Der Geruch des Todes. Cat Warren
Forensische Wissenschaftler sprechen heute von der „Prädation der Hunde“, doch obwohl wir einen hübschen lateinischen Namen für das Phänomen haben, halten wir lieber einen gewissen Sicherheitsabstand ein. Und doch: Vor ein paar Jahren strömten Kinder in unser örtliches Wissenschaftsmuseum, um eine der populärsten Ausstellungen zu sehen, die je aufgezogen worden waren: Es ging um Insekten und den Tod. TV-Serien wie CSI und Bones − Die Knochenjägerin haben uns im Umgang mit Maden und damit, was sie uns über das Verwesungsstadium eines Kadavers erzählen, erstaunlich abgehärtet und zur Beliebtheit eines ganzen Forschungsgebiets beigetragen: forensische Entomologie, die Lehre vom Tod und den Insekten. Wissenschaftler wissen jede Menge über die Rolle von Bären im Zusammenhang mit Kadavern; über die Rolle der Hunde ist weniger bekannt. Die Handvoll Studien, die zu diesem Thema auffindbar sind, zeigen jedoch, dass Hunde und ihre Cousins, die Kojoten, eine große Rolle beim Beseitigen menschlicher Überreste spielen.
Die Medien scheinen jede Menge darüber zu wissen, wie Hunde Tote finden. Die Geschichten finden sich überall, Hunderte, ja Tausende Varianten derselben Story: Jemand führt seinen Hund spazieren − und findet eine Leiche. Ich bin mir sicher, dass eine Studie zeigen würde, dass gewöhnliche Familienhunde auf Spaziergängen oder beim Streunen weit mehr Leichen finden als Hunde, die speziell auf diese Aufgabe trainiert wurden. Das ergibt sich ganz einfach aus den Millionen Hundenasen da draußen, die Überstunden arbeiten, ohne dafür bezahlt zu werden.
Je nachdem, wie man die Welt sieht, ist es etwa eine gute oder eine schlechte Idee, den eigenen Hund ohne Leine durch den Wald laufen zu lassen. Aber seien wir ehrlich: Angeleinte Hunde finden Tote nicht mal annähernd so oft wie Hunde im Freilauf. Im Allgemeinen ist das Auffinden von Leichen eine gute Sache, auch wenn Hundebesitzer und -sitter meist wenig begeistert von der Entdeckung sind.
Ollie, ein Golden Retriever, war an einem Januartag im Jahr 2012 im Freilauf in Hollywood Hills unterwegs. Seine Hundesitterin und ihre Mutter waren mit ihm und acht weiteren Hunden unterwegs. Ollie sprang ins Gestrüpp und begann, begeistert mit einer Plastiktüte zu spielen. „Er buddelte, buddelte, buddelte und bellte“, berichtet Lauren Kornberg, die Hundesitterin, dem örtlichen Radiosender in einem Interview. Ollie zerfetzte die Tüte und trug etwas Großes, Rundes im Maul. Als er es fallen ließ, rollte es in den Straßengraben. Kornberg gab zu, dass es ihre Mutter war − „eine verantwortungsbewusste Erwachsene“ −, die nachsah, worum es sich handelte, und den Kopf fand.
2011 brachte ein vierjähriger Labrador namens Fisch einen verwesenden menschlichen Arm in den Vorgarten seiner Besitzer in Mission, Texas. Der Polizei gelang es, Hand- und Armknochen sicherzustellen, bevor sie in Fischs Rachen verschwanden. Der erwachsene Hundebesitzer war traumatisiert − anders als seine achtjährige Tochter, die mit dem Fernsehreporter plauderte. Sie erzählte, dass ihr Hund auch gern den Hühnerstall der Nachbarn besuche: „Fisch findet alles. Zu Ostern hat er uns Eier gebracht!“
Ich kann die Reaktion ihres Vaters nachvollziehen. Auch ich würde Fischs Geschenke nicht annehmen.
Hunde, schreibt Paul Shepard, die menschliche Gräber plündern, erinnern uns an unseren bevorzugten Umgang mit Leichen: In der westlichen Welt verstauen wir sie meist sehr schnell an einem Ort, an dem wir sie nicht sehen müssen. Hunde wie Fisch rufen uns die Unordnung und das Chaos ins Gedächtnis, die notwendigerweise herrschen, wenn Arme oder Hände an Orten herumliegen, an denen Hunde sie finden können. Wir bevorzugen Hände entweder in Form von steriler Asche oder fachmännisch mit Formaldehyd konserviert, in einem Sarg, über dem Bauch des Toten überkreuzt. Andererseits: Wie du mir, so ich dir. Sowohl in der Vergangenheit als auch noch heute wird rund um die Welt Hund gegessen. Von schlechtem Gewissen kann keine Rede sein: Vieles deutet darauf hin, dass Hunde als Fleischlieferanten gehalten wurden und immer noch werden. In einigen Kulturen waren sie das erste landwirtschaftliche Nutztier, und in manchen sind sie es noch heute.
Meine ersten Recherchen zum Thema Leichenspürhunde schockierten mich kein bisschen. Mir war klar, dass es einen Unterschied machte, ob ich über das Thema las oder mich einem Toten gegenüber fand, doch die Vorstellung der Arbeit mit Leichenspürhunden brachte mich nicht aus dem Konzept. Im Gegenteil − sie machte mich glücklich. Vielleicht war mein Optimismus meiner Kindheit in den Wiesen und Wäldern, umgeben von Fischen und Jagen, Ausweiden, Rupfen und Häuten zu verdanken. Oder der Tatsache, dass ich mich um meine gelähmte Mutter gekümmert und viele Jahre in einem Pflegeheim gearbeitet hatte. Vielleicht war ich auch darum glücklich, weil mein Vater, der Biologe, mich gelehrt hatte, tote Organismen unvoreingenommen, aber nicht uninteressiert zu betrachten.
Die Arbeit mit Leichenspürhunden machte einen praktischen und unkomplizierten Eindruck auf mich. In den fröhlichen Worten Edward Davids, eines Leichenbeschauers, der zugleich zu den ersten gehörte, die Hunde auf diesem Gebiet trainierten: Die „Liebe zum Verfaulten“ liegt den Hunden im Blut. Warum sollten wir diese Liebe nicht hernehmen und ihr eine sozial nützlichere Richtung geben, als sich in toten Eichhörnchen zu wälzen?
Warum nicht diese Liebe hernehmen und sehen, ob wir mit ihrer Hilfe ein klein wenig Ordnung ins Chaos bringen können?
Es gibt fünfundsiebzig verschiedene Parfüms, und wer sich berufsmäßig mit der Entdeckung von Verbrechen beschäftigt, der muss sie alle voneinander unterscheiden können; mehr als einmal ist es mir passiert, ein scheinbar unerklärliches Rätsel mithilfe des Geruchssinnes sofort zu lösen.
- Sherlock Holmes, Der Hund von Baskerville, 1902 -
Wenn ich heute einen guten Hund bei der Arbeit beobachte, kann ich sehen, wie er den Geruchsfäden folgt, bis er mit der Nase ein eindeutiges Bild in die Luft gemalt hat. Ein erfahrener Hund kann den Unterschied zwischen Geruch illustrieren, der in der Hitze des Tages aufsteigt, sich an harte Grashalme anlegt oder von den Luftströmen über einem rauschenden Fluss angesaugt wird.
Auch ich setze meine Nase ein − selbst wenn ich dabei nicht so schnell und angestrengt laufe. Ich erkenne den Geruch von Urin im stickigen Stiegenhaus einer Parkgarage, Schimmel, der seinen Odeur ausbreitet, wenn man die darüberliegende Schicht feuchter Blätter zerstört, und den fischigen Duft eines Deutschen Schäferhundes, der im August in den Eno-Fluss gesprungen ist.
Schon bevor ich begann, mich intensiv mit der Hundenase auseinanderzusetzen und darüber zu recherchieren, wusste ich, dass sie wesentlich besser war als die menschliche Nase. Solos Nase war der meinen weit überlegen. Wenn David in der Küche mit der Schere ein vakuumverpacktes Schnitzel auspackte, weckte das lautlose Aufsteigen der blutigen Luft Solo und lockte ihn aus dem Nebenzimmer an. Dennoch befand ich, dass ich die Fakten erst wissenschaftlich unter die Lupe nehmen musste, bevor ich behaupten durfte, dass Hunde die Meister der olfaktorischen Domäne seien. Klar, Solos Nase war größer als meine − aber nicht immer kommt es auf die Größe an.
Was hat es mit der Nase des Hundes also tatsächlich auf sich? Ich möchte den Leser nicht lang auf die Folter spannen: Ehrlich gesagt wissen wir nicht sonderlich viel über die olfaktorischen Fähigkeiten unserer Vierbeiner. Als ich mit meinen Recherchen begann, fiel mir auf, dass die Zahlen, die sich in der wissenschaftlichen und unterhaltenden Literatur fanden, eine große Bandbreite aufwiesen: Einmal war die Nase des Hundes zehn Mal besser als die des Menschen, dann wieder hundert Mal, in einer anderen Quelle tausend oder sogar zehntausend Mal. Die große Fluktuation der vermeintlichen Fakten machte mich misstrauisch. Hätten Hundeliebhaber und Wissenschaftler beziehungsweise jene Leute, die sich auf YouTube als solche ausgeben, sich in ihren Berichten auf ein und dieselbe falsche Zahl geeinigt − zum Beispiel, dass die Nase des Hundes tausend Mal besser sei als unsere −, ja selbst wenn sie ihre unterschiedlichen Aussagen mit etwas mehr Bescheidenheit, etwas weniger absolutem Wahrheitsanspruch getätigt