Megan ihren betrogenen Blick ab und hörte auf zu sabbern. Sie schenkte Solo eine kurze königliche Spielverbeugung: Die Erlaubnis, Kontakt aufzunehmen, war erteilt. Als Nächstes brachte sie ihm grundlegende Manieren bei, die seine grobsten Regelbrüche unterdrückten: Schluss mit dem Beißen. Keinerlei Aufreit-Versuche. Kein Über-Megan-Stehen, wenn sie sich hinlegte. Keine riesige Welpenpfote auf ihrer Schulter. Sie bewegte sich ein winziges Stück zur Seite, sodass Solos Angriffssprünge ins Leere liefen und er, alle Viere von sich gestreckt, am Boden landete, statt die elegante Setterhündin zu rammen. Sie warf uns einen flüchtigen Blick zu und öffnete das Maul leicht, sodass ihre kleinen weißen Zähne hervorblitzten − ein Lächeln. Innerhalb weniger Stunden nahm Megans Rute wieder die übliche Position einer stolz im Wind wehenden Fahne ein, wenn ihre seidigen Fransen auch etwas in Mitleidenschaft gezogen waren. Zum ersten Mal, seit wir sie vor drei Jahren aus Oregon zu uns geholt hatten, flößte Megan uns Ehrfurcht ein. Unsere Traumtänzerin war erwacht. Wir beobachteten, wie sie sich auf Solo einließ und dann wieder zurückzog, wie sie den emotional beeinträchtigten Welpen geschickt und kaum merklich manipulierte. Wir wollten wissen, was Megan wusste.

      Auch Solo ließen wir nicht aus den Augen. Ich begann zu verstehen, was Joan mit ihren Anspielungen auf seinen „Nasentrieb“ gemeint hatte. David ging nach draußen, um im Garten zu arbeiten, und ich brachte Solo fünf Minuten später hinaus, um zu vermeiden, dass er ins Haus pinkelte. Er hatte kein Interesse, sein Geschäft zu erledigen; stattdessen senkte er seine Nase zu den warmen Steinen des Innenhofes und lief los. Er lief weiter durch die Bluthirse, die Nase dicht überm Boden. Seine spitzen Ohren ließen seinen Kopf wie eine Haifischschnauze wirken. Er hob die Schnauze nicht, bis er fest gegen Davids Beine stieß. Dieser hatte hinter dem Glashaus gearbeitet und blickte überrascht nach unten. Solo war seiner Spur dreißig Meter weit gefolgt, über zwei Kurven und drei unterschiedliche Oberflächen. Solos ganzer Körper wackelte vor Vergnügen und er biss fröhlich in Davids Jeans, bis dieser ihn mit einem „Au!“ unterbrach. Solo hatte seine erste kurze Fährte ausgearbeitet und ein neues Lieblingskommando: „Wo ist David?“

      Wir hatten Solo erst wenige Wochen, als uns mein Vater und meine Stiefmutter Angie von Oregon besuchten. Papa war selig, während seine alten Hände, deren Haut um die dicken Fingerknochen bei jedem Besuch lockerer wirkte, über Megans Kopf strichen. Er sah müde aus − nun, so hatte er den Großteil seines Lebens über gewirkt. Ich versuchte, Solo − das Gegenteil dessen, was Papa an einem Hund schätzte − müde zu machen und so weit wie möglich von den dreien fernzuhalten. Um drei drängten wir Papa Davids selbstgebackenes Brot und Schwarztee auf, um fünf einen Scotch auf Eis und lange politische Diskussionen. Papa war froh, dass ich sesshaft geworden war, mit meinem Doktortitel und einem guten, liebevollen Ehemann. Ich hatte länger dafür gebraucht, als er geplant hatte − mehr als vierzig Jahre. Wir hatten bereits öfter darüber geredet. Ich wusste, dass er nur das Beste für mich wollte, wenn er die Hoffnung aussprach, dass ich mich nun auf profunde akademische Gedanken konzentrieren könne. Jetzt, wo ich mein Leben mit dem intelligenten, humorvollen und verlässlichen David teilte, musste Papa sich keine Sorgen mehr machen, was die Vampire der Einsamkeit aus mir machen würden. Und weil ich unter die Akademiker gegangen war, würde ich, anders als zu meinen Zeiten als Reporterin, keine gefährlichen Unfälle in Chemielabors, Naturkatastrophen und Kriminalprozesse mehr recherchieren. Papa war beruhigt. Er hatte uns in Corvallis, Oregon, großgezogen, einer Stadt, die kürzlich zum sichersten Ort der Vereinigten Staaten gewählt worden war: keine Erdbeben, keine Hurrikans, keine Wirbelstürme, keine extremen Klimabedingungen, nichts. Er freute sich, dass mein Leben, abgesehen von einem gelegentlichen Hurrikan, jetzt fast so vorhersehbar war wie damals.

      Ich musste mich umgedreht haben. In diesem


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